Freitag, 1. Januar 2010

CSU, Seehofer, München: Ist die einstige "Hauptstadt der Bewegung" erneut die Hauptstadt populistischer Rattenfänger?


Meine Einschätzung von Horst Seehofer als skrupellosestem und verlogensten Populist und Politiker in Deutschland verfestigt sich zunehmend. Am 22.04.2009 berichtete Angela Böhm in der Münchner Abendzeitung, wie Seehofer damals die Europawahl "vorbereitete" - nämlich durch Geschenke an die Wählerklientel, ganz wie es auch im Pleitestaat Griechenland der Brauch ist. 
 
An der Schlagzeile "Seehofers Millionen-Wahlpräsent: Freizeit für Beamte" ist mir zwar die zweite Hälfte allzu agitatorisch; auch sie bedient populäre Vorurteile - gegen Beamte. Und die ungleiche Arbeitszeit von Angestellten und Beamten empfinde auch ich als ungerecht, so dass ich dieses Versprechen (das nun wohl in 2012/2013 auch eingelöst wird - vgl. dazu in dem Interview "Das wäre politisches Harakiri" der Passauer Neuen Presse vom 23.12.2009 mit dem bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon dessen Aussage: "Die Rückkehr zur 40-Stunden-Stunden-Woche für die bayerischen Beamten hat die Staatsregierung beschlossen. Die Arbeitszeit der Beamten wird in zwei Stufen 2012 und 2013 um zwei Stunden gekürzt."), wenngleich es "den Freistaat jährlich rund 275 Millionen Euro kosten" wird, nicht als unerträglichen Klientelismus empfinde, auch wenn es in dem Artikel heißt: "Damit will sich Seehofer im Wahljahr die Stimmen der Beamten erkaufen. ..... 'Wir müssen es noch vor der Europawahl machen, damit es politisch wirksam ist', erklärte Seehofer" Doch erfahren wir weiterhin, wie Seehofer auch in anderen Bereichen das Geld "mit vollen Händen" ausgibt: "Erst kürzlich hat er schon 64 Millionen Euro für die Bauern locker gemacht. Auch ihre Liebe will Seehofer für die CSU zurückerobern – mit viel Geld. Denn vor allem die Beamten und Bauern trugen dazu bei, dass die CSU nach einem halben Jahrhundert in Bayern die absolute Mehrheit verlor. Jetzt schenkte ihnen Seehofer eine „Milchkuhprämie“ und einen „Zuschuss zum Agrardiesel“. Das macht kein anderes europäisches Land". 
 
Wie er in Bayern mit den Finanzen klarkommt, ist Seehofers eigenes Problem. Wirklich gefährlich ist der skrupellose Populismus der CSU unter Horst Seehofer auf der bundespolitischen Ebene. Dass die FDP sich nur für Steuersenkungen interessiert, und das Sparen den anderen überlässt, weiß man ohnehin; auch dass es sich bei dieser Organisation um eine Klientelpartei für Apotheker, Ärzte usw. und für die Hochfinanz handelt, ist bekannt. Zuletzt hat sich die FDP gegen eine Steuer (Kapitalverkehrssteuer) auf Finanztransaktionen (Finanzmarkttransaktionen) ausgesprochen. Der Bundesaußenminister und FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle zwar eher vorsichtig; von ihm berichtet Flora Wisdorff in der WELT vom 13.12.09 unter dem Titel "Kritik aus der Koalition an EU-Plänen zu globaler Finanzmarktsteuer": "FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der "Welt am Sonntag": "Prüfen soll der IWF alles. In der Sache bin ich aber zurückhaltend, denn am Ende ist die Gefahr groß, dass so eine Steuer, wenn sie überhaupt kommt, nicht die Banken, sondern die Sparer und Bankkunden belastet." Eine solche Reaktion spricht allerdings nicht für seine Orientierung an den Interessen des Volkes, gegen die Egoismen der Finanzbranche, sondern lediglich für seine Intelligenz: Westerwelle weiß genau, dass die Amerikaner die weltweite Einführung einer solche Steuer verhindern werden. ("Dass die USA einer Transaktionssteuer zustimmen, gilt als unwahrscheinlich. „Das ist nichts, zu dessen Unterstützung wir bereit wären“, hatte US-Finanzminister Timothy Geithner Anfang November beim Treffen der G-20-Staaten im schottischen St. Andrews gesagt" meldete der Tagesspiegel am 12.12.09 u. d. T. "Schwer zu steuern".) 
 
Weniger clever ist der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, der als "stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht" den Bankinteressen auch noch näher steht. Der hat (oder die von ihm offenkundig protegierte Interessengruppe der Hochfinanz hat) offenbar die Panik bekommen und schiebt, wie das bei diesen Herrschaften beliebt ist, die Sorge um das Wohl des kleinen Mannes vor, der solche Steuern im Endeffekt angeblich bezahlen müsste (meine Hervorhebung): "Deutlicher wurde sein Parteifreund Frank Schäffler. Der Finanzexperte bezeichnete den Plan als "versteckte Steuererhöhung". Im Koalitionsvertrag stehe, die Steuerzahler sollten mehr Netto vom Brutto übrig haben. Doch die Steuer würde das Gegenteil bewirken. Vor allem Kleinanleger, so Schäffler, würden bei der Auszahlung ihrer Riester-Renten weniger Geld übrig haben, weil diese schließlich an den Finanzmärkten angelegt werden." Ach ja: die Riester-Renten werden ins Casino geschleppt? Das überrascht mich zwar nicht; aber dass ein Politiker des bürgerlichen Lagers das so offen sagt, und damit zugleich die Ratio des Kapitaldeckungsverfahrens in der Rentenfinanzierung aus der Sicht seiner professoralen Befürworter, nämlich durch Investitionen in der Realwirtschaft das Wachstum zu steigern, aus den Angeln hebt, ist ein Indiz für die Größe der Furcht, welche die Boni-Banker vor Steuerschranken auf ihren Geldverschiebebahnhöfen haben. [Das Interesse an einer Verschiebung unseres Geldes zur Finanzierung amerikanischer Haushaltsdefizite ist es natürlich auch, das die USA gegen eine Tobin-Tax positioniert.] Und der FDP-Entwicklungshifeminister Dirk Niebel hatte lt. Handelsblatt-Meldung "Finanzen: FDP blockiert Steuer auf Finanztransaktionen" vom 06.12.09 ohnehin ein Veto gegen eine Kapitalverkehrssteuer eingelegt. 
 
Doch zurück zur Münchener Populistentruppe. Deren Chef Horst Seehofer tritt zwar für eine Kapitalverkehrssteuer ein und begeistert damit die Süddeutsche Zeitung. Die berichtete unter der Überschrift "CSU: Vorstoß gegen Spekulation. Seehofer fällt mit Finanzsteuer auf" am 27.12.2009: "Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Kosten der Finanzkrise bezahlen. Ein Instrument dafür könnte eine internationale Finanztransaktionssteuer sein“, sagte der CSU-Vorsitzende dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Er fügte hinzu: "Es geht dabei auch darum, diejenigen an der Bewältigung der Krise zu beteiligen, die zuvor zu ihrer Entstehung beigetragen haben.“ Seehofer lässt dem Bericht zufolge derzeit von seinen Beamten prüfen, welche Form eine Finanztransaktionssteuer annehmen könnte. Vor der Bundestagswahl hatte der SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier die Idee einer solchen Steuer überraschend präsentiert - die Resonanz fiel jedoch schwach aus. Von Seiten Seehofers war damals nichts zu hören." In seinem Kommentar "Transaktionssteuer. Seehofers gute Idee" vom 28.12.09 begeisterte sich denn auch Claus Hulverscheidt: "Der CSU-Vorsitzende lenkt den Blick weg vom regionalen Kleinklein und plädiert für eine Transaktionsteuer für Banken. Die ist nicht stammtischtauglich - aber sinnvoll. Die Erfahrung lehrt, dass eine Idee aus dem Munde Horst Seehofers nicht automatisch eine gute Idee sein muss. Um so bemerkenswerter ist es, wenn der CSU-Vorsitzende seinen Blick dann doch einmal vom Kleinklein regionaler Meinungsumfragen weglenkt und die Verantwortung wahrnimmt, die er als Chef einer Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch stets reklamiert: Wie vor ihm Angela Merkel plädiert Seehofer für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer - und das, obwohl mit der britischen Idee einer einmaligen Zwangsabgabe auf Manager-Boni ein weitaus stammtischtauglicherer Vorschlag auf dem Tisch liegt."
 
Nur: da die Transaktionssteuer ohnehin unrealistisch ist, weil extern die USA und intern der Koalitionspartner FDP dagegen sind, und sogar in der CDU selbst der Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs kritisiert: "Die Banken würden die Steuer "doch eins zu eins an die Kunden weitergeben" (ja was denn sonst? Sollen die Kunden spekulieren dürfen und die Banken die Steuern dafür tragen, obwohl man damit doch gerade die Spekulation eindämmen will?), darf man die Forderung, wenn sie von Seehofer kommt, getrost als reine Profilpolitik einstufen. Dass und wo diese die gewünschte Resonanz findet, zeigt eine Passage aus dem o. a. SZ-Bericht vom 27.12.09: "Mit seinem Vorstoß hat Seehofer, der früher als "Herz-Jesu-Sozialist" bespöttelt wurde, Freunde bei der Kampagne "Steuer gegen Armut“ gefunden. Sie begrüßte den Steuer-Vorschlag. Es sei erfreulich, dass sich nun auch die CSU-Leitung in die laufenden koalitionsinternen Auseinandersetzungen um die Finanztransaktionssteuer einschalte, sagte der Koordinator der Kampagne, der Jesuitenpater Jörg Alt.
 
Erg. 4.1.10: Vgl. heute auch die Kolumne von Andreas Theyssen in der Financial Times Deutschland "Knebelt die Banken": "Obwohl der Vorschlag einer Zwangsabgabe für Geldinstitute von der CSU kommt, ist er sinnvoll. ... Die CSU ist eine putzige Partei. In weiten Teilen bayerisch-separatistisch gepolt, fühlt sie sich vor allem ihrer eigenen Klientel verpflichtet. Immer wieder greift sie Bayerns Bauern unter die Arme, manchmal auch den Hoteliers im Freistaat, wie die von der CSU durchgesetzte Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen belegt. Trotzdem beharrt sie darauf, auch deutschlandweit mitzureden. Auf die FDP, mit der sie in München und Berlin regieren, dreschen die Christsozialen inzwischen häufiger ein als auf SPD, Grüne und Linkspartei zusammengerechnet. Ja, sogar Anspruch auf einen eigenen Vizekanzlerposten erheben inzwischen manche CSUler. Und nun wollen sie sogar das krisengeschüttelte Bankwesen kurieren. Sie machen sich für einen Rettungsfonds stark, in den die Banken je nach Risiko und Systemrelevanz einzahlen müssen. ... Die CSU ist immer wieder gut für Kapriolen. Aber ihre Idee eines Rettungsfonds für Banken ist durchaus nachdenkenswert. Denn sie stützt sich auf einige richtige Grundannahmen. ..... Die CSU steht seit jeher unter Populismusverdacht. Und seit Horst Seehofer die Partei führt, hat sich dieses Leiden massiv verschlimmert. Umso löblicher ist es, dass sie sich jetzt einsetzt für ein Instrument, das zwar kompliziert ist, das aber dafür womöglich tatsächlich halten kann, was es verspricht. Eine kleine Einschränkung muss das Lob für die Partei aus Bayern allerdings doch enthalten: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon vor Wochen Sympathien erkennen lassen für diesen Knebel für die Banken." [Dass Frank-Walter Steinmeier die Idee noch früher hatte - s. o. -, bleibt hier unerwähnt.] Entscheidend ist für mich jedoch, wie Seehofer und die CSU mit dem Bundeshaushalt umgehen, und ob sie dazu realistische Perspektiven entwickeln, anstatt phantastischen Steuerträume nachzuhängen (wobei ich eine Tobin-Tax inhaltlich durchaus begrüßen würde, nur ist eben ihre Realisierung extrem unwahrscheinlich und diese Steuer kann keinesfalls als Einnahmequelle einkalkuliert werden).
 
 Zu dieser Frage sind z. B. zwei Artikel in der WELT aufschlussreich: "Steuerpolitik. Schäubles größtes Problem ist Angela Merkel" vom 31. Dezember 2009 (Jan Dams) (meine Hervorhebungen): "Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), die beiden erfahrensten Minister der Koalition, gehen beim Kampf um die Steuerreform gegeneinander in Stellung. Schäuble will kräftig sparen, Brüderle die Steuern senken. Es ist das letzte Gefecht der Bonner Republik. ..... Für Brüderle und den FDP-Kurs sind derzeit vor allem: Patrick Adenauer. Der Präsident der Familienunternehmer hält die Krise den richtigen Zeitpunkt für eine Steuerstrukturreform. Der Präsident des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn sieht es ähnlich. Auch Horst Seehofer ist dafür. Nebenher will der CSU-Chef auch noch investieren und Steuern senken sowie den Haushalt sanieren. Wie er diese Quadratur des Kreises schafft, erst Recht mit der siechen Bayerischen Landesbank und ihren Milliardenrisiken im Kreuz, weiß ... kein Mensch. Wer die Meinungsumschwünge des bayerischen Ministerpräsidenten kennt, der ahnt, dass auf seine Unterstützung nicht sonderlich viel Verlass ist. ..... Gewinnen wird am Ende nicht zwangsläufig der, der die meisten Freunde für sich anführen kann und die besten Argumente hat. Siegen wird am Ende jener Kämpfer, der die drei Parteichefs für sich gewinnt. Wenn Merkel, Seehofer und Westerwelle hinter verschlossenen Türen über die Steuerreform reden, dann geht es nämlich um mehr als nur um das, was Sinn macht oder eben nicht. Das hat schon der Streit über das Mehrwertsteuerprivileg für die Hoteliers gezeigt.
Die Populistentruppe um den bayerischen Christsozialistenchef Horst Seehofer interessiert die Faktenlage eher weniger; sie bedient lieber, wie bereits (leider erfolgreich) vor der Bundestagswahl, die politische Stimmungslage. "CSU hält Schäubles Sparpaket für unnötig" meldet die WELT vom 30. Dezember 2009: "Die CSU glaubt nicht, dass die Bundesregierung das für 2011 angekündigte Sparpaket umsetzen muss. Stattdessen sollte lieber auf neue Ausgaben verzichtet werden, sagte Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Sollte Sparen doch erforderlich sein, würde Friedrich auch vor den Arbeitsagenturen nicht halt machen." Im Detail sind die Ausführungen verwirrend und widersprüchlich; Friedrich geht es offenkundig vor allem um diese Botschaft an die Bundesbürger: 'keine Sorge, mit uns gibt es keine Einschnitte' (zumindest keine, die einer politisch relevanten Lobbyistengruppe weh tun): "Wenn keine neuen Ausgaben vereinbart würden, ergäben sich zusammen mit erwarteten Steuermehreinnahmen neue Spielräume, sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich der „Berliner Zeitung“ laut Vorabbericht. „Daher ist es gar nicht gesagt, dass wir 2011 ein Sparpaket brauchen.“ Der CDU-Politiker Schäuble hatte angekündigt, ab 2011 wolle er das erwartete strukturelle Defizit von rund 70 Milliarden Euro mit einem Sparprogramm um rund zehn Milliarden pro Jahr verringern. Friedrich betonte, auch bei einer weitere Wirtschaftseintrübung müsse auf Einschnitte verzichtet werden. „Wenn eine Delle kommt, darf man sie durch Sparen nicht verstärken.“ Mit anderen Worten: Wenn die Steuern sprudeln, werden wir euch entlasten; wenn sie nicht sprudeln, dürfen wir nicht sparen. Welche Erwartungen diese Münchener Rattenfänger für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung haben, wird nicht gesagt; klar wird allein, dass die Bayern-Ver-Führer ums Verrecken keinen Sparkurs für den Deutschen Haushalt zulassen wollen. Denn wenn die Steuern sprudeln sollten, wollen sie die Überschüsse nicht sparen, sondern die Bürger entlasten. 
 
Das ist eine Perspektive auf kurze Sicht, gerade mal bis zur nächsten Wahl: nach uns die Sintflut! Wenn sie nicht sprudeln, will man erst recht nicht sparen. Indes: wenn es bis 2011 nicht gelungen sein sollte, die Wirtschaft nicht anzukurbeln, wird das auch in der mittleren Zukunft nicht gelingen; wir werden dann bestenfalls eine Stagnation wie in Japan haben. Und mit der CSU an der Regierung haben die Kapitalbesitzer dann auch das Versprechen einer kräftig steigenden Staatsschuld (ist das denn nicht deren gutes Recht, dass irgend jemand ihnen Zinsen für ihre 'Ersparnisse' zahlen muss?). Den Steuerzahlern droht irgendwann eine immer größere Rechnung, aber das wird aktuell in Wählerbewusstsein noch kaum antizipiert. Sollte das schwarze Populistenrudel (momentan hält die CDU zwar noch gegen, wird aber, wenn es Wählergunst verspricht, umstandslos umfallen) dann immer noch an der Macht sein, wird es den gleichen Ausweg wählen wie die fiskalpolitischen Rattenfänger aller Zeiten und Völker: Inflation. Die Unabhängigkeit der EZB wird man dann schon rechtzeitig beseitigen; schließlich gibt es in Europa ja genügend Haushaltssünder, bei denen die politische Interessenlage die gleiche ist bzw. sein wird wie dann in Deutschland. 
 
Gewiss hat Horst Seehofers Politik auch sympathische Züge. Insbesondere sein Eintreten für eine solidarische Krankenversicherung und gegen die Kopfpauschale (vgl. etwa den Focus-Bericht "Kopfpauschale. Seehofer attackiert Rösler-Projekt" vom 08.12.09) ist für mich ein solcher. Aber auch der ist wohl vor dem Hintergrund einer breiten Akzeptanz einer einkommensabhängingen Krankenkassenbeitrages zu verstehen; wäre die nicht vorhanden, würde Seehofer vermutlich auch davon abrücken. Für mich stellt sich in der Summe Horst Seehofer als ein (für deutsche Verhältnisse) relativ skrupelloser Populist dar, sozusagen ein rechtes Pendant zum Linken Oskar Lafontaine, der dieses Metier ebenfalls beherrscht. Gegen jeglichen Populismus, wie auch insgesamt gegen den aktuellen Spät-Bushismus der Hornissenkoalition, sollten wir kämpfen; auch in diesem Bereich gilt das Motto: "Wehret den Anfängen"! 
 
 
Nachtrag 07.01.10 
Auszüge aus dem FTD-Leitartikel Artikel "Steuern 2011. Zickzack vorwärts bei der CSU" vom 0.01.10: CSU-Chef Horst Seehofer schwenkt bei der Steuerpolitik auf eine moderate Linie um. Das könnte der Partei helfen, wenn es nur glaubwürdig wäre. ..... "... es war nicht das Wohl und Wehe der deutschen Konjunktur, das Seehofer zu der Kurskorrektur veranlasst hat. Es war der Versuch, die CSU im koalitionsinternen Schönheitswettbewerb um die publikumswirksamsten Ideen ganz oben auf dem Treppchen zu platzieren. Den Marktschreier für die umstrittenen Steuersenkungen soll ruhig FDP-Chef Westerwelle machen, so das Kalkül. Seehofer rechnet sich bessere Chancen aus, wenn er als Stimme der Vernunft auftritt. Das könnte gewaltig danebengehen. Denn das Publikum kennt die Rollenwechsel des CSU-Chefs inzwischen zur Genüge. Glaubwürdigkeit ist eine Eigenschaft, die über Jahre wächst. Bei Seehofer hatte sie dazu bisher keinerlei Gelegenheit. ..... Wenn die CSU nun versucht, sich nicht nur als Haushaltskonsolidierer, sondern auch als Anwalt der Städte und Gemeinden zu profilieren, könnte das ein Schritt in die richtige Richtung sein. Wenn man nur nicht fürchten müsste, dass es morgen schon ganz woandershin geht." Auch die Financial Times Deutschland hegt also massive Zweifel an Wende-Horst Seehofers Seriosität.
 
 
Nachtrag 09.01.2010 
Bei aller Aversion gegen die CSU im Allgemeinen und Hü-Hott-Horst im Besonderen: in einer Sache sind die konsequent und das rechne ich denen hoch an (während Angela Merkel feige schweigt): die CSU scheint die einzige im Parlament vertretene Partei zu sein, welche eine EU-Mitgliedschaft der Türkei eindeutig ablehnt (vgl. z. B. den Handelsblatt-Bericht "Zwist um EU-Beitritt: Schwarz-gelber Türkeistreit eskaliert"). Die Türkei gehört nicht in die EU; einige andere Länder, die bereits Mitglieder sind, allerdings ebenso wenig. Der ganze Balkan (Slowenien vielleicht ausgenommen), Rumänien, Bulgarien: solche Länder sind kulturell nicht kompatibel. Aber die hirnlose Gigantomanie [mit "hirnlos" meine ich: die nicht interessenorientierte; das ist insofern wichtig, als man die Aufnahme von Russland, die ich befürworten würde, zwar gleichfalls als Gigantomanie kritisieren könnte, diese aber vom Ressourcen-Interesse geleitet wäre. Was aber bieten uns die Balkan-Völker, außer organisierter Kriminalität, schwachen Staatswesen und klientelistischen bis kriminellen Strukturen?] 
 
 
Nachtrag 16.01.2010 
Wir wollen fair bleiben und nicht unterschlagen, dass Populismus auch sein Gutes haben kann. Dass die CSU einen EU-Beitritt der Türkei vehement ablehnt, entspricht wahrscheinlich nicht nur, vielleicht nicht einmal ursprünglich, einem populistischen Kalkül. Es ist aber zweifellos außerordentlich populär, es ist "Volkes Wille". Und es entspricht auch meiner Überzeugung, dass die ohnehin schon überdehnte (oder gar schon zerdehnte) Europäische Union die Aufnahme eines solchen großen Landes mit einer abweichenden Kulturtradition nicht unbeschadet überstehen würde. Natürlich spielt auch die Religion eine Rolle: nicht dass der Islam nicht-christlich, oder eine mit dem Christentum konkurrierende Religion ist, sehe ich als Problem an. Für inkompatibel mit unserem laizistischen "christlichen" Europa, halte ich vielmehr die Tatsache, dass die Religion in der Türkei (wie natürlich auch in den anderen islamischen Ländern) doch eine sehr starke Rolle spielt (und das heißt aus meiner Sicht zwangsläufig: ideologisch und, je nach Machtkonstellation, potentiell auch in der Realität, intolerant ist), bereitet mir als Agnostiker äußerstes Unbehagen. 

Textstand vom 10.09.2022

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