Pacta sunt servanda, und Gelübde soll man ebenfalls halten.
Es ist noch nicht lange her, dass ich folgende Zeilen schrieb:
"Man soll zwar den Tag nicht vor dem Abend loben, doch hege ich mittlerweile eine, sagen wir mal, 25%ige Hoffnung, dass "unser Mädchen", unsere gute schwäbische Hausfrau, die gesamten Smartguys der Finanzwelt freundlich lächelnd aufs Kreuz gelegt hat. Für diesen Fall lege ich hier sogar ein Gelübde ab: dass ich nämlich unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Dank-Blott weihen werde.
Aber so weit ist es noch lange nicht."
Das war am Schluss meines Blog-Eintrages "Griechenland-Bailout: Rosarote Front der Arbeiterverräter. DGB-Vorstandsmitglied fordert: Frische Euros für Athen!", verfasst in der Zeit vom 07.-10.03.2010.
Der "Abend" kann zwar immer noch kommen, wenn irgend welche unerwarteten Hindernisse auftauchen oder Änderungen der Lage eintreten.
Vorerst indes hat unsere Kanzlerin Angela Merkel die deutschen Interessen (und letztendlich auch diejenigen der anderen europäischen Staaten und am Ende sogar jene der Defizit-Sünder, auch wenn diese das momentan und in den nächsten Jahren anders sehen werden) mit Nachdruck und mit Geschick vertreten.
Und das gegen eine ganze Reihe von Rudeln, die scharf auf deutsche Steuergelder waren, bzw. scharf darauf waren, deutsche Steuergelder als Subsidien zu versüden:
- große Teile der Linken, die somit mit den
- Kapitalmarktinteressen freundschaftlich vergesellschaftet waren,
- eine breite Front von, pardon, Hosenscheißern in der deutschen Publizistik
- und sogar gegen ihren eigenen Finanzminister Wolfgang Schäuble, dem ich einen Rücktritt hiermit herzlichst ans Herz legen möchte.
[Nachtrag 17.07.10: "Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der im Gegensatz zu Kanzlerin Merkel eine Einbeziehung des IWF zunächst abgelehnt hatte, räumte in der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag) ein, mit seiner Einschätzung falsch gelegen zu haben. „Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen: Sie (Merkel) hatte Recht.“ Allein hätte Europa mit dem Problem nicht fertig werden können" berichtet das Handelsblatt vom 10.07.10 unter "Medienbericht: Deutschland plant Insolvenzverfahren für Euro-Staaten".
Hier die einschlägige Textstelle aus dem Interview "Im Gespräch: Wolfgang Schäuble 'Die Kanzlerin hat Erfolg, weil sie ist, wie sie ist' " der SZ vom 10.07.10: "SZ: Viele in Ihrer Partei beklagen aber auch, dass es der Kanzlerin an Leidenschaft, an Visionen, an geistiger Führung mangelt. Stattdessen, so der Vorwurf, regiert Merkel kühl und technokratisch.
Schäuble: Angela Merkel hat herausragende Eigenschaften, deshalb ist sie die Kanzlerin und niemand sonst. Sie hat große Erfolge erzielt, weil sie so ist, wie sie ist. Nehmen Sie das Beispiel der Hilfen für Griechenland: Da war Merkel zurückhaltender als ich und hat erst zugestimmt, als alle Auflagen erfüllt waren. Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen: Sie hatte recht."]
Sie hätte die kommende Wahl in Nordrhein-Westfalen für die CDU auch abschreiben können, wenn sie anders gehandelt hätte. Denn wenn sie auch "oben" recht einsam dastand (einsame Spitze - in jeder Hinsicht - war): das deutsche Volk stand ziemlich geschlossen hinter ihr.
Die 'Vollhosen' saßen teilweise in Hamburg (= Hochburg der Hasenfüße?): bei der ZEIT und in der Financial Times Deutschland. Mächtig gegengehalten hat insbesondere die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Im Handelsblatt vom 25.03.2010 versucht Marietta Kurm-Engels sich sogar noch in nachträglicher Panikmache. Als "Dammbruch im Kampf gegen Inflation" will sie die Einbindung des Internationalen Währungsfonds in mögliche Hilfen für Griechenland bewertet wissen. Ein gewisser Cangrande ;-) hat daraufhin in seinem Leserkommentar (Nr. 13) wütend zurück gebellt:
"Die IWF-Einbindung wird nun schon seit Monaten, bzw. intensiver zumindest seit Wochen, diskutiert. Zwar habe ich eine Reihe von kritischen Stimmen gehört, aber keine Argumente wie die ihren; meist ging es nur um stolze Dummheit: "Keine Schwäche zeigen! Wir schaffen das allein". Dass Sie erst jetzt, wo die Würfel gefallen sind, Sachargumente in die Diskussion tragen, erweckt den Verdacht in mir, dass es Ihnen einzig und allein darum geht, Angela Merkel anzuschwärzen. Ich bin kein "Schwarzer" und auch sonst kein Merkel-Fan, aber was sie politisch bei der Abwehr der Griechenland-Bailout-Fetischisten abgezogen hat, davor ziehe ich ich meinen Hut und verbeuge mich dankbar und tief vor dieser viel unterschätzten Frau!"
Auch eine Reihe von anderen Leser-Kommentatoren hat gegengehalten, insbesondere mit der Frage, was denn die Alternative gewesen wäre. "Veblen" (Nr. 10) schreibt: "... überzeugt mich die Kernaussage des Artikels nicht. Es wird argumentiert, dass über den Umweg IWF ein Staatshaushalt durch Notenbankgeld finanziert wird. "Und genau das bedeutet höchste Inflationsgefahr." Nur, worin liegt eigentlich der prinzipielle Unterschied zur bisherigen Praxis. Bislang leihen sich Banken bei der EZB Geld und kaufen damit Staatsanleihen. In beiden Fällen erhöht sich die Geldmenge. So what?"
Am gleichen Tag war in dem Handelsblatt-Blog "Handelsblog" Torsten Riecke ebenfalls anderer Meinung. In seinem Eintrag "Die Schelte der Notenbanker" stellt er u. a. fest:
"Dass der Canossa-Gang der Griechen nach Washington zur Nachahmung einlädt, ist angesichts des damit verbundenen Reputationsverlusts kaum vorstellbar. Sicher aber ist, dass ein Bittgesuch beim IWF hochverschuldeten Staaten wesentlich schwerer fallen dürfte als ein Solidaritätsappell an die Euro-Partner. Mit anderen Worten: Würde nicht der Währungsfonds, sondern würden die EU-Länder den Griechen mit Finanzmitteln beispringen, wäre die Gefahr eines “Dammbruchs” ungleich größer. .....
Man sollte die Befürchtungen der Notenbanker nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ein Einsatz des IWF ist nicht ohne Risiken. Die Gefahren sind jedoch weitaus geringer als bei einem europäischen “bail out” oder einem Staatsbankrott."
Besonders hervorgetan im Sinne einer Vertretung deutscher Interessen (die aber, längerfristig betrachtet, auch den wohlverstandenen Interessen der anderen Mitgliedstaaten der EWU und der EU entsprechen) hat sich die FAZ. Dafür dieser Zeitung, die ansonsten nicht gerade mein Leib- und Magenblatt ist, gleichfalls herzlichen Dank. Hier einige Artikel:
"Merkels neue Spielregeln für Europa" von Nikolas Busse, 23.3.10.
Holger Steltzner hat sich wieder und wieder in die Bresche geworfen (so z. B. schon am 10.02.2010 unter "Die griechische Tragödie. Der letzte Anker darf nicht reißen"); in seiner Analyse "Rettungspaket für Griechenland. Hilfe und Strafe" vom 27.03.10 kann er nun zufrieden resümieren:
"Das Rettungspaket für Griechenland ist geschnürt. Die Lösung trägt eine deutsche Handschrift, die Grenzen für Hilfen sind eng und die Hürden hoch. In den Verhandlungen mit den anderen Regierungschefs hat Bundeskanzlerin Merkel geschickt die engen Spielräume als Druckmittel eingesetzt, die das Bundesverfassungsgericht jeder Bundesregierung in der Schicksalsfrage der gemeinsamen Währung gesetzt hat. Mit ihrer harten Verhandlungsführung hat sie den EU-Partnern mehr abverlangt, als möglich schien. Dies ist keine neue Linie Deutschlands, seine Ziele in Europa zu vertreten – und antieuropäisch ist es auch nicht."
Rainer Hank fragt am 28.03.10 rhetorisch "Wie europäisch ist Angela Merkel?" und antwortet in seinem sehr tief schürfenden und unbedingt lesenswerten Artikel:
"Wochenlanges Aussitzen hat sich gelohnt, mögen sie ihr auch wieder einmal vorwerfen, sie habe keine Prinzipien und könne nicht entscheiden. Doch im Falle der Griechen-Hilfe fügte es das Schicksal für sie, dass Populismus und Prinzipientreue ausnahmsweise Hand in Hand gehen. Die Griechen für ihre ausgelassene, aber fremdfinanzierte Party der letzten Jahre auch noch finanziell zu belohnen verbieten europäische Verträge („No-Bail-Out“) und deutsche Verfassung, aber auch die Meinung im eigenen Land. Das Volk ... fürchtet um den Euro wie noch nie." [Ich persönlich fürchte weniger um den Euro als um meine Steuergelder!]
Der ZEIT-Redakteur Mark Schieritz war einer von der Panikfraktion. In dem ZEIT-Blog "Herdentrieb" titelte er am 19.03.10: "Merkel opfert den Euro".
Eine erbärmliche Rolle hat die Financial Times Deutschland (FTD) gespielt, die, von vereinzelt dort veröffentlichten Gegenmeinungen abgesehen, partout deutsches Geld (im Rahmen europäischer Hilfe) fließen sehen wollte. Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass hier nicht in allen Fällen persönliche Meinungen der Redakteure maßgebend waren, sondern dass einige ganz bewusst für Kapitalmarktinteressen agitiert haben.
Wolfgang Münchau ist von Brüssel aus mehrfach vehement für Griechenland-Hilfen eingetreten; zuletzt am 23.03.2010 unter "Tag der Wahrheit für die Griechen" ("Die Bundeskanzlerin muss einem Hilfspaket für Griechenland endlich zustimmen. Andernfalls wäre der Euro ernsthaft in Gefahr") mit dem köstlichen Satz (ich zumindest werde ihn nie mehr vergessen, wenn ich in Zukunft Münchau-Meinungsäußerungen lese): "Ich kenne kaum einen Finanzexperten, Investor oder Banker, für den eine andere Option als ein europäisches Rettungspaket überhaupt in Betracht kommt." What a surprise! Wer hätte das von den Finanzexperten gedacht, dass die uns ans (Steuer-)Geld wollen?
Peter Ehrlich schrieb "Republik der Besserwisser": "Deutschland schwelgt in Vorurteilen gegenüber Griechenland" (10.02.2010)
und beschwor am 25.03.2010 unter: "Kampf um Stabilität. Tschüs, Europa" gewissermaßen den Untergang des Eurolandes:
"In Deutschland jubelt so mancher, dass sich Merkel mit ihrer Griechenlandpolitik durchgesetzt hat. Doch die Kanzlerin gefährdet das politische Erbe Helmut Kohls und den Zusammenhalt der Europäischen Union."
In dem Bericht "Merkels riskantes Spiel mit den Märkten" (ohne Autorenangabe) vom 23.03.10 mussten "die Märkte" dafür herhalten, den Deutschen Angst einzujagen, vor jenem Schreckensszenario, das eine ganze Reihe von deutschen Publizisten ihren Landsleuten für den Fall an die Wand gemalt haben, dass die Deutschen nicht brav löhnen.
Nichts davon ist eingetreten, und nichts dergleichen wird eintreten; die Bailout-Fetischisten stehen jetzt nackt da!
Was freilich Lucas Zeise, ebenfalls einen Bailout-Freak aus der FTD-Riege, nicht daran hindert, ein frustriertes Wolfsgeheul anzustimmen in seinem Kommentar "Das Ende der falschen EU-Prinzipien naht" vom 29.03.09:
"... bestand eine Akteurin auf sinnloser Prinzipienreiterei. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich eine glatte Niederlage, einen Prestigeverlust und zugleich den Ruf einer Dampfwalze eingehandelt. .....
Am Schluss kam heraus, was herauskommen musste: Es wird eine finanzielle Unterstützung der Euro-Länder für Griechenland geben. Die No-Bailout-Klausel des Maastricht-Vertrags wird ausgehebelt. Der Haftungsausschluss eines Euro-Landes für ein anderes gilt nicht mehr. .....
Warum interessiert gerade diese Bailout-Frage die deutsche Regierung so brennend? Wie kommt es, dass die Kanzlerin so aussieht, als ließe sie sich von chauvinistischen Parolen eines Großteils der Presse (Stichwort "faule Griechen") vor sich hertreiben?" usw.
Zeise versucht also, die Ergebnisse der Brüsseler Einigung (die im Übrigen am 26.03.10 in der FTD vorzüglich aufbereitet dargestellt wurden: "Die Details des Rettungspakets"), mit aller Gewalt und mit dem 'Abstraktionsebenentrick' (d. h. er hebt allein darauf ab, dass es jetzt u. U. doch zu Zahlungen - ohnehin nur Krediten! - kommen wird, ohne aber zu erwähnen, dass es wegen der Bedingungen für Schuldnerländer kein Vergnügen sein wird, am europäischen Honigtopf zu naschen) mies zu machen und Angela Merkel ans Bein zu pinkeln.
Dabei hätten wir, wenn es nach Herrn Zeise gegangen wäre, unsere Steuergroschen schon längst gen Süden ziehen sehen. So hatte er sich z. B. in seinem Beitrag "Merkels denkwürdige Wende" vom 15.03.10 zu früh gefreut: "Es ist deshalb sicher, dass der deutsche Staat sich über kurz oder lang an der Finanzierung schwächerer Länder in der Euro-Zone beteiligen wird." Klar: wenn Angela Merkel schon für Griechenland freudig das Portemonnaie gezückt hätte, wäre der Restsüden fröhlich mit offenen Händen hinterher gekommen! Kann ein Wirtschaftsjournalist so dumm sein? Oder tritt er hier als Propagandist für wen bzw. welche Interessenklasse auch immer auf?
Wenn man liest die "Europäer sprechen vom Diktat der Deutschen" (Die Welt vom 26.03.10) muss man das als Information natürlich ernst nehmen. Zugleich empfinde ich es allerdings als eine massive Unverschämtheit, wenn jemand die deutsche Weigerung, unsere Steuergelder mit vollen Händen aus dem Fenster zu werfen, als ein "Diktat" bezeichnet.
Reizvoll wäre der Versuch, eine Art Gesamtschau der deutschen Medienbegleitung zum Thema Griechenlandhilfe zu unternehmen, doch kann ich dies hier schon aus Zeitgründen nicht leisten.
Auf jeden Fall darf Cangrande zufrieden konstatieren, dass Klingklax sich doch nicht klaglos beklauen lässt!
Zum Schluss aber noch einmal zurück zum Anfang: Danke, Angela!
Nachtrag 02.04.2010
Der FTD-Kommentator Wolfgang Münchau ist stocksauer über das Gipfelergebnis (und widerlegt damit beiläufig auch die o. a. Behauptung von Lucas Zeise "Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich eine glatte Niederlage ... eingehandelt"). Unter der Überschrift "Oh du teures Hellas" redet er erst weitschweifig über das Bundesverfassungsgericht und wettert mit (für mich leicht obskuren) formaljuristischen Argumenten gegen die Euro-kritischen "Wirtschaftswissenschaftler und Staatsrechtler Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty", die deutsche Transferleistungen an Athen ablehnen. Dann kommt er zu seinem wirklichen Anliegen und wirft der deutschen Regierung "Griechenland-Phobie" vor. Das ist natürlich ein irreführender Begriff: Deutschland hat keine Angst vor Griechenland (eine Phobie hat allenfalls Hr. Münchau selbst, nämlich eine Griechenland-Insolvenz-Phobie). Vor allem geht es gar nicht ausschließlich um Griechenland; es geht darum, einen Dammbruch zu verhindern - was Angela Merkel gelungen ist. Die Kredit-Konditionen für Griechenland oder andere Wackelkandidaten - also in erster Linie Portugal - sind für diese ausgesprochen unattraktiv. Wer dagegen - wie die FTD-Redaktion ziemlich geschlossen - ein fröhlich unbesorgtes Bailout fordert, spannt diesen Staaten eine Hängematte auf, in die sie sich sicher gern gelegt hätten.
Aber Münchau gibt den Aufbau von Schreckensszenarien nicht auf:
"... wenn Deutschland erst dann Notkredite gewährt, wenn Griechenland keinen Zugang zum Kapitalmarkt hat, und dann zu Marktzinsen, dann wird Griechenland innerhalb der nächsten zwei Jahre unweigerlich Zahlungsverzug anmelden und damit Deutschland und vor allem deutsche Banken in den Abgrund reißen."
Ach ja? Deutschland in den Abgrund reißen? In jenen springen wir ganz im Gegenteil nur dann, wenn wir schnell die Schatulle öffnen, wenn jemand die Hand aufhält.
Und die Banken? Gut, die HRE soll einiges an Griechenland-Anleihen halten (9 Mrd. lt. diesem Handelsblatt-Bericht); insoweit als diese ausfallen, muss die Regierung natürlich Geld nachschießen, denn diese Bank hängt ja ohnehin am Staatstropf. Die anderen müssten die Anleihen halt teilweise zu Lasten der Gewinne oder der Reserven abschreiben. Eine Staatspleite bedeutet ja nicht, dass die Anleihen plötzlich völlig wertlos sind. Üblicher Weise werden die Schulden "restrukturiert", also im Wert herabgesetzt und/oder niedriger verzinst. Wenn man die Anleihebestände bei deutschen Banken mit 30 Mrd. € annimmt (diese Zahl aus der Analyse "Why Greece will default" - 'Warum Griechenland pleite gehen wird' - vom 01.04.10 - sicher nicht als Aprilscherz gemeint - von Wolfgang Münchau) und annimmt, dass sie bei einer Pleite zu 50% (das wäre schon ein extrem hoher Wert) verloren sind, wären lediglich noch 15 Mrd. abzuschreiben. Verteilt auf viele Banken wäre das für diese zwar immer noch misslich, aber "in den Abgrund" würde das schon deshalb kaum eine Bank reißen, weil die Bankenaufsicht, aber auch schon die interne Risikokontrolle, darauf achten, dass sich bei der Kreditvergabe bzw. bei der Anlagepolitik keine "Klumpenrisiken" bilden. Auch deshalb ist es falsch, wenn Münchau behauptet "Die Position der Bundesregierung verletzt ..... deutsche Interessen", aber in erster Linie deshalb, weil es eben nicht nur um Griechenland geht, sondern weil die Kapitalmärkte dieses Land gern als Präzedenzfall gesehen hätten, um bei Zahlungsunfähigkeit auch anderer Länder der Eurozone an deutsche Staatsknete zu kommen.
Richtig ist freilich seine Einschätzung, dass es für Griechenland außerordentlich schwer wird, eine Insolvenz zu vermeiden (vgl. ausführlicher seinen o. a. Artikel auf der Webseite des Brüsseler Think Tanks Eurointelligence, dessen Eigentümer er ist).
Interessant sind die rhetorischen Mittel, mit denen Münchau seinen Bailout-Lobbyismus betreibt. Kritikern der griechischen Misswirtschaft und Korruptionskultur wirft er implizit Rassismus vor; sie zeigen angeblich "mit erhobenem Zeigefinger auf die dunkelhäutigen Unholde im Süden Europas". Das ist total neben der Kappe; weder habe ich Griechen jemals als dunkelhäutig wahrgenommen, noch habe ich das irgendwo in der Kritik an den Betrügereien, der Schuldenwirtschaft und der Korruption dieses Landes bzw. in diesem Land gelesen. Wer solchermaßen Kritik an Griechenland verdächtig zu machen sucht, sieht sich zu Recht dem Verdacht ausgesetzt, dass er deutsche Steuergelder um jeden Preis für einen Bailout eingesetzt sehen will. Und selbst wenn Münchaus Behauptung unmittelbar zuträfe
"Da der Staat indirekt für das Bankensystem haftet, würde den deutschen Steuerzahler ein griechischer Zahlungsausfall teuer zu stehen kommen - jedenfalls teurer als unser Anteil an einem günstigen Griechenland-Kredit"
wäre ein Griechen-Bailout in der Gesamtsicht eine extrem kostspielige Lösung, weil er nur der Anfang zu einem fröhlichen Bailout-Reigen auch für andere Länder wäre. Aus Sicht des deutschen Steuerzahlers ist es deshalb eine Unverschämtheit, wenn Münchau die deutsche Weigerung eines schnellen Geldtransfers (im Kreditwege, klar, aber dass wir den Kredit voll zurückbekommen würden, bezweifle ich, und eine Wahrnehmung Deutschlands als Finanzier anderer Länder würde unsere eigenen Kreditkosten in die Höhe treiben) als "widerwärtig" bezeichnet.
Wirklich widerwärtig ist dagegen die ständige Agitation von Wolfgang Münchau (und anderer FTD-Redakteure) gegen die Interessen der deutschen Steuerzahler!
Mit einer Ausbeutung Deutschlands ist auch dem Europa-Gedanken nicht gedient. Hätte sich Angela Merkel dieses Mal über den Willen des deutschen Volkes (und zugleich über unsere wohl verstandenen und legitimen fiskalischen Interessen) hinweggesetzt, wäre Europa in dessen Augen weitaus mehr diskreditiert, als es (leider) ohnehin schon ist.
Nachtrag 06.04.10
Mit den gleichen Argumenten wie ich (und zweifellos auch viele andere Kommentatoren, deren Texte mir nicht vor die Augen gekommen sind) lobt der ZEIT-Herausgeber Josef Joffe Angela Merkels Stehvermögen in seinem Editorial "Währungsunion. Zucht für Zocker" vom 02.04.2010:
"Merkels Powerplay in Brüssel ist gut für Europa und den Euro" heißt es im Untertitel und im Text weist er darauf hin, dass die scheinbare Sturheit der Deutschen im wohlverstandenen Interesse des Projekts Europa liegt:
"Um den extravaganten Lebensstil zu finanzieren, haben sie [die "PIIGS"-Länder] sich die »Kohle« aus dem Ausland geholt: die Griechen 270 Milliarden Euro – bis an den Rand der Pleite. Jetzt sollte Europa die Verschwendungssucht im Nachhinein alimentieren, und da hat Madame zu Recht »non« gesagt.
Hat der Euro nicht schon zehn Prozent gegen den Dollar verloren? Ist es nicht Athens Pflicht, seinen Oikos (»Haus«, »Haushalt«, daher »Ökonomie«) zu ordnen? Hat nicht Irland das schon mit strengstem Sparen geschafft? Der Sünder soll Solidarität bekommen, aber Reue und Umkehr müssen sein. .....
Genau diese Wende hat Merkel mit ihrem »Jetzt nicht« angemahnt. Anpassen müssen sich die Dauer-Säufer, nicht die halbwegs Nüchternen (wobei kein EU-Großer sich derzeit an das Defizit-Limit von drei Prozent hält). Grausam? Ja. Aber auch »zielführend«, wie es auf Neudeutsch heißt. ... Ein Multi-Milliarden-Geschenk für die Griechen hätte Iberer und Italiener keineswegs ermutigt, ihre Oikos-Aufgaben zu machen.
Wer ist dann der schlechte Europäer? Doch nicht eine Merkel, die eine zentrale Errungenschaft zu retten versucht, indem sie den Temposündern das Bremsen verordnet. So wankelmütig ist der Zeitgeist: Daumen rauf, Daumen runter. Hauptsache, der Euro bleibt oben."
Nachträge 28.04.2010
Da habe ich wohl zu früh gedankt. Ich hatte geglaubt, dass die Griechenland-Hilfe mit 45 Mrd. € ausreichend dotiert wäre, aber Pustekuchen, die Beträge steigen (wie die Baukosten ) der Hamburger Elbphilharmonie in astronomische Höhen.
Mittlerweile sind wir bei 120 Mrd. € allein für Griechenland angelangt, und es sieht alles danach aus, als ob das noch lange nicht das Ende der Fahnenstangen wäre: der eine meint, mit 300 Mrd. € könnte man die Märkte beruhigen, ein anderer rechnet die kommenden Bailout-Kosten auf 800 Mrd. hoch (diese Beträge entnehme ich den Blog-Eintrag "How Much is Needed to Bail Out Greece? $159 Billion? $794 Billion? Estimates Vary Wildly as Greece Turns Viral; S&P Downgrades Spain" des US-Anlageberaters Mike Shedlock ("Mish").
Dass wir von den gut 8 Mrd. €, die wir zum aktuell geplanten Griechenland-Kredit (richtiger: "Kredit"!) beisteuern sollten, nicht allzu viel wiedersehen würden, war mir klar. Andererseits hatte ich gehofft, dass die Griechen sich dann doch ein wenig am Riemen reißen würden und man mit diesem Opfer ein größeres Unglück verhindern könnte.
Wenn ich jetzt z. B. im heutigen Handelsblatt-Bericht "Bund drohen Belastungen bis 30 Milliarden Euro" lese: "Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach in Brasilien von insgesamt 135 Milliarden Euro Finanzierungsbedarf bis 2012" muss ich mir eingestehen: Ich bin zu schnell eingeknickt. Denn ganz abgesehen, dass auch dieser Betrag schon viel zu hoch ist, wird es dabei nicht bleiben. Portugal, Spanien, eines Tages vielleicht auch Italien stehen schon auf der Matte (und in Griechenland werden sich wahrscheinlich ebenfalls noch weitere Löcher auftun, insbesondere wenn dort die Konjunktur einbricht).
Das können wir uns nicht leisten; lieber sollten wir die Defizitländer pleite gehen lassen.
Ich kehre damit zu meiner früheren Überzeugung zurück. Errare humanum est.
Sukzessive wird es immer "besser". In dem heutigen Bericht "FDP warnt vor Übertreibung der Finanzprobleme" der WELT von heute erfährt der deutsche Steuermichel nunmehr (was man - also auch ich - sich freilich schon vorher an den fünf Fingern hätte ausrechnen können), nämlich dass alles, was man bisher gehört hat, weit hintertrieben war:
"Nach Angaben führender EU-Abgeordneter muss Deutschland deutlich mehr an Griechenland-Hilfen bezahlen als bisher geplant. Der Chef der deutschen Unions-Abgeordneten im EU-Parlament, Werner Langen (CDU), sagte WELT ONLINE: „Ich gehe davon aus, dass Deutschland beim Hilfspaket für Griechenland deutlich mehr als 8,4 Milliarden Euro zahlen muss, weil einige hoch verschuldete Euro-Länder nicht mitmachen können. Spanien müsste 3,6 Milliarden Euro an Griechenland-Hilfen zahlen, Portugal 770 Millionen Euro - aber es ist sehr unsicher, ob sie sich beteiligen werden. Die fehlenden Beträge müssten dann andere Länder wie Deutschland ausgleichen“."
Nachtrag 08.05.2010
Heute, am Tag der deutschen Kapitulation vor 65 Jahren, hat uns Angela Merkel an die Südeuropäer einerseits, und an die Anleihebesitzenden andererseits verraten!
Nachtrag 17.07.2010
Nicht unterschlagen will ich den Handelsblatt-Artikel vom 17.07.2010: "Zwischenbericht: IWF lobt griechische Reform-Fortschritte":
"Lob vom Internationalen Währungsfonds: Der IWF zeigt sich zufrieden mit dem strikten Sparkurs und den Reformbemühungen im krisengeschüttelten Griechenland. Die Regierung mache „erhebliche Fortschritte“. Positives ist auch von der Bankenbranche zu vernehmen."
Textstand vom 12.08.2019
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