Mittwoch, 5. September 2007

DER Blog oder DAS Blog?

Der "Freundin"-Blog vom 04.07.2006 freute sich über eine salomonische Entscheidung der Duden-Redaktion (die ich seinerzeit gar nicht mitbekommen hatte): beide Artikel, "der" ebenso wie "das" sollen danach jetzt dem Blog voranschreiten dürfen (oder ihn als Relativpronomen vertreten). (Hier zum Bericht "Duden beendet Blog-Streit. Zwischen 'Blödsinn' und 'blöken' " der Tagesschau vom 07.07.2006) Viele Bloggerinnen und Blogger fühlen sich aber anscheinend in solchen Freiräumen des grammatisch Erlaubten unwohl und möchten lieber in den sicheren Gleisen des Richtigen wandeln.

(Nachfolgend die Links zu einigen Diskussionen, wie sie derzeit gerade auf den vorderen Google-Plätzen erscheinen:
"Indiskretion Ehrensache" (Handelsblatt); "Das-nicht-der-Blog" ; "Koehntopp" ; "Beissholz";
"Suchmaschinen-Optimierung-SEO-Info"; "Pepilog"; "selbr.de"; "Sichelputzer" ; "Sendungsbewusstsein"; "Henning Schürig"; "medienjunkie"; "turi-2-Blog"; "blogg.zeit" .)

Richtig muss es heißen „das Blog“. Meinen jedenfalls die Anhänger des Neutrums, und bislang war auch ich dieser Meinung. Trotzdem flutschte mir immer wieder „der“ oder „meinen“ („ihren“, „seinen“) Blog aus der Feder. Die Macht von – was eigentlich? – war stärker als das, was ich hätte wissen sollen und bei theoretischen Reflexionen auch wusste.
Nun ist das mit dem „richtigen“ Artikel beim Blog nicht ganz so eindeutig, wie die Verfechter des Sächlichen behaupten. Das Wort „Blog“ ist lediglich eine Abkürzung von "Weblog“. Und „Weblog“ (deutsch) leitet sich nicht von „Logbuch“ her, sondern von „Weblog“ (englisch).
(Rein abstrakt könnte man sich (dt.) "Weblog" natürlich auch von "Weblogbuch" abgeleitet denken, aber das liegt mit Sicherheit weit ab von der wirklichen Wort-Übernahme aus dem Englischen ins Deutsche, zumal "Web" im Sinne von "Uäbb" kein deutsches Wort ist).

Die Entscheidung, die Sache im Deutschen mit dem gleichen Wort zu bezeichnen wie im Englischen, ist willkürlich (aber keineswegs schlecht!). Der Wortbestandteil (engl.) „log“, der sonst z. B. auch den Klotz bezeichnen kann (wovon das Logbuch wiederum abgeleitet ist – vgl. den Wikipedia-Eintrag), meint in der Zusammensetzung „Weblog“ natürlich „Logbuch“, so dass man erst auf dem Umweg über die deutsche Übersetzung (und Zerlegung) eines englischsprachigen Begriffs das sächliche Geschlecht gewinnt. Immerhin ist das eine, wenn auch sehr indirekte, Ableitung aus bereits vorhandenem Sprachmaterial.


Eine mögliche (und tatsächliche) Funktion von Weblogs ist es, Ereignisse festzuhalten; insofern stellt es eine Art Chronik dar.
Man kann sein(en) Weblog aber auch ganz oder vorwiegend oder teilweise auf einer mehr subjektiven Ebene führen, im Sinne eines Tagebuchs (gewissermaßen die Nach-Läufer eines "diario in pubblico"). Ein solches kann ebenso Ereignisse (Erlebnisse) schildern, wie Reflexionen enthalten.

Das Publikations-Medium Internet zwingt aber den Autoren ebenso wenig eine bestimmte Textform oder inhaltiche Ausrichtung auf, wie das Buch. Man kann also auch Betrachtungen, Erörterungen, Essays und andere Textformen veröffentlichen (und, über die Möglichkeiten eines Buches hinaus gehend, sogar Diskussionen führen). Lediglich für fachwissenschaftliche Texte dürfte die Blog-Form eher weniger geeignet sein.

Jedenfalls ist ein Blog kein Buch und das Neutrum nicht zwingend für Blogs (richtig: hier habe ich mich um den Artikel herumgedrückt!). Ein deutscher Genus - sachlich oder männlich - ist dem englischen Wort "Blog" in keiner Weise direkt zu entnehmen. Im Grunde ist es deshalb lediglich eine Kovention, ob wir "der Blog" oder "das Blog" sagen. Rein gefühlsmäßig tendiere ich (ohne dass ich das begründen könnte) bei "Weblog" eher zu dem Artikel "das" und bei "Blog" zu "dem". Woher das kommt, weiß ich nicht; vielleicht habe ich es damals, als ich anfing zu bloggen, bzw. mich über das Bloggen informierte, so aufgeschnappt, obwohl seinerzeit wohl das "das" noch überwog (in irgendeiner der oben verlinkten Diskussionen wird behauptet, dass sich Alt-Blogger und Neu-Blogger bei der Verwendung des Artikels unterscheiden: "das" für die Alten, "der" für die Jungen. Dabei klang Stolz durch: "Wir alten Hasen", "Wir Pioniere des Bloggens". Doch lässt sich dieser Spieß sich unschwer umdrehen: "Diese Alten"! Während ich mich dagegen, beim Bloggen wenigstens, stolz zur Blogger-Jugend oder zu den Jung-Bloggern zählen dürfte.)

Natürlich leuchtet mir die (wenn auch indirekte) etymologische Begründung für den Artikel "das" ein; dennoch drängt sich bei mir immer wieder das "der" in die Feder (bzw. die Pronomen "seinen", "ihren" usw.).
Welches Genus bevorzugt die Praxis? Folgende Trefferzahlen liefert Google:
"Der Blog" = 1.140.000 Treffer.
"Das Blog" = 1.440.000 Treffer, also deutlich mehr. Außerdem wird man bei "der Blog" noch zahlreiche Textstellen abziehen müssen, in welchen der männliche Artikel lediglich in didaktischer Absicht verwendet wurde (etwa: "Es ist falsch, 'der Blog' zu sagen").
Auch die Suche mit Possessivpronomen:
"Sein Blog" = 538.000,
"Seinen Blog" nur knapp 84.000,
hilft wenig, weil zwar "seinen" eindeutig maskulin ist, aber "sein" sowohl das eine wie das andere sein kann; man würde also Äpfel mit Birnen vergleichen.

Fazit also: Das Neutrum scheint zu überwiegen; das Maskulinum ist aber gleichfalls stark vertreten.
Ob es "im Kommen" ist, müsste ein diachronischer Vergleich zeigen; vielleicht komme ich in einigen Jahren auf das grammatikalische Gewissens-Ringen der Blogger-Gemeinde zurück.
Aber was soll ich jetzt tun?
Meiner Neigung folgen und meinen Blog fortführen?
Oder den an-schlüssigeren Argumenten folgen - und mein Blog fortführen?

Vielleicht könnte mir die "Feministische Linguistik" aus dem Dilemma helfen, aber diese Art von Wissenschaft ist, fürchte ich, auch nicht interessenfrei.

So blogge ich zunächst einmal ganz unbefangen vor mich hin. Und hoffe, für meine Blog-Einträge Leser(innen) zu finden. Selbst wenn ich von "dem Blog" rede.


Nachtrag vom 09.09.2007:

iacta est: allein das Maskulinum verheißt uns die muttersprachliche Seligkeit!
Es scheint im Deutschen ein ungeschriebenes Sprachgesetz oder eine Sprachgewohnheit zu sein, dass Worte, die auf „g“ enden, maskulin sind. Falsch sagen Sie: „Die Brigg“ [Link Wiki] ist feminin? Richtig! Also muss ich das vermeintliche oder tatsächliche Gesetz neu formulieren: Worte, die nach einem Vokal – insbesondere einem langen – mit einfachem „g“ enden, sind männlich:
Der Hag, der Schlag;
Der Krieg, der Sieg,
Der Steg, der Weg,
Der Smog, der Sog, der Trog,
Der Bug, der Flug, der Trug (auch „der Lug“, aber dieser Begriff wird ja fast nur noch in der Wendung „Lug und Trug“ verwendet); der Zug.
Auch im sprachlichen Umfeld sind z. B. „Block“, „Bock“ und „Rock“ ihrem grammatischen Geschlecht nach sämtlich männlich.
Deshalb habe ich mich dafür entschieden, das aus der fremden Sprache übernommene Wort denjenigen (wenn auch vielleicht nur unterschwellig bestehenden) Zuordnungsregeln zu unterwerfen, denen auch die anderen deutschen Worte mit Selbstlaut und anschließendem einfachem „g“ als Auslaut gehorchen. Für mich heißt es also in Zukunft nur noch „der Blog“, „meinen Blog“, „seinen Blog“, „ihren Blog“ oder „euren Blog“. Schließlich sagen wir ja z. B. auch "Der Small Talk" und nicht "Das Small Talk"!

Sollen doch die altvorderen Blogger wie sprachliche ABC-Schüler in den Ketten ihrer beflissenen Übersetzungs-Grammatik verschmachten! So, wie das „Junge Deutschland“ die teilweise noch dem alten verhaftete deutsche Sprache durchlüftet hat, ergreife ich souverän Besitz vom fremden Wort und lasse es hübsch Männchen machen: DER Blog, DER Weblog!!!



Textstand vom 09.09.2007. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
finden Sie eine Gesamtübersicht meiner Blog-Einträge.

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