Samstag, 20. Januar 2007

Washington – Segesta – Athen – Tel Aviv: William Kristol und der peloponnesische Krieg.


William Kristols Aufsatz "It's Our War. Bush should go to Jerusalem - and the U.S. should confront Iran" in der Online-Version der Zeitschrift "the weekly Standard" vom 07/24/2006, Volume 011, Issue 42, erreichte ich im Dreisprung.
Am Anfang war die Rückverfolgung einer Suchanfrage zu "The Israel Lobby and US Foreign Policy", dem Titel einer Studie der beiden US-amerikanischen Politologie-Professoren John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt, über die auch ich bereits einen angefangenen Essay (eigentlich als "work in progress" gedacht, aber monatelang nicht fortgeführt) ("IN THE MACCHIA OF SPECIAL INTERESTS – A WELL OF CLEAR-CUT ANALYSIS?" auf meiner Webseite "Drusenreich Fünf" eingestellt habe.
[Nachtrag 31.1.07: In dt. Übersetzung von und auf der Webseite eines gewissen Lutz Forster entdeckt,: Teil 1 (Text) und Teil 2 (Fußnoten).]
Von dieser Suchanfrage leitete mich Rudolf Maresch aus seinem (für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich langen) Telepolis-Artikel vom 19.08.2006 "Israel-Lobby in den USA. Der amerikanisch-israelische Komplex – Teil 2" [hier Teil 1], in dem er - ebenso wie ich - das deutsche Libanon-Engagement kritisiert, zu William Kristol weiter.

Im ersten Ansatz habe ich nur so drüber gelesen; erst die Kombination mit einem anderen Telepolis-Artikel von Rudolf Maresch, dem "War on Terror" (vom 24.07.05) verhalf mir zu tieferen Einsichten. Eigentlich ist das gar kein Aufsatz von Maresch, sondern eine Nacherzählung des Vortrags "Über die Terrorismusbekämpfung" [so der Titel hier; auf Englisch u. d. T. "On Counterinsurgency" z. B. hier] des israelischen Militärhistorikers Martin van Creveld, den meine regelmäßigen Blog-Leser bereits in meinem Essay "Von der Atombombe zur Frauenemanzipation ... " begegnet sind.

Eine finstere Figur war es, welche mir dort ein Licht anzündete: der verstorbene syrischen Präsident Hafez al-Assad, der einen Aufstand der Islamisten niederschlug, indem er dessen Zentrum, die Stadt Hamma, von zwölftausend schwer bewaffneten Soldaten umstellen ließ und anschließend die Stadt in drei Tagen dem Erdboden gleich machte, wobei er Frauen, Kinder und Männer massakrieren und die Moschee der Stadt, ein bekanntes Heiligtum, niederbrennen ließ. An die zwanzigtausend Menschen verloren bei dieser Militäraktion schätzungsweise ihr Leben. Creveld (der dieses Vorgehen keineswegs als vorbildlich propagiert, es allerdings in bestimmten Stadien des Kampfes gegen den Terrorismus wohl für notwendig hält) konstatiert, dass der Diktator Hafez al-Assad auf diese Weise der Muslimbrüderschaft die Stirn geboten und Syrien dem Zugriff radikaler Islamisten entzogen hatte.

Meine Hervorhebungen verweisen bereits auf das, was für mich im Zusammenhang mit dem Artikel von Kristol die entscheidende Information war: dass nämlich Syrien den Islamismus bekämpft hat. Und natürlich ist Syrien auch jetzt unter Baschar al-Assad, dem Sohn des Aufstands-Bekämpfers, kein islamistischer Staat - im Gegensatz zum Iran. Vor diesem Hintergrund enthüllen sich nach und nach Widersprüchlichkeiten in der Argumentation von William Kristol (der sogar selbst die syrische Regierung als "secular government" bezeichnet - s. u.).

Der (bei Abfassung seines Artikels anhängige) Libanon-Krieg, [hier in streng chronologischer Folge dargestellt] erklärt er seinen Lesern, sei kein arabisch-israelischer Krieg, sondern ein islamistisch-israelischer. Und das eigentliche Angriffsziel sei dabei die liberal-demokratische Zivilisation (nicht nur des Westens, sondern z. B. auch Indiens). Wenn es aber um einen Kampf zwischen Islamismus und (ich sage mal:) 'der Moderne' geht: warum agitiert William Kristol dann für einen "regime change" nicht nur im Iran (was ich im Hinblick auf die iranische Nuklearpolitik interessenpolitisch durchaus nachvollziehen könnte), sondern ausdrücklich auch "in Syria"?

Diese Forderung findet sich aber erst am Schluss von Kristols Aufsatz, der, wenn man einmal die Lupe herausgeholt hat, noch sehr viel mehr Ungereimtheiten aufweist.
Ribbeln wir also seinen Argumentationsfaden vom Anfang her auf.

Stutzig macht gleich im ersten Absatz seine vorsätzlich nebensätzlich hingestreute Bemerkung über die "terrorist groups who have started this war". [Hervorhebungen von mir]
Indirekt wird die im 2. Absatz wiederholt, wenn er sagt "what's under attack is liberal democratic civilization". [Hervorhebung von mir] Ein neutraler Beobachter wird vielleicht Verständnis dafür aufbringen, dass Israel die ständigen Nadelstiche der Hisbollah an seiner Nordgrenze leid war. Aber nicht einmal dann, wenn er den 2. Libanon-Krieg billigt, wird er die Entstehungsgeschichte derart verzerrt präsentieren, wie die eindeutig zweckorientierte Darstellung von William Kristol das tut. Der amerikanische Star-Reporter SEYMOUR M. HERSH hat zahlreiche Gesprächspartner in den Regierungen der USA und Israels zur Genese des Krieges interviewt und referiert die Ergebnisse seiner Recherchen in der Ausgabe des "New Yorker" vom 21.08.2006 (bereits am 14.08.2006 ins Zwischennetz eingestellt) u. d. T. "WATCHING LEBANON. Washington’s interests in Israel’s war." Auf den ersten Blick wirkt die Vielzahl der Meinungen etwas kakophonisch; man geht wohl auch nicht fehl in der Annahme, dass die Informaten von Hersh nicht gerade im Zentrum der Macht sitzen. Trotzdem kann man auch auf einem subordinierten Posten in der Exekutiv-Maschinerie aus Fakten, die einem dort bekannt werden (z. B. Anweisung, bestimmte Vorbereitungen für ... zu treffen) gewisse Rückschlüsse auf die Planungen von "denen da oben" ziehen. In der Summe wird ganz eindeutig, was angesichts der Schnelligkeit und des Umfangs der israelischen Reaktion jedoch von vornherein auf der Hand lag (und allemal für einen Experten, der Kristol ja zweifellos ist): die Schwellenüberschreitung von einem begrenzten Grenzkonflikt war von Israel vorbereitet und gewollt: ganz zweifellos (und, wohlgemerkt, unabhängig von der moralischen oder politischen Bewertung) eine "premeditated action", ein vorsätzlich geführter Krieg bzw. ein ganz bewusst auf die Ebene eines Krieges hochgepuschter Grenzkonflikt. Die USA haben kein Interesse daran, die Tatsachen verfälschend darzustellen. Wer eine Legendenbildung vom 2. Libanon-Krieg als einem großen islamistischen Angriff auf Israel betreibt, agiert bzw. agitiert als Lobbyist Israels, nicht als amerikanischer Patriot.


Im vierten Absatz unterlegt Kristol zunächst sein Argument, dass "states matter", überzeugend mit Beispielen: Kommunismus und Nationalsozialismus wurden in der Tat erst dann wirklich gefährlich, nachdem sie in Rußland bzw. Deutschland die Macht ergriffen hatten. Seine anschließende Behauptung, dass "Islamism became really dangerous when it seized control of Iran", verblüfft uns insofern, als Kristol selbst daran erinnert, wie lange der Iran nun schon islamistisch ist: "... which then became, as it has been for the last 27 years, the Islamic Republic of Iran." [Hervorhebung von mir]

In welcher Weise hat der Iran nach Meinung Kristols seit 1979 die liberal-demokratische Zivilisation bekämpft? 1979 gab es die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft (deren Befreiung verpatzt wurde): gut, dass könnte man als einen aggressiven Akt (wenn auch möglicher Weise nicht von der iranischen Regierung geplant) bezeichnen. Aber danach? Wo hätte der Iran, zunächst selbst (wenn auch nicht ganz unschuldiges) Opfer einer irakischen Aggression ("Erster Golfkrieg"), "den Westen", oder auch nur die USA, angegriffen? Wenn man einmal von den offenkundigen Vorbereitungen für eine atomaren Rüstung absieht, die nicht zuletzt unseren eigenen (und keineswegs etwa nur den amerikanischen!) Interessen in der Tat gefährlich werden könnte, findet man nichts. Gewiss: die iranische Unterstützung der Hisbollah im Libanon ist ein Ärgernis; eine Gefahr ist sie für Amerika jedoch nicht. Für Israel ist sie eine Bedrohung.

"No Islamic Republic of Iran, no Hezbollah, ... no one to prop up the Assad regime in Syria (a secular [sic!] government ... that has its own reasons für supporting Hezbollah and Hamas) ...". Aber haben die Hisbollah oder die Hamas die USA angegriffen (von den Vorkommnissen im Jahr 1983 - vgl. Wikipedia-Eintrag zu "Hisbollah" - abgesehen)? Weshalb und und wie stellen sie eine Bedrohung der USA oder gar des Westens insgesamt dar? Streben sie nach Weltherrschaft (wie anscheinend nicht wenige Mächtige in den USA)? Während wir noch zweifelnd über seine Behauptungen nachsinnen, sind jedoch die politischen Rechenkünste von Mr. Kristol schon zur nächsten Gleichung des Bösen enteilt. Die Saudis finanzieren nämlich "the export of the Wahhabi version of Sunni Islam as a competitor to Khomeini's claim for leadership of militant islam". Warum sind aber dann nicht auch die Saudis gefährlich, wenn sie mit dem Iran um die Führung des militanten (!) Islam ringen? Und die Taliban in Afghanistan an die Macht gebracht haben, denn Kristol fährt fort: "... and thus [d. h. ohne die Unterstützung durch Saudi-Arabien] no Taliban rule in Afghanistan".
Haben nicht gerade auch die USA selbst jene religiös motivierten Kämpfer unterstützt, die gegen die Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion gekämpft haben? [Vgl. dazu und weit darüber hinaus gehend z. B. die ausführliche Dokumentation über "The use of Islamist militants by American and Israeli militarists" auf der Webseite "Cooperative Research". (Ich kenne die Seite nicht näher und kann mir über die Qualität der Inhalte kein Urteil erlauben; dass aber die USA die Islamisten in Afghanistan gegen die Russen unterstützt haben, ist ja allgemein bekannt.) (Siehe in diesem Zusammenhang auch einen Artikel des Sunday Herald (Scotland), vom 12.09.2004 von Neil Mackay mit der Überschrift: " US Neo-Cons: Kremlin is ‘Morally’ to Blame for the School Massacre".)]

Zweiflern an der islamistischen Gefahr [die im übrigen auch ich durchaus sehe, aber weniger als etwas von außen Kommendes, sondern etwas, das längerfristig die demographischen und geistigen Vakuen unserer Gesellschaft von innen her erobern könnte], die auf die erbitterten Gegensätze zwischen verschiedenen islamischen Ländern verweisen, erinnert er im 6. Absatz mit einem historischen Vergleich an Zweckbündnisse erbitterter Gegner:
"... temporary alliances of convenience are no less dangerous because they are temporary. Tell the Poles of 1939, and the French of 1940, that they really had little to worry about because the Nazi-Soviet pact was bound to fall apart"
schreibt er, und hat natürlich Recht. Andererseits war es aber vielleicht diese Passage, die mich nun meinerseits zu der im Titel angedeuteten historischen Parallelisierung angeregt hat - dazu unten mehr.
Aus dem Vergleich von Kristol können wir, wenn wir ihn konsequent fortführen, aber auch etwas anderes ableiten. Die zeitweise Zweck-Allianz zwischen Hitler-Deutschland und Stalin-Rußland hat kleinere Mächte bedroht; in der Auseinandersetzung mit den USA, wo es ums Ganze, um die Weltmacht ging, hätte sie auch bei einem entsprechenden Wollen der Bündnispartner nicht halten können.
Und so sind Zweckbündnisse zwischen dem säkularen Regime in Damaskus und den Theokraten in Teheran sicherlich für Israel gefährlich; eine Bedrohung der USA stellen sie allenfalls im Irak dar, aber nicht auf einer globalen Ebene. Auch hier erweist sich also wieder, auf welch kurzen Beinen die von William Kristol versuchte Vorspiegelung einer Identität israelischer und US-amerikanischer Interessen steht.

"The war against radical Islamism" (für dessen angebliche Notwendigkeit ich in seinem Artikel keine Begründung erkennen kann - außer natürlich aus israelischer Perspektive) wird nach Kristols Überzeugung lange dauern. Wenn man ihn so führt, wie Bush das im Irak tut und wie Kristol das für Syrien vorschlägt, nämlich die säkularen Gegengewichte vom Sockel haut, weil sie - wem eigentlich? - nicht passen, kann man diese Auseinandersetzung in der Tat sowohl verschärfen als auch - in wessen Interesse? - auf lange Zeiträume ausdehnen. Denn Kristol will gegen die Hintermänner vorgehen und fordert in Abs. 7, dass "... our focus should be less on Hamas and Hezbollah, and more on their paymasters and real commanders - Syria and Iran." Viel Feind, viel Ehr' (und aus dem Irak-Krieg hat Kristol ohnehin nichts gelernt - oder, aus einer anderen Perspektive betrachtet, eben doch?). Deswegen gleich weltweit den Plan Armagedon (Harmagedon) ausführen: "... our focus should be not only on the regional war in the Middle East, but also on the global struggle against radical Islamism."

Den Kampf gegen den weltweiten Islamismus betreibt er selbst freilich widersprüchlich, denn das "American Committee for Peace in Chechnya", dass mittlerweile eine Metamorphose zum "American Committee for Peace in the Caucasus" (hier dessen Homepage) durchgemacht hat und dessen Mitglied William Kristol ist, dürfte weniger daran interessiert sein "... to [disseminate] ... knowledge about the peoples, cultures and regions of the North Caucasus, including Chechnya, Ingushetia, Dagestan, North Ossetia, Kabardino-Balkaria, Karachayevo-Cherkessia and Adygeya" als vielmehr den Russen Schwierigkeiten zu bereiten - und dafür ggf. auch mit den Islamisten zusammen zu arbeiten. Mit Zweckbündnissen kennt Herr Kristol sich aus; nur verdrängt er offenbar, dass auch die anderen in derartigen Konstellationen Zwecke verfolgen - ihre eigenen nämlich. Der Pakt mit dem Teufel geht nicht immer so glücklich aus, wie in jenen frommen Christensagen, bei denen sich der dumme Teufel über's Ohr hauen lässt. (Ein gewisser Jeffrey Steinberg berichtet in der Executive Intelligence Review vom 17.09.2004 sogar darüber, dass die "Neo-Cons Knee Deep in Caucasus Provocations" verwickelt seien. Freilich ist die EIR eine Publikation von Lyndon LaRouche, und Jeffrey Steinberg nimmt darin die Position eines "Director of Counterintelligence", Chef der Gegenspionage also, ein. Wir wollen deshalb auch nicht unsere ganze Weisheit aus den Wässern dieser möglicher Weise trüben Quelle schöpfen, sondern z. B. dem Aufsatz eines gewissen Taki Theodoracopulos (den man im politischen Spektrum der USA wohl den "Paläo-Konservativen" zuordnen muss)Gehör schenken (der Artikel ist ursprünglich in der Ausgabe der Zschr. "The American Conservative" 19.06.2006 erschienen, dort aber nicht online):
"Russia's democratic institutions ... were nonexistent before 1991. What is Putin supposed to do? Force the Russian people to ... turn into democrats overnight? Puffed up with their own importance, busybody fools like Madeleine Albright, Joe Biden, Richard Holbrooke, William Kristol, and Martin Peretz, among others, signed a ludicrous letter warning the West about Putin's dictatorial tendencies. ... A Washington outfit called the American Committee for Peace in the Caucasus is comprised of such individuals as Kristol, Elliot Abrams, Richard Perle, Frank Gaffney, James Woolsey, and Norman Podhoretz--all hawks where the Middle East is concerned but doves on Chechnya. The real purpose of the group is to justify Chechen terrorism, demonize Russia, and to seek to involve NATO in the Caucasus. These are the very same people who promised us a cakewalk in Iraq and are doing their best to get us to bomb Iran in order to make Israel safe. Just try and imagine the following: how would these 'peace in the Caucasus' types respond if we were to substitute Palestinian for Chechen and Israel for Russia?
Russia is an ancient country with a great history behind it. The people who have got us into the Iraqi mess should try to keep their mouths shut for a while. As we do not permit anyone to tell us what to do - far from it, perhaps it's time to practice what we preach and mind our own business for a change."
[Hervorhebungen von mir]

In Absatz acht bleut Kristol seinen Lesern wiederum beweislos noch einmal ein:
"... while Syria and Iran are enemies of Israel, they are also enemies of the United States". Als Grund dafür reicht es ihm offenbar aus, dass Syrien die Israel-feindlichen Organisationen der Hisbollah und Hamas unterstützt (Abs. 5 und 7). Denn eine andere Ratio nennt er, in diesem Aufsatz jedenfalls, nicht. In diesem Zusammenhang liefert das Editorial in "The Nation", Ausgabe 3.11.2003, ins Internet eingestellt am 16.10.2003 "Is Syria Next?" eine interessante Information:
"Shortly after 9/11, the government received an extraordinary gift of hundreds of files on Al Qaeda, crucial data on the activities of radical Islamist cells throughout the Middle East and Europe and intelligence about future terrorist plans. These dossiers did not come from Israel or Saudi Arabia, whose kingdom appeared more concerned at the time with securing safe passage for members of the bin Laden family living in the United States, but--as Seymour Hersh revealed in the July 28 New Yorker--from Syria. One CIA analyst told Hersh, "the quality and quantity of information from Syria exceeded the agency's expectations." Yet, the analyst added, the Syrians "got little in return for it" lesen wir dort. (Der Artikel von Seymour Hersh - dem wir schon oben auf der Suche nach den Ursachen des Libanon-Krieges begegnet waren - trägt den Titel: "THE SYRIAN BET. Did the Bush Administration burn a useful source on Al Qaeda?" by und wurde in der Ausgabe vom 28.07.03 veröffentlicht, aber schon am 18.07.2003 ins Netz gestellt.)
Weitere Hintergrund-Informationen zu diesem Thema gibt uns gewisser Michael Young in seinem Artikel "SYRIA, THE U.S. AND TERRORISM" im "Terrorism Monitor" der (mir nicht näher bekannten) "Jamestown Foundation." Nach Inhalt und Tonart zu urteilen, erscheinen die Informationen glaubwürdig. Gegen die islamistischen Terroristen hat Syrien mit den USA zusammengearbeitet. Die Unterstützung von militanten anti-israelischen Organisationen entspringt offenkundig einem machtpolitischen (teilweise zweifellos auch innenpolitischen) Kalkül, nicht einer grundsätzlich anti-zionistischen oder gar islamistischen Ideologie. Und nirgendwo ist zu erkennen, dass Syrien darauf erpicht wäre, sich mit den USA anzulegen.
Warum also bezeichnet Kristol Syrien als Feind Amerikas? Weil es ein Gegner Israels ist? Möglich, dass er anderswo andere Gründe nennt; nach dem vorliegenden Aufsatz muss ich jedenfalls davon ausgehen, dass für ihn alle Gegner Israels automatisch auch Feinde Amerikas sind.

Sein Rezept im folgenden Absatz lautet:
"The right response is renewed strength--in supporting the governments of Iraq and Afghanistan, in standing with Israel, and in pursuing regime change in Syria and Iran." [Kurios ist, wie er seine hier von mir graphisch hervorgehobene Sicht der Beziehung zwischen den USA und Israel später umdreht in ein 'Israel is willing to stand with us'. Kristol hält offenbar seine Leser für ziemlich bescheuert - oder für derart ideologisch benebelt, dass sie solche Kehrtwendungen gar nicht wahrnehmen. Dass die regelmäßigen Leser des Weekly Standard dumm sind, halte ich aber für ausgeschlossen. Denn Politiker, welche als weniger intelligente Galionsfiguren welcher Strömungen auch immer an die Macht kommen - lesen nicht. Die lassen sich beraten. Leider offenbar zu oft von gemeingefährlichen Subjekten wie William Kristol.]

Dass die Invasion Israels in den Libanon ein "act of Iranian aggression" ist, bedarf für Kristol gar keiner weiteren Begründung. Und unbekümmert um die Folgen z. B. für die Ölversorgung, nicht zuletzt der USA, fordert er als Antwort auf die iranischen Aggression einen "military strike against Iranian nuclear facilities". Je eher desto besser! Die Folgen? "Yes, there would be repercussions - and they would be healthy ones, showing a strong America that has rejected further appeasement." Gesunde Rückwirkungen? Tja, wenn er darunter versteht, dass dann die USA (und ebenso wir) ernsthaft ans Energiesparen denken müssten - könnte man ihm sogar, mit einem gewissen Augenzwinkern freilich, zustimmen. Aber das ist ganz gewiss das Letzte, was der brutale amerikanische Militär-Macht-Fetischist William Kristol erhofft.

Dass Kristol freilich, im Nahen Osten jedenfalls, in allererster Linie nicht die patriotischen amerikanischen, sondern nationalistische Interessen Israels im Sinn hat, wird mit seltener Klarheit deutlich, wenn man den zehnten und letzten Absatz liest:
"But such a military strike would take a while to organize. In the meantime, perhaps President Bush can fly from the silly G8 summit in St. Petersburg - a summit that will most likely convey a message of moral confusion and political indecision - to Jerusalem, the capital of a nation that stands with us, and is willing to fight with us, against our common enemies. This is our war, too." [Hervorhebung von mir]

Erst wenn man sich klar macht, welche ungeheuren symbolischen Provokationen der gesamten Weltgemeinschaft sowie der arabischen und islamischen Welt im Besonderen in einer solchen Aktion des US-Präsidenten George W. Bush stecken würden, begreift man, dass es Kristol offenbar darum geht die USA, Seite an Seite mit ihrem selbstlosen Freund Israel, in eine Konfrontation mit der islamischen Welt und notfalls auch mit der gesamten Völkergemeinschaft zu hetzen.
Es mag ja sein, dass die Gipfeltreffen keine konkreten Ergebnisse bringen. Gänzlich funktionslos sind sie aber vielleicht doch nicht. Sie symbolisieren: wir, die Völker der Welt, stehen zusammen, wir beraten unsere Probleme und versuchen, sie friedlich zu lösen [ich bin kein Illusionist und weiß: das ist nicht immer möglich]. Wenn da plötzlich der Oberboss vom Mittagsstisch aufsteht, die Serviette hinschmeißt und den 7 restlichen 'Laberfürsten' der Gipfel-Schwatzbude seine verlängerte Kehrseite zuwendet, um zu seinem treuen Verbündeten, dem gigantischen Machtfaktor Israel, zu eilen, dann ist das eine Provokation der gesamten Welt.
Wenn er dann auch noch nach Jerusalem fliegt, dessen rechtlicher Status außerhalb Israels noch immer umstritten ist, dann ist das ein Schlag ins Gesicht zunächst einmal der Palästinenser, aber, gravierender, auch jener arabischen Welt, die nach Kristols zutreffender Darstellung (Abs. 1) derzeit gar nicht im Konflikt mit Israel steht. Man muss also annehmen, dass Kristol die arabischen Staaten radikalisieren will (die gleiche Folge hätte ja mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein Umsturz des weltlichen syrischen Regimes für dieses Land). Und darüber hinaus wäre es natürlich Wasser auf die Mühlen der radikalen Islamisten, würde diesen Selbstmordattentäter in Massen zutreiben.

Es ist absolut ausgeschlossen, dass ein Mann von seinem intellektuellen Zuschnitt den zwangsläufigen Eintritt derartiger Folgewirkungen nicht bedacht hat. Daher darf und muss man unterstellen, dass er sie ganz bewusst intendiert. Cui bono? Für Israel?
Diese Antwort wäre, wie alles, was so an Antworten auf der Straße herumliegt, zu unpräzise (auch wenn ich selbst manchmal nachlässig von "israelischen", "amerikanischen" usw. Interessen spreche).
"Das" Interesse Israels gibt es nicht. Man kann aber sinnvoll unterscheiden zwischen dem, was sich durch die Politik der israelischen Regierung als (derzeitiges) offizielles Staatsinteresse Israels darstellt und allen möglichen anderen Positionen einzelner Personen oder Gruppen, die ihre jeweils eigene Sicht der Dinge haben mögen (und theoretisch ja auch an die Macht kommen und "die" Interessen Israels dann ganz anders definieren könnten).
Nach den (überzeugenden) Darlegungen von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt ist es (auch) die offizielle israelische Politik, welche die USA zu feindseligen Aktionen gegenüber dem syrischen bzw. iranischen Regime drängt:
"Israeli leaders did not push the Bush Administration to put its crosshairs on Syria before March 2003, because they were too busy pushing for war against Iraq. But once Baghdad fell in mid-April, Sharon and his lieutenants began urging Washington to target Damascus. ..... Syria was not on bad terms with Washington before the Iraq war ...and it was no threat to the United States. Playing hardball with Syria would make the United States look like a bully with an insatiable appetite for beating up Arab states. ..... Yet Congress insisted on putting the screws to Damascus, largely in response to pressure from Israel officials and pro-Israel groups like AIPAC. If there were no Lobby, ... U.S. policy toward Damascus would have been more in line with the U.S. national interest." [Hervorhebungen von mir]
Was Syrien angeht, agitiert also die pro-israelische Lobby (und handeln das US-Parlament und die US-Regierung) eindeutig gegen das amerikanische Interesse und ganz eindeutig ausschließlich im israelischen Sinne.

Beim Iran liegen die Verhältnisse komplizierter. Wie ich in meiner o. a. Analyse u. d. T. "IN THE MACCHIA OF SPECIAL INTERESTS – A WELL OF CLEAR-CUT ANALYSIS?" näher erläutert habe, gefährdet eine atomare Bewaffnung des Iran weniger die israelische Sicherheit, als vielmehr die Ölversorgungs-Sicherheit (so lange dort unten überhaupt noch Öl im Boden liegt) der USA, Europas und der restlichen Welt. Ich kann es eigentlich nicht recht verstehen, dass sich Israel in dieser Sache weit aus dem Fenster lehnt und militärische Aktionen gegen den Iran fordert (oder gar vorbereitet?).
Die anti-israelische Rhetorik der iranischen Führung halte ich im Wesentlichen für einen Trick, um mögliche Kritik (zumindest öffentliche Kritik) und Ängste der anderen Staaten am persischen Golf einzudämmen. Die sind ja nicht blöd, die Iraner: niemand kann es sich leisten, innerhalb der arabischen Welt die iranische Atomrüstung als Bedrohung anzuprangern (was sie ja tatsächlich für Saudi-Arabien usw. ist!), weil der Iran die öffentliche Meinung derjenigen Länder, die sich in erster Linie bedroht fühlen müssten, mit der Parole "Es geht ja gegen Israel" für sich mobilisiert.

Tatsache ist allerdings, dass Israel leider das Spiel der iranischen Führung gewissermaßen mitspielt, indem es, statt die (eigentlich doch sehr durchsichtige) iranische Strategie zu decouvrieren, ihr durch die entsprechenden Reaktionen auch noch Glaubhaftigkeit verleiht.

Unabhängig von dem, was die israelische Regierung gegenwärtig meint und tut, gibt es aber, aus dem Blickwinkel eines ethnozentrierten israelischen Nationalismus betrachtet, ein ganz fundamentales Problem für den jüdischen Staat. Stillstand ist aus einer solchen Perspektive Rückschritt, weil die Araber in Israel und die Palästinenser in den besetzten Gebieten sich deutlich schneller vermehren als die Israelis. Über kurz oder lang ist dadurch die jüdische Identität Israels bedroht.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass extreme israelische Nationalisten (und in den USA Personen, welche sich dieser Sicht der Dinge und den so definierten israelischen Interessen verpflichtet fühlen) dieses "Problem" in der Weise zu lösen hoffen, dass sie einen weitaus größeren Konflikt auszulösen versuchen, in welchem sie dann relativ unbeobachtet mit den Palästinensern 'Schlitten fahren' könnten.
Aber auch bei dem gegenwärtigen Zustand muss Israel mit der Möglichkeit eines Meinungsumschwungs in den USA rechnen. Die Reaktion auf die Studie von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt war nicht zuletzt deshalb so heftig, weil die beiden Politologen in den - wie ich sie genannt habe - "aktivierenden" Passagen ihres Papiers die Diskrepanz zwischen den amerikanischen Werten und dem von den USA unterstützten israelischen Verhalten aufgezeigt haben. So lange die USA freilich selbst in Konflikte im Nahen Osten verwickelt sind, und man die Gegenseite in die Sammelkategorie "Terroristen" packen kann, wird auch die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik nicht allzu laut werden. Mit anderen Worten: zumindest die derzeitige israelische Politik (wenn nicht gar die israelische Politik überhaupt, denn auch die sog. "linken" Regierungen haben die Siedlungspolitik nicht gestoppt) hat ein objektives, gewissermaßen 'macchiavellistisches' Interesse daran, die USA in der Rolle eines Spießgesellen im Nahen Osten zu positionieren.
Man kann solche Gedanken als "wilde Phantasien" oder "Verschwörungstheorien" abtun; es dürfte sich auch kaum nachweisen lassen, dass sie ein Bestandteil der offiziellen israelischen Politik sind. Doch würde es mich angesichts der menschlichen Natur sehr überraschen, wenn nicht eine ganze Reihe von zionistischen Israelis und außerisraelischen Sachwaltern des Zionismus so oder so ähnlich denken würden.
Wenn aber irgend jemand eine bessere oder auch nur gleich pausible Erklärung für das Bemühen von Kristol (und vermutlich noch einigen anderen aus den Reihen der so genannten Neo-Cons) anbieten kann, einen Weltenbrand anzuzünden, ist herzlich willkommen, diese in den Kommentaren einzutragen.

Meine Leserinnen und Leser sind aber mittlerweile vielleicht weniger an irgend einem mythologischen Ragnarök und mehr am Rätsel des Zusammenhangs zwischen William Kristol und dem Peloponnesischen Krieg interessiert sind. Dazu hat mich seine grotesk verzerrte Wiedergabe der realen Machtverhältnisse im letzten (10.) Absatz inspiriert, wo Kristol Jerusalem bezeichnet als "... capital of a nation, that stands with us, and is willing to fight with us ...".
Das erinnert mich verdammt stark an die argumentative Strategie des Volkes der Elymer (im antiken Sizilien), mit der sie Athen (erfolgreich) in ihre Konflikte zu ziehen suchten. Vgl. dazu in der Wikipedia das Stichwort "Sizilienexpedition" (übrigens in die Liste exzellenter Artikel aufgenommen):
"... im Herbst 416 v. Chr. baten Gesandte der sizilischen Stadt Segesta Athen um Beistand im Konflikt mit Syrakus. Sie argumentierten, dass das mächtige Syrakus, wenn es erst ganz Sizilien beherrsche, bald Sparta, seinem dorischen Verwandten auf dem Peloponnes, zu Hilfe kommen und gegen Athen in den Krieg ziehen würde. Ein Eingreifen Athens sei also ein Präventivkrieg."

Gut: Anders als die Elymer den Athenern versprechen die Israelis den Amerikanern keine "Finanzierung der Kriegskosten". Schließlich hängen sie ja selbst am amerikanischen Finanztropf, mit dem sie nicht nur ihre Verteidigung (teilweise) finanzieren, sondern auch ihre völkerrechtswidrigen Siedlungen im Westjordanland. (Diese sind natürlich keine aggressiven Handlungen, gell Mr. Kristol?)
Aber nicht minder lächerlich als der von den Elymern vorgetäuschte Reichtum ist der von Herrn Kristol suggerierte Wert einer militärischen Unterstützung der USA durch Israel in einer weit reichenden Auseinandersetzung mit der arabischen und darüber hinaus insgesamt der islamischen Welt.
Der Kampf gegen Syrakus (der natürlich aus athenischer Sicht weniger als Hilfe für die Elymer denn vielmehr als Mittel der eigenen Machtsicherung und Machterweiterung gedacht war, in welchen aber ganz konkret die Elymer aus der westsizilianischen Stadt Segesta die Athener hineingelockt hatten) ging schlecht aus für Athen. Im Irak läuft's jetzt schon schlecht für die USA. Wer in dieser Situation anderswo ohne Not (also insbesondere in Syrien) Streit anfangen und George Bush zu einer demonstrativen Provokation weg vom Gipfeltreffen der führenden Länder der Erde nach Jerusalem schicken will, argumentiert nicht als amerikanischer Patriot, sondern als Lobbyist nationalistischer israelischer Strömungen.

Schon aus der Logik von Kristols eigener Argumentation ist nicht zu begründen, mit welcher politischen Zielsetzung Busch nach Israel reisen sollte. Ein Bittgang ist überflüssig, weil Israel in der Story von Kristol ja ohnehin auf "unserer" (i. e. der amerikanischen) Seite steht und bereit ist [wie freundlich!] mit "uns" gegen "unsere gemeinsamen Feinde" zu kämpfen. Der Vorschlag kann also nur als Herausforderung konzipiert worden sein, um es im Nahen Osten so richtig zum Krachen zu bringen. Dieser Zuendel-Bube weiß ganz genau, dass bereits seine beiläufig hingestreute Bemerkung "... Jerusalem, the capital of a nation ..." das Blut jedes Palästinensers und Arabers (und natürlich auch der Islamisten) zum Kochen bringt. Nicht umsonst sitzt ja nicht einmal die US-amerikanische Botschaft (hier eine Webseite der Botschaft mit Zahlenangaben über die US-Hilfe für Israel) nicht in Jerusalem, das nach israelischem Recht die Hauptstadt ist, sondern nach wie vor in Tel-Aviv. Über die Hintergründe informiert uns der Wikipedia-Artikel über Jerusalem: "Der Kongress der USA beschloss 1995, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, da Israel – wie alle Staaten – das Recht habe, seine Hauptstadt selbst zu bestimmen. Aus Furcht vor den außenpolitischen Folgen ist dies jedoch bis heute (2006) nicht umgesetzt."
Noch ausführlicher dazu die englischsprachige Wikipedia (Stichwort "Positions on Jerusalem"):
"The United States Jerusalem Embassy Act, passed by Congress in 1995, states that "Jerusalem should be recognized as the capital of the State of Israel; and the United States Embassy in Israel should be established in Jerusalem no later than May 31, 1999". Since then, the relocation of the embassy from Tel Aviv is being suspended by the President semi-annually, each time stating that "[the] Administration remains committed to beginning the process of moving our embassy to Jerusalem". As a result of the Embassy Act, official U.S. documents and web sites refer to Jerusalem as the capital of Israel.
Section 214 of the Foreign Relations Authorization Act, 2003 states:
"The Congress maintains its commitment to relocating the United States Embassy in Israel to Jerusalem and urges the President [...] to immediately begin the process of relocating the United States Embassy in Israel to Jerusalem". [16]
However, U.S. presidents, including President Bush, have argued that Congressional resolutions regarding the status of Jerusalem are merely "advisory", stating that it "impermissibly interferes with the President's constitutional authority". [17] The U.S. Constitution reserves the conduct of foreign policy to the President and resolutions of Congress which make foreign policy are arguably invalid for that reason. .....
The U.S. Department of State maintains a Consulate General in Jerusalem. .....
US citizens born in Jerusalem do not have “Israel” written on their passports as their country of birth, but rather "Jerusalem". [citation needed]"


William Kristol will also ganz eindeutig die Gegner Israels durch die USA provozieren und damit die ohnehin schon geringe Handlungsfreiheit der US-Regierung in der Nahostpolitik gänzlich einschränken. Welchen Nutzen hätten die USA davon, wenn sie noch mehr als das ohnehin jetzt schon der Fall ist, in den Nachbarländern Israels und in der ganzen Welt als dumm-treuer Schnuffi-Hund wahrgenommen würden, der vom israelischen Stummelschwänzchen nach Belieben herumgewedelt wird?

Was andere Amerikaner zu Meinungsäußerungen in der Art der hier besprochenen sagen, kann man z. B. bei dem bereits oben zitierten Taki Theodoracopulos nachlesen:
"Failure has done nothing to moderate the insane ambitions of [my addition: certain] U.S. policymakers. Not content with the bloody fiasco in Iraq, the intensification of the war in Afghanistan, a soaring budget deficit, and the electoral triumphs of the anti-American populist Left throughout South America, American policymakers have decided to open up a number of new battlefronts. First, they threaten to overthrow the clerical regime in Tehran. As if that weren't enough, they have now decided to pick a fight with Russia. Yes, Russia, the biggest country in the world and one that possesses thousands of nuclear warheads. Hubris like this has not been seen since Adolf Hitler." [Hervorhebung von mir]

In der Tat fällt es schwer, William Kristol und andere Leute seines Schlages anders zu sehen denn als gemeingefährliche Irre. Andererseits: Irre sind unzurechnungsfähig; mit einer solchen Einstufung würden wir Kristol bitter Unrecht tun. Damit bleibt als einzige sachgerechte Alternative eine Rubrizierung von William Kristols Plänen als kriminell gefährlich - für die USA, den Rest der Welt und letztendlich auch für Israel, das nicht ewig in Unfrieden mit seinen Nachbarn leben kann. Andererseits kann aber Israel am allerwenigsten seine "Probleme" mit einer "Endlösung" nach dem Vorbild von Adolf Hitler lösen. Freilich frage ich mich aber doch , was Heißsporne wie Kristol mit ihren Provokationen letztendlich beabsichtigen, wenn nicht eine Konfrontation im ganz großen Stil, bei der es zwar nicht zur physischen Eliminierung der Palästinenser, aber doch wenigstens zu deren "Umsiedlung" in andere arabische Staaten kommen könnte. Auch wenn es richtig ist, dass "states matter", zeigt ja gerade die jüdische Geschichte, dass ein Volk oder eine Religionsgemeinschaft sogar in der Diaspora unter bestimmten Voraussetzungen seine/ihre Identität auch ohne einen eigenen Staat wahren kann, und dass sogar über historisch immense Zeiträume.
Sicherlich haben Kristol & Co. nicht nur geographisch, sondern auch zeitlich ein weites Blickfeld.

Ganz generell möchte ich also zu bedenken geben, dass das Verständnis der israelischen Position und Politik möglicherweise an einer relativ oberflächlichen Fixierung der Debatte auf Außenpolitik und die Sicherheitspolitik (Außenpolitik, Kampf gegen Terrorismus) krankt. Israel ist aber (wie natürlich auch Deutschland usw., jedoch im Gegensatz zu den USA) ein ethnozentrischer Staat. Die große und im Verhältnis schneller wachsende Zahl von Palästinensern muss aus der Sicht eines Zionisten als Bedrohung erscheinen. Es könnte deshalb Erkenntnis fördernd sein, wenn man sich fragen würde, ob sich nicht bestimmte Handlungsweisen der israelischen Politik und Forderungen der zionistischen Lobby in den USA dadurch stringenter interpretieren lassen, dass man eine Orientierung der Akteure und ihrer Ziele an der Wahrnehmung einer vorwiegend von innen kommenden Bedrohung der jüdisch-israelischen Staatsidentität annimmt.

Manche Leser(innen) finden vielleicht, dass ich meine Interpretation von Kristols Artikel "It's Our War" überdehne, wenn ich darin Indizien für eine auf breit angelegte außenpolitischen Brandstiftung gerichtete Zielsetzung zu erkennen glaube.
Gegen eine Fehlinterpretation meinerseits spricht aber, dass sich Kristol an anderer Stelle explizit für einen breiten Konflikt ausspricht. In der Fußnote 210 der Arbeit von Mearsheimer und Walt (das Zitat findet man aber auch sonst zahlreich im Zwischennetz) lesen wir:
"Robert Kagan and William Kristol wrote in the aftermath of 9/11 that, “Afghanistan will prove but an opening battle …. this war will not end in Afghanistan. It is going to spread and engulf a number of countries in conflicts of varying intensity. It could well require the use of American military power in multiple places simultaneously. It is going to resemble the clash of civilizations that everyone has hoped to avoid.” "The Gathering Storm,” Weekly Standard, October 29, 2002. [Hervorhebung von mir] Das also ist (nicht der unvermeidliche Gang der Geschichte, sondern:) das erklärte Ziel von William Kristol und seiner Gesinnungs-Gang: einen ganz großen Krieg der Zivilisationen anzuzetteln. Wozu? Für was? Oder: Für wen?


Kehren wir indes zum Ausgangspunkt dieses Eintrages zurück, nämlich der (auch von einer Reihe von Gegnern der israelischen Politik viel kritisierten) Studie der beiden amerikanischen Politologie-Professoren John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt "THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY."

Tatsächlich sind die israelischen und die US-amerikanischen Interessen im Nahen Osten nicht immer so sauber zu trennen, dass man denjenigen Personen, die in den USA bestimmte außenpolitische Forderungen aufstellen, welche mit Forderungen der israelischen Regierung identisch sind, von vornherein einen Lobbyismus zu Gunsten Israels oder gar eine Inkaufnahme der Schädigung eigener amerikanischer Interessen unterstellen könnte. Dies um so weniger, als man nicht ausschließen kann, dass andere Menschen dort eine Interessenidentität sehen, wo man selbst keine zu erkennen vermag.
Stephen Walt stellt in einer Pressekonferenz vom 28.08.06 ausdrücklich klar, dass: "... we didn’t accuse and don’t accuse anyone of being disloyal to the United States. Rather, we recognize that all of us have many commitments and affinities to our country, to our religion, to our families, sometimes to our employers. It’s entirely permissible for those different commitments and attachments to manifest themselves in politics. That’s perfectly okay here in the United States. People like Paul Wolfowitz or Doug Feith and people who work for AIPAC advocate policies they think are good for Israel and the United States alike." [Hervorhebung von mir]

Im konkreten Falle des William Kristol lässt aber in meinen Augen meine vorliegende Detailanalyse keinen anderen Schluss zu als den, dass er im Nahen Osten in allererster Linie die Interessen Israels im Auge hat und bereit ist, für dessen Verteidigung eine Katastrophe für sein eigenes Land in Kauf zu nehmen, wie sie sich im Irak schon jetzt, aber in einem weitaus kleineren Maßstab, abzeichnet.
Hier gibt es keine "split loyalty" mehr; hier ist - mit einer Wahrscheinlichkeit, wie sie in politischen Vorgängen kaum größer nachgewiesen werden kann - seine (Ill-)Loyalität ganz eindeutig.

Auch im eigenen (deutschen, europäischen) Interesse müssen wir also hoffen, dass es Mearsheimer und Walt gelingt, in ihrem angekündigten Buch die Wirkung der pro-israelischen Lobby in den USA noch stringenter nachzuweisen und die Diskrepanzen zwischen amerikanischen und israelischen Interessen noch überzeugender darzulegen, als das in ihrer - angesichts der breiten und intellektuell verminten Thematik relativ kurzen - Studie geschehen konnte.
Vielleicht wacht die amerikanische Öffentlichkeit dann doch auf und verjagt jedenfalls Hasardeure wie William Kristol endgültig von der Bühne und aus den Garderobenräumen der US-Außenpolitik.

Informationen zur Person William Kristol finden sich, außer in der Wikipedia (s.o.), z. B. auf den Webseiten von "SOURCEWATCH", in einem BBC-Panorama, "MEDIA TRANSPARENCY", "RIGHT WEB", Links zu einigen Artikel auf "DISCOURSE DB", und mit einer relativ ausführlichen Darstellung seiner Positionen bei "Cooperative Research".


Nachtrag vom 24.01.07
Dass Kristol nicht der einzige ist, der den Nahen Osten so richtig aufmischen will (und dann Saudi-Arabien gleich mit - was ideologisch zwar Sinn macht, realpolitisch-ökonomisch aber tödlich wäre), zeigen z. B. Äußerungen des Neo-Konservativen Michael Ledeen, wie die folgende:
“Stability is an unworthy American mission, and a misleading concept to boot. We do not want stability in Iran, Iraq, Syria, Lebanon, and even Saudi Arabia; we want things to change. The real issue is not whether, but how to destabilize.” [Wall Street Journal, 9/4/2002] (Nachzulesen auf der Webseite "Cooperative Research") [Hervorhebung von mir]

Eine außerordentlich luzide Studie der "Israel Lobby" ist der gleichnamige Aufsatz vom Michael Lind vom 01.04.2002 (auch hier). Im Grunde nimmt er - in einem relativ kurzen Text - alles vorweg, was John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt in ihrer Studie "THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY" vom März 2006 schreiben. Michael Lind informiert sehr viel breiter (wenn auch nicht wissenschaftlich mit Quellenverweisen operierend) nicht nur über die politische Dimension der Lobby, sondern auch über deren soziologischen Hintergrund: einem "Rise of Jewish fundamentalism in the USA and Israel", der nur zu verstehen ist im Zusammenhang mit einer "... attrition of Jewish numbers by assimilation and intermarriage [which] is producing alarm among Jewish-Americans devoted to preserving Jewish distinctness, by means of conservative religious observance, ideological Zionism, or both." Er schreckt auch nicht davon zurück, das Loyalitätsproblem ("dual loyalty") mit voller Schärfe zu adressieren: "... making political Zionism the basis of Jewishness imposes a stark dual loyalty". Mit einer breiten Übersicht über das politische Spektrum zeigt er auf, dass die Kritik an der Israel-Lobby bzw. an der israelischen Politik in der amerikanischen Gesellschaft hauptsächlich in linken und rechten Strömungen zu finden ist und dadurch auf Randsegmente der Gesellschaft beschränkt bleibt. Als Grund dafür, dass man solche kritischen Postionen in den USA (im Gegensatz zu Europa) nur selten in der politischen Mitte antrifft, identifiziert er die Dominanz der Lobby in den Meinungs-Medien. Ähnlich wie Mearsheimer und Walt kommt er zu dem Schluss dass "America's Israel lobby ... is not all-powerful, but it is still far too powerful for the good of the US and its alliances in the middle east and elsewhere." (Ich hoffe, meine kurzen Streiflichter haben Sie ermutigt, diesen wunderbar klar und ausbalanciert geschriebenen Aufsatz selbst zu lesen; selten werden einem Informationen von solcher Tragweite und Breite der Betrachtung in derart lesbarer Form und Kürze präsentiert.)

Patrick Buchanan scheint (in der breiten Meinung) zu den rechten Schmuddelkindern der intellektuellen Debatte in den USA zu gehören (wenigstens gehört er nicht zur agressiven Rechten; in den USA muss man ja bekanntlich -2- "Rechten" unterscheiden: die mehr isolationistischen Altkonservativen und die aggressiv-nationalistischen - und/oder zionistischen? - Neu-Konservativen).
Aber die Zitate von Neo-Cons, die er in seinem Aufsatz "Whose War? A neoconservative clique seeks to ensnare our country in a series of wars that are not in America’s interest" in dem Magazin "The American Conservative" vom 24.03.2003 in einem langen Aufsatz präsentiert, hat er sicherlich nicht erfunden. Z. B. die ebenso enthüllende wie erschreckende Vision von Norman Podhoretz:
"We may willy-nilly find ourselves forced … to topple five or six or seven more tyrannies in the Islamic world (including that other sponsor of terrorism, Yasir Arafat’s Palestinian Authority). I can even [imagine] the turmoil of this war leading to some new species of an imperial mission for America, whose purpose would be to oversee the emergence of successor governments in the region more amenable to reform and modernization than the despotisms now in place. … I can also envisage the establishment of some kind of American protectorate over the oil fields of Saudi Arabia, as we more and more come to wonder why 7,000 princes should go on being permitted to exert so much leverage over us and everyone else."
Auch dieser Aufsatz ist jedenfalls sprachlich überzeugend. Zumindest habe ich auf den ersten Blick (freilich ohne nähere Kenntnis der Positionen von Buchanan und ohne die Zitate in den Zusammenhängen recherchiert zu haben) nicht den Eindruck (anders als z. B. bei der Polemik von Alan Dershowitz gegen Mearsheimer und Walt), dass hier einer mit Schaum vor dem Mund Hetzpropaganda verbreitet. Auch seine Analyse scheint wichtige Informationen zu enthalten und ist m. E. lesenswert.


Nachtrag v. 25.01.07
"Niemand sollte Illusionen darüber hegen, worauf die Lage zuzusteuern beginnt - auf einen großen Endkampf um den Nahen und Mittleren Osten, auf den Regimewechsel in Damaskus und Teheran, um den Regimewechsel in Bagdad abzusichern. Es ging von Anfang an nie um Saddam allein, so wenig wie es nach dem 8. Mai 1945 um Deutschland allein ging. Damals musste die Demokratie in ganz Westeuropa gegen Stalin gesichert werden. Heute steht Ähnliches für den Raum zwischen Mittelmeer und Persischem Golf an. Künftige Historiker können sich auf interessante Zeiten gefasst machen"
schrieb Torsten Krauel in der "Welt" vom 12.01.07 u.d.T. "Bush steuert auf den großen Endkampf zu". Das scheint beinahe treffend beobachtet.
Ich sage deshalb "beinahe", weil Bush nicht steuert:
Robot Bush wird gesteuert - RoBush!


Vgl. zum Thema Europa (Deutschland) und naher Osten auch meinen Eintrag "Propheten-Karikaturen und Palästinenserfrage".


Textstand vom 16.06.2023

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