Montag, 28. März 2016

Wider die monetären Jahrmarktschreier: Warum die Geldschöpfung aus dem Nichts KEIN Skandal und "Kreditgeld" (im Prinzip) selbstverständlich gedeckt ist


Gefühlt 100 Millionen Mal habe ich bislang über unser Geldsystem und die Funktionsweise der kreditären Geldschöpfung geschrieben, zuletzt den Aufsatz "Wessen 'Schuldschein' ist das Geld?"
Im Zusammenhang mit meiner gestrigen Untersuchung des AfD-Parteiprogramms ("Änderungsvorschläge und Anmerkungen zum AfD-Grundsatzprogramm") übernehme ich hier (leicht verändert) eine kurze Darstellung des Geldschöpfungsmechanismus, die ich neulich auf Facebook verfasst hatte:


Um die Ratio (also den tieferen Sinn) hinter der Schöpfung von Fiatgeld im Kreditwege zu verstehen, muss man zunächst begreifen, dass die juristische Dimension (Kreditvertrag usw.) lediglich eine Oberfläche ist (wie ein Computer-Bildschirm ;-) ), hinter der sich eine ÖKONOMISCHE Dimension "versteckt".
Und man muss verstehen, dass eine Geldwirtschaft

a) KEINE Tauschwirtschaft ist; dass aber

b) auch hinter der Geldwirtschaft dennoch die LOGIK einer Tauschwirtschaft steckt.

Eine Geldwirtschaft vermittelt nämlich einen

- zeitverzögerten und

- hochgradig indirekten ("über Millionen Ecken")

"Tausch".

Wie schafft sie das? Weil wir Vertrauen in das Geld haben?
Nein: Auch DAS ist lediglich eine Oberfläche.
Die kreditäre Geldschöpfung schafft das (mehr oder weniger gut), weil im Hintergrund ein ganz einfaches (wenn man es erst einmal kapiert hat ;-) ) "Betriebssystem" läuft.
Man versteht das aber nur, wenn man es auf eine Weise beschreibt, die LOSGELÖST ist von der juristischen Vordergrund-Dimension.
Also: Was geschieht ÖKONOMISCH (d. h.: das steht nirgends auf dem Papier, ist aber der tiefere SINN des Geschehens), wenn die Bank einen Kredit vergibt, und ich damit einkaufen gehe?

Dann bekomme ich eine "Erlaubnis" (einen "Gutschein") VOM MARKT (von "der Volkswirtschaft"), um mir einen GüterVORSCHUSS aus dem gemeinsamen Topf (dem Marktangebot) rausnehmen zu dürfen. Die Bank ist, ÖKONOMISCH gesehen, lediglich eine "vom Markt beauftragte" Einrichtung zur Ausstellung dieser "Gutscheine".

Im gemeinsamen Topf (Markt) "fehlt" jetzt was: Ich habe eine Ware [steht hier zugleich für Dienstleistung] rausgenommen, ohne selbst dafür eine andere Ware reinzulegen. Ich habe also NICHT getauscht.

Trotzdem ist das auf Dauer kein Zustand; am Ende muss es irgendwie dann doch zu einer Art von Tausch kommen.
Wodurch gewährleistet unser Geldsystem das?

Nun: Ich muss den Kredit ja tilgen. Also muss ich, irgendwann, selber eine Ware am Markt anbieten. Dann bekomme ich (wg. Übersichtlichkeit lasse ich die Zinsen weg, die grundsätzlich aber auch kein Skandal sind) Geld dafür. Naiv könnte man sich das zwecks maximaler Anschaulichkeit so vorstellen: Mit meinem Warenverkauf löse ich den Geldschein wieder ein (hole ich ihn mir zurück), mit dem ich am Anfang bezahlt habe.

Geld ist also ein SCHULDSCHEIN. Aber NICHT (wie alle Welt glaubt) ein Schuldschein der Banken. Sondern ein Schuldschein des ersten Geldempfängers (Kreditnehmer, "Erstgeldempfänger"). Indem dieser sich auf der rechtlichen Ebene gegenüber der Bank zur Tilgung verpflichtet, geht er AUTOMATISCH gegenüber dem Markt die Verpflichtung ein, die entnommene Ware (bzw. deren Äquivalent) später wieder in den "gemeinsamen Topf" (namens "Markt") zurückzulegen.

Ganz einfach.
Wenn man es erst einmal begriffen hat.
Vgl. dazu auch meinen Blott "Wessen 'Schuldschein' ist das Geld?" http://beltwild.blogspot.de/2016/02/wessen-schuldschein-ist-das-geld.html

Natürlich hat die Akzeptanz des Geldes im täglichen Leben auch etwas mit Vertrauen zu tun. Aber dieses Vertrauen kann auf Dauer nur dann bestehen, wenn ich für das Geld etwas kaufen kann, d. h. wenn der o. a. Mechanismus im wesentlichen intakt ist.
1923 war er kaputt, 1945 auch.
Da hatte die Notenbank das Geld für den Staat einfach gedruckt, und der hatte es einfach ausgegeben. Denke mal, dass die Reichsbank PRO FORMA das Geld dem Staat als Kredite gegeben hatte. Aber weil er es de facto nicht zurückzahlen konnte, hatte der Staat Güter aus dem Markt genommen, die er nicht wieder in den Topf reinlegen konnte.

Kann der Staat überhaupt Waren "in den Topf legen"? Der produziert doch (fast) nichts? Staatsbetriebe gibt es doch kaum noch?
Yes, he can ;-) :

Der Staat nimmt sich nämlich von DIR einen Teil der Waren, die DU produziert hast. Und legt sie in den gemeinsamen Topf, aus dem er (bzw. seine Bediensteten) dann seinerseits Güter und Dienstleistungen rausnimmt (rausnehmen).
Wenn du Steuern bezahlst, dann hast du (im ERGEBNIS nicht anders als der mittelalterliche Bauer mit der Ablieferung des Getreidezehnten) einen Teil deiner Produktion an den Staat abgeliefert (wofür du ja auch Leistungen vom Staat - Sicherheit, Recht, Ausbildung, soziale Fürsorge ... bekommst).

ABER BITTE: Wir wollen hier NICHT darüber diskutieren, ob die Gegenleistungen des Staates angemessen sind oder nicht.
HIER geht es ausschließlich darum, dass wir die Ratio oder Logik der kreditären Schöpfung von Fiatgeld begreifen, okay?


ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 05.01.2022

2 Kommentare:

  1. Cangrande,
    ich finde Ihren Blog sehr aufschlussreich.
    Besonders freut mich Ihre Bemühung, in der AfD das Thema "Geldsystem" voranzubringen.

    Ich habe neulich entdeckt, dass Peter Boehringer in der AfD die Position der Austrians bewirbt. Free banking als Erlösung vom staatlichen Monopol der Geldschöpfung.

    Ich halte nichts von free banking.

    Wie stehen Sie dazu und hat Peter Boehringer Chancen in der AfD, seine Vorstellungen des "Geldschöpfens in der Hand von jedermann" durchzubringen ?

    Gruss,
    H.Kern

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Herr Kern,

      im Detail kenne ich die Position von Peter Boehringer zur Geldpolitik nicht. Ganz allgemein geht es wohl um eine Rückkehr zum Goldstandard nach dem Muster der Kaiserzeit.

      Das halte ich für unrealistisch, weil das mit einer gigantischen Aufwertung der Goldbestände, und entsprechend immensen Gewinnen für die Goldminenbesitzer verbunden wäre.
      Kurz: Dieses Geld wäre ein extrem teures Geld.
      Als Vorteil sieht Boehringer und sehen die anderen Goldstandard-Anhänger wohl die Möglichkeit, die Geldversorgung knapp zu halten und insbesondere, die Zentral- und Geschäftsbanken an einer mehr oder weniger willkürlichen Ausweitung der Geldmenge zu hindern.

      Nun ist es aber gerade das marktwirtschaftliche Element der modernen Fiat-Geldes, dass es "endogen" geschöpft wird, also sich flexibel der Nachfrage - und mithin dem Bedarf der Wirtschaft - anpassen kann.

      Ich bin also extrem skeptisch bezüglich Goldgeld.
      Dass jeder Geld schöpfen können soll, halte ich für unrealistisch.
      Selbst der "Austrian" Murray Rothbard hat das in seinem Buch (von ca. 1960, wo er eine Goldwährung propagiert) für unrealistisch, und mit dem Wesen des Geldes unvereinbar gehalten.
      Denn Geld soll ja gerade das allgemeine, alle einzelnen wirtschaftlichen Tätigkeiten verbindende Element sein.
      Wenn jeder seine eigene Währung schöpft, und die Wechselkurse munter schwanken, wären wir wieder bei mittelalterlichen Zuständen.

      Aber, wie gesagt, inwieweit das die Position von Peter Boehringer ist, weiß ich nicht.

      Löschen