"..... gibt es eine zweite Antwort auf die Frage "Wie weiter"? Sie heißt: Klotzen, nicht Kleckern. Der Euro-Klub würde danach der Regierung in Athen die Schulden über einige Jahre stunden und zugleich einen Marshallplan für das Land entwerfen, in dem die dringendsten Probleme angepackt werden. Griechenland bekäme eine funktionierende Verwaltung, ein vernetztes Steuersystem und ein Katasteramt. Das braucht zwei Jahre Zeit, vielleicht ein bisschen mehr. ..... Ein solches Konzept würde den griechischen Bürgern nutzen, es wäre der Abschied von der gescheiterten Idee, die Krise als rein ökonomisches Problem zu betrachten. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das wird teuer, vermutlich sehr teuer. Die Euro-Regierungen müssten auf einmal mutig sein und ihren Bürgern erklären, dass die Hellas-Rettung jetzt wirklich Geld kostet. Freilich, es gibt noch eine dritte Möglichkeit, das wäre die schlechteste von allen: Weitermachen wie bisher. Angesichts der Zögerlichkeit, der Kleinteiligkeit und der Ignoranz, mit der bisher gerettet wurde, steht zu befürchten, dass sich der Euro-Klub auf Letzteres beschränkt. Es wäre fatal. Ein bloßes "Weiter so" schließt nicht aus, dass es doch noch zum Bankrott kommt, mit noch höheren Kosten für alle" ?
Ist sie persönlich in griechischen Staatsanleihen investiert, und aus diesem Grunde daran interessiert, dass noch mehr deutsche Steuergelder für die vermeintliche "Rettung" des von Griechen bewohnten Balkanappendix verschleudert werden?
Die Zitate stammen aus dem Kommentar "Schuldenkrise. Wie Griechenland noch gerettet werden kann" von Cerstin Gammelin auf der Webseite der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 02.02.2012.
Diese Meinungsäußerung zur Griechenland-Rettung hatte ich schon vor einigen Tagen gelesen. In einem ersten Impuls wollte ich in sofort bebloggen; nach weiterer Überlegung dann zunächst doch nicht: schließlich wird derart viel Unsinn über die Griechenland-Rettung verbreitet, dass es auf eine inkompetente Meinung mehr oder weniger auch nicht mehr ankommt, selbst wenn sie in einem Medium erscheint, dass in der Öffentlichkeit wohl noch als Qualitätsmedium angesehen wird. (Ich selbst halte ohnehin nicht allzu viel von der SZ und lese deren Online-Artikel nur selten.)
Heute aber entdeckte ich den heutigen Kommentar "Verschwendung in der Schuldenkrise" von Rainer Hank auf FAZ.net. Ohne dass Hank sich auf den SZ-Kommentar von Frau Gammelin beziehen würde, ist er eindeutig eine Replik darauf und Kritik daran:
"Marshalls Therapie klingt zu schön, um wirksam zu sein. Denn an Wachstum war in Griechenland in all den schönen vergangenen zehn Jahren wahrlich kein Mangel. Dafür gab es durch die Gemeinschaftswährung verbilligte Kredite in Hülle und Fülle und großzügig europäische Fördermittel. Gemessen an den Einzahlungen, erhielt Griechenland lange Jahre mehr Geld aus der Gemeinschaftskasse als jeder andere EU-Staat. Man muss sich nur die verschiedenen Kohäsions-, Kohärenz- und Sozialfonds aufaddieren lassen (gut 20 Milliarden Euro allein für die Jahre 2007 bis 2013), um das ganze Ausmaß des Geldregens zu ahnen. ..... Griechenland hat den Marshall-Plan nicht vor sich, sondern längst hinter sich. Die europäischen Strukturfonds sind ein einziges legales Bail-out-Programm, die in die typische Falle der Entwicklungshilfe laufen. Sie nützen nichts. Schlimmer noch: Sie schaden, weil sie den Reform- und Wettbewerbsdruck nehmen und zur Verschwendung einladen. Allenfalls Regionalpolitiker profitieren, wenn sie Autobahnen durch Westthrakien bauen, die ansonsten keinem helfen.
Was Griechenland braucht, ist kein Marshall-Plan, es sind gute Institutionen. Nötig ist die Durchsetzung von Rechtssicherheit, damit Eigentum geachtet (Katasterwesen!), Verträge eingehalten und Steuergesetze befolgt werden. Mit Geld kann man Vertrauen nicht kaufen. Rechtssicherheit ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass unternehmerische Investitionen sich lohnen. Nur so wird jenes Wachstum sich entwickeln können, das nicht vom süßen Gift europäischer Fördermilliarden gebläht wird. Im Übrigen gilt der Grundsatz guter Haushaltsführung: Auch ein Staat kann nur ausgeben, was durch Einnahmen gedeckt ist. Wer das missachtet, muss hinterher umso mehr sparen."
Es mag meinen Lesern und Leserinnen unfair, oder gar ungeheuerlich, vorkommen, wenn ich Frau Gammelin verdächtige, mit ihrem Kommentar eventuell ihre persönlichen materiellen Interessen zu fördern.
In Wirklichkeit ist aber Frau Gammelins Kommentar ungeheuerlich. Das erschließt sich freilich nicht schon der flüchtigen Lektüre; um die Ungeheuerlichkeit der intellektuellen und finanziellen Zumutung ihrer Forderungen zu begreifen, muss man den Kommentar schon im Detail analysieren:
- Finanziell: Unsere Hilfe für Griechenland verschlingt bereits jetzt enorme Summen. Wer in dieser Situation sagt: "Das wird teuer, vermutlich sehr teuer. Die Euro-Regierungen müssten auf einmal mutig sein und ihren Bürgern erklären, dass die Hellas-Rettung jetzt wirklich Geld kostet" der fordert und erwartet offenbar, dass allein der deutsche Beitrag sich nicht mehr im 2-stelligen Milliardenbereich bewegt, sondern im 3-stelligen, also über 100 Milliarden € beträgt. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 wurden im Bundeshaushalt ca. 320 Mrd. € ausgegeben (Wikipedia). Frau Gammelin erwartet also allen Ernstes und ganz selbstverständlich, dass allein Deutschland mindestens 1/3 seines Staatshaushaltes (wenn auch über einige Jahre verteilt) an Griechenland verschenkt! Und damit die deutschen Steuerfische diesen Köder brav schlucken, droht sie mit noch Schlimmerem: "Ein bloßes 'Weiter so' schließt nicht aus, dass es doch noch zum Bankrott kommt, mit noch höheren Kosten für alle." Wenn das wahr ist, ist die Eurozone riskanter als ein Atomkraftwerk: dann ist es aber allerhöchste Zeit für einen Ausstiegsbeschluss aus diesem Schuldenkollektiv!
- Intellektuell:
- Wer einen "Marshallplan" für Griechenland fordert, agitiert in aller Regel propagandistisch. Ähnlich wie Joseph Goebbels den Deutschen im 2. Weltkrieg die "Magermilch" durch die Umbenennung in "entrahmte Frischmilch" schmackhaft machen wollte, beutet er einen positiv konnotierten Begriff aus. Aber während "entrahmte Frischmilch" keine Lüge war, ist der Begriff "Marshallplan" für einen denkbaren Aufbauplan für Griechenland genau das: eine schamlose Lüge. Bei dem Marshallplan ging es darum, die kriegszerstörte Wirtschaft in Ländern wieder aufzubauen, in denen es ein leistungsbereites und qualifiziertes Arbeitskräftereservoir gab, eine funktionierende und nicht korrupte Verwaltung und eine Kapitalistenklasse, die zu Investitionen bereit war. Das alles fehlt (weitgehend) in Griechenland. Damit ist dort ein wirtschaftlicher Aufbau nach dem Muster des Marshallplan von vornherein unmöglich. Es ist Begriffsmagie, Autosuggestion oder ein Belügen der Leser(innen), wenn man das Wort "Marshallplan" aus dem Karteikasten zieht und implizit behauptet, dass damit überhaupt etwas Wesentliches über die Möglichkeiten einer griechischen Krisenlösung gesagt wäre. Im diesem Zusammenhang ist "Marshallplan" nichts als eine leere Worthülse, eine substanzlose Sprechblase. Möglich, dass Frau Gammelin diesen Zauberbegriff nicht zynisch zur Lesertäuschung verwendet, sondern sogar sich selbst seine magische Wirkung vorgespiegelt hat. Dann hätte sie freilich auf jegliches eigene Nachdenken über Ursachen und Lösungsmöglichkeiten der Probleme Griechenlands verzichtet und sich als ernst zu nehmende Debattenpartnerin von vornherein disqualifiziert.
- Soweit sie überhaupt den Begriff "Marshallplan" in Bezug auf Griechenland inhaltlich vertieft, hat das mit dem European Recovery Program (ERP - so der offizielle Begriff für den seinerzeitigen Marshallplan) überhaupt nichts zu tun, weil sie lediglich eine "funktionierende Verwaltung, ein vernetztes Steuersystem und ein Katasteramt" schaffen will. Aber wieso sollte die Schaffung einer funktionierenden Verwaltung usw. zig Milliarden Euro kosten? Wahrscheinlich hat Frau Gammelin aber etwas anderes im Sinn gehabt, nämlich: "Einen Marshallplan für den wirtschaftlichen Aufbau und gleichzeitig den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung." Es muss natürlich von Journalisten erwartet werden, dass sie in der Lage sind, ihre Vorstellungen auch in angemessener Weise verständlich und ausführlich zu präsentieren, und nicht nach dem Motto: "Verwaltung hin, Wirtschaft im Sinn" zu phantasieren. Dies gilt um so mehr für eine Agitatorin, welche dem deutschen Steuerzahler so nebenbei 100 Milliarden Euro abnehmen will.
- In Griechenland geht es nicht um einen WIEDERaufbau der Wirtschaft; Griechenland müsste eine wettbewerbsfähige Wirtschaft überhaupt erst einmal aufbauen. Das, und das so etwas nicht in 2-3 Jahren zu schaffen ist, dürfte auch Frau Gammelin wissen. Insofern ist es ausgesprochen unredlich (und hier unterstelle ich ihr eine vorsätzliche Täuschung!), wenn sie in ihrem Kommentar die ökonomische Dimension insgesamt ausblendet und mit der beruhigenden Zeitangabe "das braucht zwei Jahre Zeit, vielleicht ein bisschen mehr" den Leserinnen und Lesern eine relativ schnelle Lösungsmöglichkeit für die Gesamtheit der griechischen Probleme vorspiegelt. Davon abgesehen, ist dieser Zeitrahmen aber auch nur für den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung in Griechenland (die dann auch relativ korruptionsfrei sein müsste) von vornherein lächerlich.
- Dass Länder wie Portugal, aber auch Italien, Spanien und evtl. Irland, natürlich auch sofort vor unserer Zahlstelle stehen, wenn wir den Griechen die Euronen in den Rachen werfen, blendet Frau Gammelin aus: sie ist ja nur Journalistin und kann sich auf's Schwätzen beschränken; Schuld sind, wenn es schief geht, selbstverständlich die 'zögerlichen, kleinkarierten und arroganten' Politiker(innen).
Süddeutsche Zeitung? Zumindest auf Hohlköpfe wie Frau Gammelin kann ich verzichten!
Meine Motivation, den Sachverhalt nun aufgrund von Rainer Hanks FAZ-Kommentar zu bebloggen, ist eine doppelte.
Das erste Motiv ist offenkundig: Wenn ein Redakteur von Deutschlands führender Zeitung die Sache für wichtig genug hält, um das Ansinnen von Cerstin Gammelin zurück zu weisen, dann ist es auch für mich gerechtfertigt, mich damit zu beschäftigen. Und indem ich unmittelbar auf den gegnerischen Kommentar Bezug nehme, kann ich mich detaillierter am Text 'abarbeiten', als es Rainer Hank möglich ist.
Der andere Grund ist für Außenstehende nicht unmittelbar erkennbar: Die Redaktion von FAZ.net hat meinen nachfolgenden Leserkommentar wegzensiert. Diesen hier zu veröffentlichen, damit jedermann sehen kann, welche Art von Äußerungen durch redaktionelle Zensur unterdrückt werden, ist mir natürlich ebenfalls ein Anliegen:
"Selten hackt in den Medien eine Krähe ...... [der anderen ein Auge aus.] . Aber Cerstin Gammelins Scheinlösung in dem SZ-Artikel "Wie Griechenland noch gerettet werden kann" ist dermaßen verantwortungslos, dass man dieser Verschmutzung der öffentlichen Meinung in aller Schärfe entgegentreten darf und muss.
Auszug:
"... Antwort auf die Frage 'Wie weiter'? ... heißt: Klotzen, nicht Kleckern. Der Euro-Klub würde ... der Regierung in Athen die Schulden über einige Jahre stunden und zugleich einen Marshallplan für das Land entwerfen .... . Griechenland bekäme eine funktionierende Verwaltung, ein vernetztes Steuersystem und ein Katasteramt. Das braucht zwei Jahre Zeit, vielleicht ein bisschen mehr."
Ach ja: Mit massig Geld (von uns) hätte Griechenland in 2 - 3 J. eine funktionierende (korruptionsfreie?) Verwaltung? Und für die Wirtschaft: Plan entwerfen, viel Geld reinwerfen - und alles blüht? Offenbar glaubt Frau G. an Magie!"
Da hat wohl die "Krähe" die FAZ-Kommentarredakteure gestört.
Immerhin wurde ein weiterer Kommentar von mir (14.04 h) denn doch veröffentlicht:
"[Titel:] Wie Griechenland noch gerettet werden kann
Der Kommentar von Rainer Hanke ist eine richtige und notwendige Kritik an dem o. a. Kommentar von Cerstin Gammelin in der SZ vom 02.02.2011."Nachträge:
(Unser) Geld zum Fenster rauszuwerfen war für Frau Gammelin offenbar noch nie ein Problem. Vgl. dazu den Eintrag "Peng! macht der Ballon: Frau Gammelin winkt Milliarden durch" vom 20.06.2011 auf der Webseite Zeilensturm (Oliver Driesen).
Am 15.04.2010, also ganz zu Beginn der Griechenland-Hilfen, wusste Frau Gammelin (im Gegensatz zu anderen, die rechnen können - wie ich z. B.) natürlich ganz genau, dass uns die Griechen die sog. Kredite mit Zins und Zinseszins zurückzahlen; Skeptiker stempelte diese Dame als Unwissende ab. Und wie bei solchen Intelligenzbestien üblich fehlte auch nicht das Argument, dass wir unserer eigenen Wirtschaft helfen, wenn wir den Griechen "Kredite" geben. "Europa unterstützt Griechenland Viel Furor, viel Unwissen" (meine Hervorhebungen):
"Juncker sprach aus, was Angela Merkel bisher verschwieg. Kurz und bündig erklärte er im Radio, dass kein europäischer Steuerzahler, und schon gar kein deutscher, Angst um sein Geld haben müsse. Für den Fall, dass die Regierung in Athen überhaupt um Geld bitte, erhalte Griechenland Darlehen, die ganz normal mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen.
Das Verfahren kennt jeder, der schon mal eine Wohnung gekauft oder ein Haus gebaut hat. Die Bundesregierung dürfte an einem solchen Kredit sogar verdienen, da sie das Geld am Markt zu weit besseren Konditionen aufnehmen kann, als sie es dann an Athen weiterverleihen würde. ..... Deutsche Kredite für Griechenland helfen auch der deutschen Wirtschaft. Griechenland ist für hiesige Unternehmen ein wichtiger Markt. Die Hellenen kaufen ebenso gerne deutsche Waren ein wie Bundesbürger auf den Inseln Urlaub machen. Kein Geld, kein Geschäft - so einfach ist die Wahrheit. ..... Es ist gefährlich, dass die Politik dem populistischen Geplapper zu Hause nicht entschieden widerspricht."
Lernfähig ist diese Journalistin der Süddeutschen Zeitung offenbar nicht.
Mit welchen Methoden diese Dame die Fakten verzerrt darstellt, lässt sich anhand ihres SZ-Artikels "Griechenland-Rettung. Athen in der Falle" vom 23.01.2012 aufzeigen:
"Die Franzosen haben jetzt begonnen, mit den griechischen Kollegen ein landesweit vernetztes System zur Erfassung von Steuern aufzubauen. Wer schnell ist, schafft das in zwei Jahren; alles muss europaweit ausgeschrieben werden. Es gibt Fristen, dann ein Auswahlverfahren, ein Bieterverfahren, wieder Fristen, die Vergabe, alles muss bestellt, gekauft und installiert werden, die Mitarbeiter brauchen Schulungen. Es ist den Griechen also selbst bei gutem Willen nicht möglich, schon jetzt geordnet Steuern einzutreiben."
Die griechischen Finanzbeamten sind bekanntermaßen großenteils korrupt. Selbstverständlich könnten die - sicher nicht perfekt, aber immerhin - weitaus höhere Steuer eintreiben, wenn sie nicht selbst die Bestechungsgelder in die Tasche stecken und den Staat großenteils leer ausgehen lassen würden. Es fehlt also großenteils schon am guten Willen auf Seiten der Beamten.
Darüber hinaus fehlt es selbstverständlich der Politik total an jeglichem seriösen Reformwillen (bzw. werden unangenehme Beschlüsse der Politik auf der Verwaltungsebene einfach sabotiert). Weder wurde die Zahl der Staatsbediensteten in der vereinbarten Höhe abgebaut, noch wurde die Unternehmensprivatisierung entschlossen angegangen. Vor allem aber kommt Griechenland mit Deregulierungen - Zahl der Lkw-Lizenzen, Taxi-Lizenzen usw. nicht in die Gänge. "Guter Wille" ist insoweit bei der griechischen Politik absolute Fehlanzeige.
Das alles verschweigt Frau Gammelin, obwohl sie es zweifellos sehr genau weiß. Und versucht stattdessen, die blöden Bürger mit dem o. a. Beispiel an der Nase herumzuführen, das zwar nicht ganz falsch ist, aber selbst in seinem eigenen Sektor unvollständig.
Wie hoffnungslos die Lage, insbesondere die sozio-politische Situation, in Griechenland ist, und welche gigantischen Hindernisse den Reformerfordernissen entgegen stehen, kann man z. B. aktuell nachlesen in dem heutigen taz-Interview "Was Griechenland von Polen lernen kann. 'Das Land stürzt in eine Depression' " mit dem Politologen Helmut Wiesenthal.
Nachträge 08.02.2012
Zur Sabotagepolitik des griechischen Beamtenapparats vgl. aktuell z. B. den gestrigen WELT-Bericht "Sabotage der Beamten gibt Griechenland den Rest" von Florian Hassel. (Das Thema ist aber schon lange in den Medien, und war mit Sicherheit auch Frau Gammelin bei Abfassung ihrer Aufforderung zur Veruntreuung weiterer deutscher Steuergelder zu Gunsten der Griechen bekannt.)
Günther Lachmann weiß, in der WELT von heute, schon mehr: "Vor dem Bankrott – Die letzten Tage von Athen". Letztlich allerdings nur auf eine Meinungsäußerung des ZDF-Börsenexperten Frank Bethmann vom 6. Februar 2012 im „heute-journal“ gestützt, schreibt er:
"Das Theater in Athen dient allein dem Zeitgewinn. Dabei gehe es nicht um die Börsen, die würden eine Griechenland-Pleite überstehen, sagte er. Aber die Banken und Länder wie Portugal oder Italien müssten durch Brandmauern geschützt werden. Dafür bräuchten die Beteiligten noch etwas Zeit. Als erster Schritt werde im März das 700-Milliarden-Volumen des ESM aufgestockt. Unabhängig von dem Fortgang der Gespräche in Athen werde am 20. März das nächste milliardenschwere Rettungspaket an die Griechenland-Gläubiger überwiesen. Und dann gibt es nur noch einen wichtigen Termin, den Griechenland überleben muss. Es ist die Wahl des Staatspräsidenten am 22. April in Frankreich. Die will sich der Amtsinhaber Nicolas Sarkozy wohl kaum auch noch durch eine Griechenlandpleite zusätzlich belasten. Dann aber, da ist sich Bethmann sicher, wird Griechenland den Staatsbankrott erklären."
Und neben dem Zeitgewinn hat die Finanzbranche einen hübschen Teil ihrer Belastung auf dem deutschen Steuerzahler abgeladen. Ein Resultat, das mir (und anderen Realisten in Deutschland) von Anfang an klar war.
Für das Wohl der internationalen Finanzwelt und für die bisherigen Reformverweigerungen der Griechen zahlt dann jeder Deutsche 475 € (zur Berechnung vgl. heute im Handelsblatt "Mit 475 Euro sind Sie dabei: Was die Griechen-Pleite jeden Deutschen kosten würde").
Und dann geht es weiter mit Portugal, Italien, (Spanien?) - und Frankreich.
Da werden wohl nicht einmal mehr 47.500 € pro Nase reichen. Macht auch nichts: Wird halt einfach der Geldwert weginflationiert; Mario Draghi mit seiner EZB-Gang ist da schon auf dem besten Weg.
Erg. 11.02.12: Nach der Berechnung "Staatsbankrott. Was eine Griechen-Pleite jeden Bundesbürger kosten würde" von Nicolai Kwasniewski bei SpiegelOnline (SPON) v. 10.02.12 könnten sich die Gesamtkosten allein einer Griechen-Pleite bereits auf 650 - 680 € pro Nase für Vater, Mutter, Greis und Kind in Deutschland belaufen. Eine Vier-Personen-Familie, ggf. mit einem Alleinverdiener, müsste also hypothetisch so kleine 3.000,- € für das Griechenland-Abenteuer unser politischen Finanzmarkt-Quislinge auf den Tisch legen. Bei solchen Risiken kommt doch richtig Freude auf!
Wie sehr wir belogen und betrogen werden, sowohl was die Transferleistungen nach Griechenland angeht, als auch die Geldwertsicherung, zeigt jetzt der WELT-Artikel "Schuldendesaster. Athens Risiko-Spiel mit der Gelddruckmaschine" von
"Wie aus einer UBS-Studie hervorgeht, die "Welt Online" vorliegt, findet mittlerweile ein weit umfangreicherer Risikotransfer innerhalb der Währungsgemeinschaft statt, als bisher öffentlich bekannt. Dank der unter Draghi nochmals gelockerten EZB-Politik hat die griechische Nationalbank ihre Bilanzsumme enorm ausgeweitet. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Notenbank in Athen in großem Umfang Liquidität schöpft. Seit 2010 hat sich ihre Bilanzsumme fast verdoppelt. Seit Herbst 2011 stieg die Geldvermehrung rasant an. Inzwischen macht die Bilanzsumme der Notenbank 70 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung aus. Das liegt im internationalen Vergleich auf Spitzenniveau. ..... „Die EZB hat die Gelddruckmaschine an die nationalen Notenbanken übergeben“, schreibt Stephane Deo, Ökonom bei der UBS. „Das könnte schwerwiegenden Konsequenzen nach sich ziehen.“ ..... Das Programm mit dem Kürzel ELA (Emergency Liquidity Assistance) machte solche Notkreditlinien möglich. ..... seit Dezember ist diese Notoperation als längerfristige Hilfe institutionalisiert worden. Damals hatte Draghi angekündigt, dass die nationalen Notenbanken von ihren heimischen Banken auch Sicherheiten zweifelhafter Güte als Pfand für Notenbankkredite annehmen könnten. Zwar sollte diese Lösung nur temporär eingesetzt werden. Welcher Zeitraum damit gemeint war, ist aber bisher offen geblieben, zumal Sicherheiten schlechterer Qualität auch für die Dreijahreskredite der EZB an die Euro-Banken akzeptiert werden sollen."
Wenn ich das richtig verstehe bedeutet das, dass die griechische Wirtschaft ihre ausländischen Lieferanten im Grunde mit einer Art Falschgeld bezahlt: Man nimmt Kredite bei den Banken auf, von denen eigentlich alle Beteiligten wissen müssen, dass die Kreditnehmer sie nie und nimmer zurückzahlen können. Und die griechische Zentralbank druckt frische Geldscheine für diese Kredite.
Wahrscheinlich beabsichtigt man, diese faulen Kredite unter denjenigen Abschreibungen zu verstecken, die auf die Bestände griechischer Banken an griechischen Staatsanleihen (und kurzfristigen Kassenkrediten?) ohnehin bald fällig werden. Und die europäischen Partner sollen dann die Gesamtverluste tragen, die aus der mutmaßlich momentan verantwortungslosen Kreditvergabe der griechischen Banken resultieren werden.
Da den griechischen Banken die Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner anscheinend gleichgültig ist, geben sie vermutlich auch der Athener Regierung immer wieder an Kassenkredite.
Nachträge 09.02.2012
Vgl. auch den heutigen FAZ-Kommentar "Griechenland. Der große Knall" von Holger Steltzner:
"Aus den verschiedenen Brüsseler Fördertöpfen sind mehr als 100 Milliarden Euro nach Athen geflossen, dort aber nicht investiert, sondern konsumiert worden, weil das Geld zusammen mit dem größten Geschenk des Euro, ungewohnt tiefen Zinsen, zum Import von Waren auf Pump verführte. Noch mehr Kredit löst die Strukturprobleme Griechenlands nicht. Das hilft nicht gegen Korruption, Steuerhinterziehung, unfähige Verwaltung und Klientelpolitik."
Unverdrossen fordert die Süddeutsche Zeitung die Verheizung weiterer deutscher Steuerbriketts für die sozialistische Wärmestube Griechenland. Mit der bekannten Begründung "alternativlos". So behauptet heute Christiane Schlözer unter dem scheinbar knallharten Titel "Griechenlands Sparpläne in der Schuldenkrise. Athener Wunschkonzert" am Ende doch (meine Hervorhebung):
"Wenn ..... das Land mit immer neuen Daumenschrauben nicht zu retten ist, was dann? Dann bleibt nur ein radikaler Schnitt: der weitgehende Schuldenverzicht der großen privaten Gläubiger, der Banken und Hedgefonds; auch die Europäische Zentralbank müsste einen Teil ihrer Forderungen wohl in den Wind schreiben. Dann bräuchte Griechenland noch einen Marshall-Plan. Alles das ist teuer, und Erfolge werden sich nicht über Nacht einstellen. Aber wirkliche Alternativen dazu gibt es auch nicht mehr."
Auf anderem Wege, und scheinbar noch zögernd, fordert sie im Grunde dasselbe wie oben ihre Redaktions- und Gesinnungsgenossin Cerstin Gammelin.
Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo selbst die Penner vom Manager Magazin, die immer vorneweg marschierten, wenn es darum ging, deutsche Steuergelder für andere Eurozonenländer zu veruntreuen, endlich (natürlich zu spät) merken, dass es so nicht mehr weiter geht: "Euro-Rettung. Deutschland an der Schmerzgrenze" warnt heute Christoph Rottwilm (meine Hervorhebung):
"Die Belastungen aus der Schuldenkrise sind bereits gewaltig und auch wirtschaftlich läuft längst nicht alles rund. Die Bundesrepublik ist an der Grenze des Tragbaren angekommen. ..... "Viele sehen Deutschland gern als potenten Zahler", sagt Joachim Scheide, Leiter des Prognosezentrums beim Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. "Aber wenn der Fall eintritt, dass auch nur ein Teil der immensenGarantiesummen fällig wird, ist es mit der Solidität der Staatsfinanzen vorbei." Nach Beobachtung Scheides sind die Deutschen derzeit angesichts der großen Versprechungen erstaunlich gelassen. "Damit wird es aber vorbei sein, wenn tatsächlich gezahlt werden muss - sei es in Form höherer Steuern oder höherer Inflation", sagt er. Auch die Behauptung, Deutschland habe stärker als andere vom Euro profitiert, lässt der Fachmann nicht gelten. "Mit diesem unsinnigen Argument werden die Leute hierzulande eingelullt", sagt er."Nachtrag 14.02.2012
Mit dem Thema Marshallplan für Griechenland setzt sich, ohne eigene Wertung unterschiedliche (allerdings meist positive) Expertenmeinungen referierend, heute das Handelsblatt auseinander: "Griechenland: Hohe Hürden für einen Marshallplan".
Nachtrag 16.02.12
Dass Forderungen nach einem "Marshallplan" für Griechenland auf Sand gebaut, bzw. völlig aus der Luft gegriffen sind, kann man heute in dem FAZ-Artikel "Fördergelder für Griechenland. Auf der Suche nach soliden Projekte" nachlesen (meine Hervorhebung):
"Wie kommt Griechenlands Wirtschaft wieder auf die Beine? Wirtschaftsminister Chrisochoidis fordert ein „riesiges“ Investitionsprogramm für Europa. Die EU-Hausbank EIB will die Hilfen für Griechenland aber nicht aufstocken. Es gebe zu wenig solide Projekte."
Nachtrag 18.02.2012
'Griechenland ist kein Staat' schreiben einhellig, wenn auch mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen
- Clemens Wergin in der WELT vom 16.02.12 u. d. T. "Der Untergang des Europa, wie wir es kannten": "Wenn die akute Krise überwunden ist, wird man sich also Gedanken machen müssen über die künftige Gestalt des europäischen Projektes. Und da wäre es wünschenswert, zu einem Zustand wohlwollender Distanz unter den EU-Ländern zurückzufinden. Das wird für Währungsfragen weit schwieriger sein als bei anderen Politikfeldern, wenn man den Euro behalten möchte. Wenn wir aber Neid, Missgunst und nationalistische Aufwallungen verhindern möchten, dann müssen wir zu einer Konstruktion Europas finden, in der die Staaten dort zusammengehen, wo es für alle einen Nutzen ohne größere Risiken gibt. Und in der die einzelnen Gesellschaften ansonsten nach ihrer je eigenen Facon selig werden können – dann aber auch für ihre Fehler geradestehen müssen."
- und Matthias Krupa und Michael Thumann in der ZEIT vom 18.02.12 unter "Schuldenkrise. Staatenlos": "... der Staat, den man vor der drohenden Pleite bewahren will, er existiert so gar nicht. Das ist die bittere Erkenntnis, fast zwei Jahre, nachdem die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) das erste Hilfspaket für Griechenland geschnürt haben. Griechische Behörden haben viele beschlossene Reformen nicht umgesetzt. Das Land tritt auf der Stelle."
Nachträge 19.02.2012
Jene Naivlingen, welche die Griechen eben mal schnell mit einem Marshallplan beglücken wollen, sei zwecks Heilung von ihren Tagträumen die Lektüre des Berichts "Wirtschaftsministerium. Geheimpapier attestiert Griechen Reformunfähigkeit" von
"Auf dem Papier ... ist es nicht schwer, Griechenland in eine blühende Landschaft zu verwandeln. Wohin Ökonomen oder Geschäftsleute in Hellas auch blicken, stellen sie meist den größten Rückstand zu anderen Industrieländern fest – im Umkehrschluss aber auch die höchsten Wachstumspotenziale. Allein durch Reformen auf seinem verkrusteten Arbeitsmarkt, dem Streichen überflüssiger Bürokratie; durch das Aufbrechen von Kartellen in den freien Berufen und den Bereichen Energie, Transport- und Kommunikation, sowie durch Steuer- und Rentenreformen könnte Griechenlands Wirtschaft binnen fünf Jahren um acht Prozent wachsen, kalkulieren Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Nur wie soll das gehen, in einem Land, in dem nicht einmal die Verwaltung funktioniert – und das obwohl fast ein Viertel aller arbeitenden Griechen im Dienst des Staates steht? ..... An guten Ideen ist kein Mangel. Nur macht Griechenland nichts daraus."
Die Financial Times Deutschland fährt u. d. T. "Votum über Rettungspaket: Starökonomen fordern Investitionen in Griechenland" wieder einmal Zitate der ökonomischen Klugscheißerbrigade ("Starökonomen" ) auf, was Europa und/oder Deutschland alles für Athen, bzw. zur Ankurbelung der Konjunktur in der Eurozone insgesamt, tun müsse. Also die übliche Leier in diesem rosafarbenen Zentralorgan jener angelsächsischen Räuberkapitalisten, die endlich die letzte (ohnehin schon weitgehend verwüstete) Bastion erobern wollen: das Geld der deutschen Steuerzahlers!
Nachtrag 20.02.2012
Gerd Höhler, der eigentlich durchaus griechenfreundliche Athener Handelsblatt-Korrespondent, schreibt heute im HB unter "Krise in Griechenland: Der Wahlkampf kann warten" (meine Hervorhebung):
"Griechenland braucht fiskalische Disziplin und wirtschaftliche Reformen, um wettbewerbsfähig zu werden. Vor allem aber braucht das von Günstlingswirtschaft und Korruption geplagte Land eine neue politische Kultur. Bisher sind allerdings nicht einmal Ansätze einer Erneuerung zu erkennen. Der Ruck, der eigentlich längst durch die politische Klasse des Landes hätte gehen müssen: Man wartet auf ihn vergeblich. Das ist vielleicht der beunruhigendste Aspekt der griechischen Krise."
Nachtrag 21.02.2012
Pikant ist in dem Kommentar "Hilfe für Griechenland. Die Euro-Finanzminister müssen ihre Versprechen halten" von Martin Winter in der Süddeutschen Zeitung vom 20.02.2012 sein impliziter Widerspruch gegen die "Klotzen, nicht kleckern"-Marshallplan-Phantasien seiner Redaktionskollegin Kerstin Gammelin (meine Hervorhebung):
Griechenland "verpflichtet sich auch zu einer Reform an Haupt und Gliedern, nach der Griechenland nicht mehr so sein wird, wie es einmal war. Der Reformteil des Programms liest sich wie ein Handbuch zur Modernisierung von Staat und Gesellschaft. Die, die immer nach einem Marshallplan für Griechenland rufen, sollten genau hinsehen: Hier finden sie ihn. Die griechische Wirtschaft wird nur dann wieder auf die Beine kommen und Arbeitsplätze schaffen, wenn die verkarsteten Strukturen des Landes in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung aufgebrochen werden. Wenn es sich wieder lohnt, in griechische Unternehmen zu investieren und es keine absurden Hindernisse mehr gibt, neue zu gründen."
Nachtrag 22.02.2012
Zacharias Zacharakis fordert in der der ZEIT vom 21.12.2012 ebenfalls: "Griechenland-Hilfen Nächster Schritt Marshallplan".
Die Leser-Kommentatoren zerreißen diese Forderung in ähnlicher Weise wie ich das oben getan habe. Leider bestätigt Zacharakis in seinem Kommentar auch die schlimmsten Vorurteile über die Griechen als habituelle Lügner, wenn er behauptet:
"Vor allem im vergangenen Jahr hat die Regierung mithilfe der EU-Kommission viele Maßnahmen durchgesetzt, das Steuersystem reformiert, den Behördenapparat weiter entschlackt und hart gespart."
Dieser Falschbehauptung bin ich in meinem Leserkommentar (Nr. 82) entgegengetreten. Den Titel "Märchenstunde bei Zacharias Zacharakis" hat die ZEIT-Kommentarredaktion wegzensiert.
Kommentartext:
"Ach ja? Wolfgang Schäuble sagt uns, dass Griechenland technische Hilfe für die Steuerbehörden nicht annimmt; das Bundeswirtschaftsministerium teilt mit, dass G. das Hilfsangebot zum Aufbau einer Förderbank (Art KfW) nicht annimmt; überall lesen wir, dass die freien Berufe noch NICHT dereguliert wurden; der griechische (in den USA lebende) Blogger Nikos Tsafos schreibt über die griechischen 'Sparerfolge': "... spending is barely down: 1.2% by one measure, but including other special items, it may even be up."
Selbst der Athener Handelsblatt-Korrespondent Gerd Höhler, der einst zu Krisenbeginn titelte "Wir sind alle Griechen", ist jetzt desillusioniert:
'Vor allem aber braucht das von Günstlingswirtschaft und Korruption geplagte Land eine neue politische Kultur. Bisher sind allerdings nicht einmal Ansätze einer Erneuerung zu erkennen. Der Ruck, der eigentlich längst durch die politische Klasse des Landes hätte gehen müssen: Man wartet auf ihn vergeblich. Das ist vielleicht der beunruhigendste Aspekt der griechischen Krise'."
Ebenso hat die Redaktion den letzten Satz gestrichen. Begründung:
"Gekürzt. Bitte achten Sie auf eine respektvolle Wortwahl. Danke. Die Redaktion/vn"
Hier der Text meines zensierten Schlussatzes:
"Lieber Herr Zacharakis: Verarschen können wir uns selber!"
Meine Folgerung aus dieser Zensur: Lügen ist nach Meinung der Zeit-Kommentarredaktion eine lässliche Sünde; sich darüber aufzuregen jedoch ist ein ungehöriger Mangel an Respekt. In meiner Wahrnehmung ist diese Beurteilung etwas asymmetrisch.
Nachtrag 03.03.2012
Da staune ich Bauklötze: Sogar die Frankfurter Rundschau steht den Forderungen nach einem "Marshallplan" für Griechenland äußerst realistisch, also kritisch, gegenüber! Unter der Überschrift "Rettungspaket für Griechenland. Kurswechsel in der Griechenland-Hilfe ist nötig" erinnert Bettina Vestring dort am 27.02.2012 daran, dass derartige Hilfen der EU ja bereits seit Jahrzehnten gezahlt wurden - mit genau kontraproduktivem Effekt! Sie schließt deshalb:
"Wie sagte der deutsche Finanzminister Schäuble ...? "Zur Hilfe gehört immer jemand, der sich helfen lassen will." Solange Athen das nicht tut, machen Wachstumshilfen für die griechische Wirtschaft keinerlei Sinn. Dann wäre es wirklich besser, Athen aus der Eurozone zu verbannen. Gutes Geld ist zu kostbar, als dass man es dem schlechten hinterherwerfen dürfte."
Nachtrag 06.03.2012
Staun: Ausgerechnet in dem 'Rettungsfachblatt' (ein Ausdruck des Bloggers "politplatschquatsch") ZEIT erscheint heute der Artikel "Schuldenkrise. Bloß keinen Marshallplan für Griechenland!" von Herbert Dieter:
"Die Griechen müssen selbst Konzepte und Strategien zur Überwindung der Krise entwickeln. Sie von außen vorzugeben, funktioniert nicht. ..... In Griechenland geht es nicht um den Wiederaufbau nach einem furchtbaren Krieg, sondern um die Neuordnung einer Wirtschaft, die in den rund 180 Jahren seit der griechischen Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich eigentlich zu keinem Zeitpunkt leistungsfähig war und bereits mehrfach in den Staatsbankrott schlitterte. ..... Die Befürworter neuerlicher, vom Ausland bereitgestellter Unterstützung müssten begründen, warum dieses Mal funktionieren sollte, was seit 1981 immer wieder scheitert. Griechenland erinnert mit seiner anhaltenden Unterentwicklung mehr an gescheiterte Entwicklungsländer, die den Sprung in eine Phase erfolgreicher wirtschaftlicher Entwicklung nicht geschafft haben, als etwa an asiatische Schwellenländer. ..... Die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands ist daher kein europapolitisches, sondern ein entwicklungspolitisches Problem. Es hat wenig Sinn, in dieser Debatte stets von notwendiger Solidarität und der Sicherung des Friedens in Europa zu sprechen und dabei abgesicherte Erkenntnisse aus fünf Jahrzehnten entwicklungspolitischer Erfahrung zu ignorieren. ..... Abwehrkämpfe bestimmen die griechische Innenpolitik. Für den wirtschaftlichen Aufbau Griechenlands sind aber neue Ideen gefragt. Die Europäische Union kann den von Griechenland selbst entwickelten Aufbauplan unterstützen, aber sie kann keine Rezepte liefern. Es ist an der Zeit, sich auf den Geist des Marshallplans zu besinnen und von der griechischen Gesellschaft die Entwicklung eines eigenen Konzeptes zur Entwicklung ihrer Volkswirtschaft zu fordern."
Nachtrag 12.03.2012
Pro und kontra "Marshallplan" für Griechenland in der FAZ. Jan-Otmar Hesse, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bielefeld (also meiner Heimatstadt - da ist halt die Vernunft zu hause!) informiert am 11.03.12 in dem Kommentar "Griechenland. Es gibt keine ökonomische Wunderheilung" über Umfang und Wirkung des echten Marshallplans und mokiert sich über die Heilungsgläubigen (meine Hervorhebungen):
"Die überschäumenden Hoffnungen der großen Koalition aus wirtschaftspolitischen Alchemisten werden durch das historische Vorbild indes kaum gerechtfertigt. Denn zum einen unterschieden sich die Rahmenbedingungen im Nachkriegseuropa zutiefst von den heutigen ökonomischen Problemen. Und zum anderen werden die tatsächlichen Wirkungen des Marshallplans auf das „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit in der Forschung seit Jahren bestritten. ..... So berechtigt das Anliegen heute auch ist, der griechischen Wirtschaft über Investitionsprogramme zu helfen: Ein solches Programm als Marshallplan zu bezeichnen, nährt die Hoffnung auf eine ökonomische Wunderheilung, die wirtschaftshistorisch unbegründet ist."
Das hält natürlich den (offenbar) Griechen Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Potsdam, nicht davon ab, am 12.3.12 Lobbyarbeit für sein Heimatland zu machen u. d. T. "EU-Hilfen. Griechenland braucht einen Marshallplan". Die Leserkommentare sind einhellig skeptisch und lehnen es - genau wie ich auch - ab, noch mehr Steuergelder in diesen Balkanzipfel zu versenken.
ceterum censeo
Der Wundbrand zerfrisst das alte Europa,
weil es zu feige ist ein krankes Glied zu amputieren!
POPULISTISCHES MANIFEST
(für die Rettung von ? Billionen Steuereuronen!):
Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst einer europäischen Transferunion und Haftungsunion.
Im Herzland des alten Europa haben sich die Finanzinteressen mit sämtlichen Parteien des Bundestages zu einer unheiligen Hatz auf die Geldbörsen des Volkes verbündet:
· Die Schwarzen Wendehälse (die unserem Bundesadler den Hals zum Pleitegeier wenden werden),
· Die Roten Schafsnasen (vertrauensvoll-gutgläubig, wie wir Proletarier halt sind),
· Die Grünen Postmaterialisten (Entmaterialisierer unserer Steuergelder wie unserer Wirtschaftskraft),
· Die machtbesoffenen Blauen (gelb vor Feigheit und griechisch vor Klientelismus), und selbstverständlich auch
· Die Blutroten (welch letztere die Steuergroschen unserer Witwen, Waisen und Arbeiter gerne auflagenlos, also in noch größerer Menge, gen Süden senden möchten).
Wo ist die Opposition im Volke, die nicht von unseren Regierenden wie von deren scheinoppositionellen Komplizen als Stammtischschwätzer verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, welche sich der Verschleuderung der dem Volke abgepressten Tribute an die europäischen Verschwendungsbrüder wie an die unersättlichen Finanzmärkte widersetzt hätte?
Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor:
Das Volk wird von fast keinem einzigen Politiker als Macht anerkannt.
Es ist hohe Zeit, dass wir, das Volk, unsere Anschauungsweise, den Zweck unserer Besteuerung und unsere Tendenzen gegen die fortgesetzte Ausplünderung durch das Finanzkapital bzw. durch die Bewohner anderer Länder und durch seine/deren politische Helfershelfer vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen von dem grenzenlosen Langmut der Deutschen den Zorn des Volkes selbst entgegenstellen.
Textstand vom 12.03.2012. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm. Soweit die Blotts Bilder enthalten, können diese durch Anklicken vergrößert werden.
GERMANY, the DISGRACE of Europe
AntwortenLöschen...the barbarians, who forced beautiful Europe to get down Zeus’ “back” and made her a prostitute.
...the unworthy Europeans, who in 1945 “took Europe down” from “Mount Olympus” and in 2012 relinquished “enslaved” Europe to the Phoenician loan sharks.
http://eamb-ydrohoos.blogspot.com/2012/02/germany-disgrace-of-europe.html
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The German traitors of Europe along with the Phoenicians from Asia may have forced Europe to get down from the "back” of the Greek “bull”, but it remains to be seen how they shall pull it through with the “bull”.
Authored by PANAGIOTIS TRAIANOU
Der in dem vorangegangenen Kommentar von "Ingrid" gepostete Link führt zu einem langen und ausgesprochen verschwörungstheoretischen Artikel des Griechen PANAGIOTIS TRAIANOU. Was es mit der "National Liberation Front - ΕΑΜ Β’" auf sich hat, weiß ich nicht: eine bloße 1-Mann-Organisation von Hr. Traianou kann es wohl nicht sein, weil zahlreiche Texte auf Englisch und Deutsch übersetzt sind. Da arbeiten anscheinend noch einige andere mit; auch den Kommentar bei mir wird jemand anderes gepostet haben.
AntwortenLöschenJedenfalls steht "EAM" für die Nationale Befreiungsfront, die griechische Widerstandsbewegung (oder jedenfalls deren Hauptgruppe) im 2. Weltkrieg (s. englischsprachige Wikipedia - http://en.wikipedia.org/wiki/National_Liberation_Front_%28Greece%29). Das B' könnte für "EAM 2" stehen.
Der Artikel ist nicht so sehr antideutsch, als vielmehr antisemitisch. Deutschland wird als Marionette des Judentums und (der Autor differenziert da nicht weiter) der USA dargestellt, die schon Hitler finanziert und den 2. Weltkrieg angezettelt haben, damit Amerika die Weltherrschaft übernehmen kann.
Warum die Juden die amerikanische Weltherrschaft fördern sollten, und ob sie Hitler auch zum Holocaust manipuliert haben: mit kritischen Einwänden gegen sein Geschichtsbild hält sich der Autor nicht weiter auf.
Traianou hegt keinen Zweifel, dass Griechenland auch heute Europa retten wird.
So wie Griechenland im 5. Jh. vor Chr. die Perser zurückgeschlagen und damit nach dem Geschichtsbild des Autors (das ja auch bei uns so vermittelt wird oder jedenfalls früher vermittelt wurde) "Europa" nicht nur gegen den Ansturm "Asiens" verteidigt, sondern seither die Weltherrschaft ermöglicht hat [worin diese in der Zeit zwischen 500 und 1500 bestanden haben soll, bleibt des Autors Geheimnis], wird auch dieses Mal das heldenhafte Griechenvolk den Sieg gegen die asiatisch-jüdischen Kredithaie (loan sharks) davontragen. Eigentlich haben die Griechen sogar schon gesiegt, wobei freilich unklar bleibt, worin dieser Sieg bestehen soll.
Über das "blöde Tier" Deutschland hatte er schon vorher einen Artikel geschrieben: "Deutschland das hayvan europas" (http://eamb-ydrohoos.blogspot.com/2011/11/deutschland-das-hayvan-europas.html). Wenn man darunter versteht, dass nur Dummköpfe deutsche Steuergelder für Griechenland rauszuwerfen können, stimme ich ihm sogar aus ganzem Herzen zu.
Insgesamt ist Traianous Text ein historischer Eskapismus: eine Flucht aus dem Elend der Gegenwart in die (vermeintlich) große Antike. Damit steht er wohl nicht allein in Griechenland.
Zumindest der Exilgrieche Costas Douzinas, Rechtsprofessor an der Londoner Birkbeck Universität, berauscht sich an der antiken Mythologie:
"The Greek people and democracy have become sacrificial victims similar to Euripides's heroine in Iphigenia in Aulis. Iphigenia must be sacrificed by her father Agamemnon to appease the angry gods and set wind to the sails of the Greek fleet on the way to Troy. In the contemporary setting, the greedy gods are the bond markets with credit-rating agencies as their obscure priests. ... usw."
Und natürlich sind auch für Prof. Douzinas die armen Griechen lediglich Opfer böser Ausländer, denn der Titel seines Blog-Eintrages im britischen "Guardian" vom 27.06.2011 lautet: "Greece is standing up to EU neocolonialism" (http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2011/jun/27/greece-bailout-eu-neocolonialism).
Sicherlich denken nicht alle Griechen so, aber Wehleidigkeit, Selbstmitleid und Anklage gegen die anderen (Deutschen, Europäer, den Internationalen Währungsfonds, das internationale Kapital) scheinen auch nach dem, was man anderweitig lesen kann, ziemlich verbreitet zu sein.
Keine gute Voraussetzung für schmerzhafte Reformprozesse.
Zu dem o. a. (englischsprachigen) Eintrag "GERMANY, the DISGRACE of Europe" in dem griechischen Blog "eamb-ydrohoos" hatte ich einen Kommentar geschrieben, dessen Stil man auf Englisch wohl als "blunt" bezeichnen müsste.
AntwortenLöschenNicht überraschend also, dass mein Kommentar wegzensiert wurde. (Auch deutsche Blogger praktizieren ja eine Meinungszensur - http://beltwild.blogspot.com/2011/05/eine-zensur-findet-statt-oeffinger.html).
Hier also, zur Kenntnis wenigstens meiner eigenen Leserinnen und Leser, mein von dem kritiserten Griechen-Blogger unterdrückter Kommentartext:
You are right: The German government is indeed a "hayan"*, when it doles out our hard-earned taxpayers money to dreamers of antique greatness and antisemitic conspiracy theorists.
Money, and interest rates,were not invented by the Jews; the Jews did not force Greece into borroughing and the banks that hold Greek bonds are French, German etc. banks, but hardly jewish.
Wake up to the realities of 2012: don't wallow in the greatness of Leonidas, analyze the virtues of ancient Spartan society, which were conditional for the self-sacrifice of Leonidas and his men!
If a physicist knows everything about the cosmic laws, he still won't be able to construct a bridge.
Even if you were right in your understanding of the big picture of history: Greece is not the Cosmos and not the navel of the world, at least not today.
Nobody is asking you to fight "Asia", or "The Jews": They (or, for that matter, us Germans) are not waging a war against Greece. The Greek society is faced with the task of building a bridge to modernity. This is not an affair of knightly valour, but of dogged tenacity, painstaking labour, hard work. No glory to win, but maybe a better life.
Help modernize the Greek administration, fight against "Fakelakis" and political patronage. Don't look into World History for any solution: you won't find it there!
Read the blog "Greek Default Watch" (http://www.greekdefaultwatch.com/) by the Greek Nikos Tsafos. He is a true patriot, true to his country like the prophets of ancient Israel, who spoke the truth even though they were being disliked for it.
HE analyzes Greece's problems, YOU are trying to bury them under a pile of rhetorics. It may make you feel good, but it won't get you, or Greece, anywhere.
* den Begriff "hayan" ("blödes Tier") habe ich dem Blog-Eintrag "Deutschland das hayvan europas" (http://eamb-ydrohoos.blogspot.com/2011/11/deutschland-das-hayvan-europas.html) entlehnt, der ebenfalls von PANAGIOTIS TRAIANOU verfasst wurde. Traianou hält Deutschland deshalb für dumm, weil es NICHT für Griechenland zahlen will, während ich selbst das naturgemäß genau entgegengesetzt sehe: wer riesige Summen deutscher Steuergelder für Griechenland oder andere Länder rauswirft, ist nicht nur ein "hayan", der handelt, im umgangssprachlichen Sinne, kriminell; der begeht, zumindest moralisch, eine Untreuehandlung.