Seit dem 25.04.2005 blogge ich nun, und noch immer habe ich die Welt nicht verändert ;-).
[Als Ressourcenpessimist weiß ich letztendlich ohnehin nicht, in welche Richtung man die Welt verändern und gleichzeitig unserem Wunsch nach einem guten Leben - und das möglichst für alle Menschen auf der ganzen Welt - nachhaltig entsprechen könnte.]
Die Zeitungslektüre während unseres Allgäu-Urlaubs in Oberstdorf (insbesondere die Lektüre des Allgäuer Anzeigeblatts, d. h. eigentlich der Augsburger Allgemeinen; gelegentlich auch der FAZ sowie - in dem insoweit übrigens äußerst dürftig ausgestatteten Leseraum im Oberstdorf Haus - einiger anderer Blätter) hatte eine Lawine von Blog-Katalysatoren auf mich herabgerollt:
- Der Rücktritt von (jetzt: Ex-) Bundespräsident Horst Köhler nach seinen Interview-Äußerungen* über die Notwendigkeit, deutsche Wirtschaftsinteressen ggf. auch militärisch zu vertreten.
["... unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege ...", also die Piratenabwehr vor Somalia, geht für mich voll in Ordnung (und sollte m. E. tatsächlich wie ein Krieg, anstatt wie derzeit als Katz-und-Maus-Spiel, geführt werden). Dagegen ginge es sogar mir zu weit, wenn wir zukünftig Kriege führen würden um "ganze regionale Instabilitäten zu verhindern", sofern damit nicht lediglich der Kampf gegen aggressive Regime - z. B. seinerzeit Saddam Hussein im Irak - gemeint ist.]
* Hier die umstrittene Köhler-Interview-Passage im Wortlaut:
Ricke: In der politischen Debatte wird auch darüber nachgedacht, ob das Mandat, das die Bundeswehr in Afghanistan hat, ausreicht. Brauchen wir ein klares Bekenntnis zu dieser kriegerischen Auseinandersetzung und vielleicht auch einen neuen politischen Diskurs?
Köhler: Nein, wir brauchen einen politischen Diskurs in der Gesellschaft, wie es kommt, dass Respekt und Anerkennung zum Teil doch zu vermissen sind, obwohl die Soldaten so eine gute Arbeit machen. Wir brauchen den Diskurs weiter, wie wir sozusagen in Afghanistan das hinkriegen, dass auf der einen Seite riesige Aufgaben da sind des zivilen Aufbaus, gleichzeitig das Militär aber nicht alles selber machen kann, wie wir das vereinbaren mit der Erwartung der Bevölkerung auf einen raschen Abzug der Truppen. Und aus meiner Einschätzung ist es wirklich so: Wir kämpfen dort auch für unsere Sicherheit in Deutschland, wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen. Alles das heißt, wir haben Verantwortung. Ich finde es in Ordnung, wenn in Deutschland darüber immer wieder auch skeptisch mit Fragezeichen diskutiert wird. Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.
[Vgl. zum Köhler-Interview und -rücktritt auch
- den sehr intelligenten Kommentar von Rainer Bonhorst "Vom Krieg und vom Frieden" in der Augsburger Allgemeinen vom 31.05.10, der nicht an das internationale "Friede-Freundschaft-Eierkuchen"-Szenario glaubt, wie es sich im pazifizierten Bewusstsein der saturierten deutschen Bundesbürger festgesetzt hat;
- den Bericht "Rücktritt des Bundespräsidenten Der Schubs der Blogosphäre" von Johannes Kuhn und Oliver Das Gupta in der Süddeutschen Zeitung vom 01.06.2010 (Bloggermacht!);
- in die Tiefe geht (auch wenn ich seiner Tendenz wegen des für mich unterentwickelten realpolitischen Bewusstseints nicht zustimme) die dort erwähnte Analyse im Blog eines gewissen Jonas Schaible]
- Eine gewisse Hysterie um den Schießstand eines Schützenvereins im Keller eines Kindergartens
- Deutsche Flintenweiber im Kampf für den Islamismus (immerhin: DIE sind bereit, FÜR etwas zu kämpfen; DIE haben KEINE Angst vor einem Sport-Schießstand im Kindergartenkeller, von dem die Kinder überhaupt nichts mitbekommen!)
und natürlich weiterhin nach wie vor der angebliche "Rettungsschirm für den Euro":
- Die (äußerst naive und regierungsfromme, hinsichtlich der Angaben über die Intervention von Barack Obama allerdings auch sehr informative) Stern Titelgeschichte vom 20.05.2010 (online leider nur in der GENIOS-Datenbank gegen Geld zu haben) "Der Euro-Poker" ("Es stand alles auf dem Spiel: unser Geld, Europa, die Zukunft. Mithilfe von Barack Obama wendeten die EU-Regierungschefs die Katastrophe ab. Vorläufig. Und zu einem hohen Preis. Protokoll einer dramatischen Rettungsaktion.
Dies ist die Geschichte einer dramatischen Rettungsaktion, einer Rettungsaktion, wie sie das Land noch nie erlebt hat. Zeitweise stand dabei alles auf dem Spiel ...")
["Der Euro-Poker" titelte übrigens auch das Magazin Focus, und zwar bereits im Jahr 1997; dabei stand ebenfalls Frankreich im Mittelpunkt: "Paris verfehlt die Kriterien für die Währungsunion dieses Jahr – und schürt deutsche Ängste."
Es spricht übrigens nicht für die Qualität der "Wirtschaftswoche", dass dieses Magazin in seinem sehr langen Artikel "Euro-Krise. Merkels Waterloo" von Konrad Handschuch, Gerhard Bläske, Henning Krumrey, Elke Pickartz, Christian Ramthun und Silke Wettach vom 14.05.2010 die Einflussnahme des US-Präsidenten Barack Obama nicht einmal erwähnt! Aber was will man auch von einem Wirtschaftsmagazin erwarten, wenn dessen Chefredakteur Roland Tichy schon im Februar 2009 unter ”Zahlen für den Euro” einen Bailout im Grunde für unvermeidlich erklärt hatte ("Aber auch Deutschland würde mit dem Scheitern des Euro in einen Strudel aus Entwertungen riesiger Anleihebestände und der Zerstörung gewachsener Märkte gerissen. Zudem wäre Deutschland von Ländern umgeben, die ständig ihre Währungen abwerten und damit die Exportchancen der deutschen Industrien unterlaufen. Für Deutschland stellt sich eine hässliche Alternative: zähneknirschend zahlen – oder das Scheitern des Euro riskieren”) und jetzt am 15.05.10 über "Der Weuro" und eine Kapitulation der Kanzlerin (vor einer Erpressung durch französische und spanische Banken) lästert ('Weich-Euro'). Folgerichtigkeit sieht anders aus!]
- Ein unbedachtes Wahr-Wort, das die FAZ-Interviewpartner Gerald Braunberger und Stefan Ruhkamp dem Monsieur Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, in dem FAZ-Interview "Im Gespräch: EZB-Präsident Trichet. „Ich habe mein Leben lang gegen Inflation gekämpft“ vom 21.05.2010 ("Jean-Claude Trichet wehrt sich gegen Vorwürfe, die EZB habe ihre Grundsätze verraten. Inflation sei wie eine Besteuerung der Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft. Das werde er nicht zulassen.") entlockt haben
[Die insoweit entscheidende Passage, im Druck auch an anderer Stelle noch einmal besonders herausgestellt, lautet (Hervorhebung von mir):
FAZ: "Es wird behauptet, dass die Spekulation auf den Märkten für die Schwäche des Euro mitverantwortlich ist. Zu recht?"
Trichet: "Im Klartext: In Gefahr ist nicht der Euro, sondern die Fiskalpolitik einiger Länder [!!!], die angepackt werden muss, sowie in Folge dessen die Finanzstabilität des Euroraums, die gestärkt werden muss, was auch geschieht. Marktbewegungen sind immer eine Kombination aus der Stimmung der Anleger und dem Einfluss spekulierender Investoren wie Hedgefonds."
Ich vermute, dass dieser Satz dem Monsieur Trichet deshalb herausgerutscht ist, weil er sich im vorangegangenen Interviewteil ständig gegen den Verdacht wehren musste, nicht hart genug gegen die Inflation vorzugehen. Er wollte also demonstrieren, dass die EZB den Euro voll im Griff hat - und hat dabei das Eingeständnis in Kauf genommen, dass die EZB die Staatsfinanzen stützt. Zwar behauptet er dazu an anderer Stelle, dass es lediglich darum gegangen sei, die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte sicherzustellen. Diese Behauptung wird aber von der Praxis der EZB-Ankäufe von Staatsanleihen insoweit Lügen gestraft, als es offenkundig in erster Linie um einen Bailout französischer Banken durch die EZB ging - dazu unten mehr.
Jedenfalls hat nun sogar der EZB-Präsident bestätigt, dass der Euro NICHT in Gefahr war: eben genau das, was ich die ganze Zeit gesagt habe!];
- Die Verfassungsklage des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler gegen den sogenannten Euro-Rettungsschirm (hier seine Pressemitteilung dazu; dort die "Erklärung nach § 31 GOBT zur Abstimmung über das „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ vom 21.05.2010 der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler MdB, Manfred Kolbe MdB und Klaus-Peter Willsch MdB: "Wir stimmen gegen das „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ .....)
[Recht hat der Mann und Rückgrat, und juristisch dürfte der Bundestagsbeschluss kaum haltbar sein. Ich würde allerdings darauf wetten, dass das Bundesverfassungsgericht hier rein politisch urteilen und sich der Stampede der belämmerten Herde der vermeintlichen "Euro-Retter" aus Politik und Medien nicht in den Weg stellen wird.]
- Dass es bei der sogenannten "Euro-Rettung" hauptsächlich um die Interessen der Banken (und zwar ganz speziell der französischen Banken) geht, und dass sich die deutschen Polit-Amateure von den Profis aus Frankreich haben über den Tisch ziehen lassen, lässt sich nunmehr auch daran erkennen, dass die EZB ohne Not die griechischen Schrottanleihen aufkauft. (Vgl. dazu Spiegel-Online-Berichte "EZB kauft griechische Staatsanleihen. Bundesbanker vermuten französisches Komplott**" vom 29.05.2010 und ausführlicher "Finanzkrise. Schlimmer Verdacht" vom 31.05.2010).
** Es ist übrigens eine Sensation - und völlig unverständlich, dass die anderen Medien diese beiden Berichte nicht adäquat reflektiert haben -, dass offenbar ein oder mehrere sehr hochrangige(r) Bundesbanker einen derart gravierenden - und leider wohl nicht unberechtigten - Verdacht äußern!
Informativ ist im vorliegenden Zusammenhang auch der Handelsblatt-Bericht "Bundesbankpräsident: Weber geißelt Käufe von Anleihen" vom 31.05.10. Darin heißt wird allerdings behauptet:
"Webers neuerlicher Protest gegen das EZB-Programm scheint einen von der Bundesbank offiziell zurückgewiesenen Bericht des „Spiegel“ vom Wochenende zu unterfüttern. Demzufolge herrscht in der Bundesbank große Unzufriedenheit darüber, dass unter dem französischen EZB-Chef mit dem Ankaufsprogramm vor allem französischen Banken geholfen werde, die sehr stark in Griechenland engagiert wären. Frankreichs Banken weisen jedoch eine Vorzugsbehandlung von sich. „Auch französische Banken haben der Regierung versprochen, ihre Griechenland-Engagements beizubehalten“, heißt es dazu in Pariser Finanzkreisen. Dieses Versprechen hatte Finanzministerin Christine Lagarde als Stabilisierungsbeitrag seitens der französischen Finanzwirtschaft Anfang Mai im Parlament ausdrücklich gelobt. Die Deutschen Banken waren eine ähnliche Selbstverpflichtung eingegangen.
Frankreichs Banken haben rund 57 Mrd. Euro an griechische Adressen ausgeliehen. Doch davon sind nur rund zwölf Mrd. Euro Staatsanleihen. Den größten Brocken machen Darlehen an griechische Unternehmen und Privatleute aus. So führt Crédit Agricole nur 800 Mio. Euro griechische Bonds in der Bilanz – dafür aber 25 Mrd. Euro Kredite; denn den Agrarbankern gehört mit Emporiki die fünftgrößte Bank Griechenlands. Von diesem Mühlstein befreit die Bank auch die EZB nicht."
Behauptungen, dass die französischen Banken nur relativ geringe Beträge in griechische Staatsanleihen investiert haben, stehen allerdings im Widerspruch zu allem, was man bisher in der Presse las. Es würde sich - wenn die o. a. Angaben zutreffen sollten - die Frage stellen, welche Banken oder sonstigen Anleihebesitzer hier wirklich herausgehauen werden. Die griechischen? (Darunter auch die den Franzosen gehörende Emporiki-Bank?) Oder sind es englische oder amerikanische Finanzinstitute?
So oder so ist die Bailouterei eine Sauerei!
Das alles wollte ich nur kurz notieren; mit dem Blott-Titel hat es nichts zu tun.
Zu meiner "Sendepause" möchte ich meine Besuchern darüber informieren, dass ich aus privaten Gründen derzeit - und voraussichtlich bis weit in das kommende Jahr 2011 hinein - anderweitig in Anspruch genommen bin.
Aus diesem Grunde wird es hier bis auf Weiteres keine (oder allenfalls noch sehr wenige) neuen Einträge geben.
Textstand vom 11.06.2011. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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