Montag, 10. November 2008

Hinter dem Vorhang der Welt-Wirtschaftskrise wartet die Welt-Umweltkrise auf das Stichwort zum Auftritt

Diese Meinung habe ich bereits in mehreren meiner Blotts zur Finanzkrise oder Finanzmarktkrise 2008 geäußert. Und auch die Vermutung, dass insbesondere die in den letzten Jahren vom Markt zunehmend eingepreiste geologische Rohölverknappung einer der Kausalfaktoren für die Wirtschaftskrise, bzw. zumindest für deren Heftigkeit, ist. Über die letzte Annahme kann man streiten; es ist ohnehin relativ unwichtig, was gestern war.

Interessant für uns ist, wie die Welt, und zuerst die Umwelt, morgen voraussichtlich aussehen wird. Ich meine: nicht gut.
Deshalb formuliere ich hier meine Zukunftserwartungen noch einmal sozusagen als mein "ceterum censeo" in einem eigenständigen Blott.
Das Stichwort für den Übergang von der Wirtschaftskrise zur akuten Umweltkrise könnte "Konjunkturprogramm" lauten.

Die deutschen Maßnahmen im Volumen von 25 Mrd. Euro für 2 Jahre werden wirtschaftlich wenig bewegen, dafür aber auch weniger Umweltverbrauchend sein.
Bei China mit seinem Konjunkturprogramm von 460 Milliarden Euro für die nächsten beiden Jahre [en passant: wieso zahlen wir eigentlich noch Entwicklungshilfe an ein Land, das solche Summen mobilisieren kann???] sieht das schon anders aus.
Und wenn erst einmal die USA, wie zu erwarten, unter dem zukünftigen Präsidenten Barack Obama richtig Gas geben (mit kombinierten monetaristischen und fiskalischen Mitteln), rasen wir sofort gegen die gleiche Wand jener nach oben offenen Skala, die sich im Juli dieses Jahres schon zu Ölpreisen von 150,- Dollar pro Barrel aufgetürmt hatte.
Und dann?

Ich denke allerdings, dass die Preissteigerungen beim Rohöl (und auch bei anderen Rohstoffen) uns einen Blick in den Abgrund eröffnet haben. Auch wenn die Menschen nicht darüber reden: das Entsetzen steckt ihnen in den Gliedern, Schreckstarre unterdrückt Kaufimpulse (für Automobile).
Notenbanken und Regierungen jedoch setzen alles daran, die Konsumentenherde (und die Welt) über die Klippen zu treiben.


Nachtrag 16.11.08
Es ist vielleicht nützlich, gelegentlich einen Schritt zurück zu treten von der Krisendiskussion und die Entstehungsgeschichte und Bedeutungsgeschichte des Krisenbegriffs zu reflektieren. Gerhard Masur gibt uns im "Dictionary of the History of Ideas", das in einer älteren Auflage online verfügbar ist, einen solchen Überblick unter dem Stichwort "CRISIS IN HISTORY".


Nachtrag 22.11.08:
Meine Auffassung, dass die "Finanzkrise" (und die bei oberflächlicher Betrachtung nur daraus entstandene Wirtschaftskrise) eine wesentliche (Mit-)Ursache darin hatte, dass der Markt durch die Rohölverteuerung eine Erdölverknappung signalisiert hat, sehe ich durch einige Informationen aus dem Zeit-Artikel "Autokrise. Fliegen wir aus der Kurve?" von Uwe Jean Heuser und Dietmar H. Lamparter (20.11.08) bestätigt. U. a. erfahren die Leserinnen und Leser dort:
"... schon bevor die Konjunktur abschmierte, setzte eine andere umwälzende Entwicklung ein: Viele Käufer entsagen dem Größer und Stärker der vergangenen Jahrzehnte, sie finden Fahrzeuge cool, die wenig verbrauchen, wenig Steuern kosten und das ökologische Gewissen erleichtern.
Nicht bloß die Amerikaner haben 2008 die großen Geländewagen und Achtzylinder-Limousinen auf den Höfen der Autohändler stehen lassen. Auch die Deutschen denken um. Sie kauften fast ein Drittel mehr solcher Autos, die relativ wenig Klimagifte in die Luft blasen und höchstens 5,9 Liter Sprit auf 100 Kilometern verbrauchen. Das Symbol dafür ist der Stadtwagen Smart, mit dem Daimler erstmals Geld verdient. Und entsprechend ging der Absatz der Benzinschlucker kräftig zurück. .......
Dass sich die Präferenzen ändern, habe sich in Deutschland »schon seit fünf Jahren schleichend abgezeichnet«, sagt Burkhard Weller aus Berlin, einer der größten Autohändler der Republik. ... »Viele Leute haben auc... Angst, dass sie sich Mobilität nicht mehr leisten können. Sie wollen zukunftssichere Autos«, weiß Bernd Wieland, Chefredakteur von Auto Bild ...
."


Nachträge 23.11.08:

"How low can oil go? A lot lower, but it'll recover" meint Christopher Johnson auf der Webseite africa.reuters.com (13. November 2008).

Lionel Laurent meint bei "Forbes": "$50 Oil No Reason To Party. The lower oil prices fall, the more difficult the global economic recovery will be" v. 20.11.08:
"... prices can't keep falling without doing some serious damage to future supply. ..... With oil already below the cost of production for a lot of projects, there will be little incentive to look for new supplies if oil prices keep sinking lower".
Die Möglichkeit eines Rohölmangels erwächst natürlich nicht nur aus zu geringen Rentabilitätsschwellen für bestimmte Erschließungsprojekte, sondern weitaus mehr (und unumkehrbar) aus dem Erreichen des Ölfördergipfels.

Nachtrag 26.11.08:
Das Handelsblatt vom 24.11.08 bringt ein längeres Interview von Andreas Rinke mit dem Gazprom-Chef Alexej Miller Die Zeiten von billigem Gas und Öl sind vorbei. Der sagt, was Sache ist:
"Die Zeiten der billigen Kohlenwasserstoffe wie Öl und Gas sind vorbei. Bereits früher haben wir ein spürbares Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem internationalen Ölmarkt für 2012 vorhergesagt. Denn die Investitionen, die für die Deckung dieser Lücke erforderlich gewesen wären, wurden nicht zum richtigen Zeitpunkt getätigt, also schon 2005. Neue Vorkommen müssen zudem mit einem immer größeren technischen Aufwand erschlossen werden. .....
Der aktuelle Rückgang des Ölpreises ist noch kein Hinweis darauf, dass dieses Ungleichgewicht 2012 nicht doch noch eintreten wird. Ganz im Gegenteil: Auch jetzt investieren die Ölunternehmen wegen der Finanzkrise nicht ausreichend in die Förderung. Dies führt zwangsweise zu einer noch größeren Lücke an Erdöl und Ölerzeugnissen. Dies wiederum wird sich auch im Ölpreis widerspiegeln. Ganz bestimmt wird der Gaspreis daher noch vor 2012 einen neuen historischen Spitzenwert erreichen.
"
Freilich bezweifele ich, dass nur Kapitalmangel eine ausreichende Förderung verhindert: es ist halt nicht mehr genug da von dem Zeug.


Nachtrag 07.12.08:
Der Wiener Blogger Alexander Schatten, auf dessen Blog "(AN)SICHTEN" ich mich schon des öfteren zustimmend bezogen habe, hat unsere ökonomisch-ökologische Situation unter der Überschrift "Cocktails am Strand" auf beeindruckende Weise visualisiert. Sein Eintrag schließt wie folgt:
"Im Moment sitzen wir im Liegestuhl am Strand und können das Problem nicht lösen welchen Coctail wir uns als nächstes bestellen wollen, während der Tsunami schon deutlich sichtbar heranrollt. Und die anderen am Strand? Sie machen dasselbe wie wir. Daher ist jeder für sich ja im Prinzip beruhigt, denn die anderen laufen nicht davon, sondern sind in aller gebotenen Ruhe mit ihren Dingen beschäftigt. Dann kann es ja nicht so schlimm sein. Der Strandwärter hat zwar schon vor einer halben Stunde, Alarm geschlagen, das aber haben wir nicht gehört weil die Diskomusik am Strand so laut ist.
Und was ist mit denjenigen die sich den Strand noch nicht leisten können? Sie rütteln an den Gittern des Luxushotels und können den Tsunami nicht sehen: ihre einzige Sorge ist es so schnell wie möglich einen noch größeren Coctail zu bekommen, was aus deren Sichtweise verständlich aber im Ganzen betrachtet deshalb nicht weniger absurd ist
."


Nachtrag 22.02.2009:
Wo die Not am größten, ist das Rettende am nächsten: "SEC erlässt neue Bilanzregeln für Öl- und Gasindustrie" berichtete FAZ.net schon am 30.12.2008:
"WASHINGTON (Dow Jones)--Die US-Börsenaufsicht lässt demnächst eine sportlichere Bilanzierung von Öl- und Gasfeldern zu. Ab dem Jahr 2010 können den geänderten Richtlinien der SEC (Securities and Exchange Commission) zufolge auch nicht nachgewiesene Reserven in den Unternehmensbilanzen aufgeführt werden. Die Entscheidung der SEC wurde am Montag veröffentlicht. Laut Beobachtern wird das zu einem deutlichen Anstieg der in den Unternehmensabschlüssen ausgewiesenen Öl- und Gasreserven führen."
Na also: haste keine, bilanzierste dir welche (Reserven)! Zwar klingt die für die Änderung angeführte Begründung durchaus vernünftig:
" 'Die geänderten Regeln tragen den erheblichen Veränderungen in der Öl- und Gasindustrie Rechnung, die es seit Einführung der bisherigen Grundsätze vor mehr als 25 Jahren gegeben hat', sagte John White, Leiter des Bereichs Unternehmensbuchhaltung bei der SEC"
und die folgende Änderung erscheint auf jeden Fall sinnvoll:
"Als weitere Änderung werden die Reserven künftig mit dem Durchschnittspreis der vorangegangenen zwölf Monate bewertet statt mit dem zum Bilanzstichtag ermittelten Marktpreis".
Gleichwohl frage ich mich, auch vor dem Hintergrund, dass die SEC durch die Nicht-Aufdeckung der Madoff-Begrügereien (trotz zahlreicher massiver Hinweise im Vorfeld) weitgehend unglaubwürdig geworden ist, ob hier nicht (auch) die Öffentlichkeit über den Ernst der Ressourcensituation getäuscht werden soll.


Nachtrag 27.04.2009
Ölkrise - was war das? In einem ausführlichen und eindringlichen Artikel erinnert uns James Quinn an Peak Oil - und prognostiziert uns ein baldiges böses Erwachen voraus. Denn aus der Preissteigerung Mitte 2008 haben wir keine Konsequenzen gezogen und wiegen uns wegen des rezessionsbedingten aktuellen Preisverfalls in falscher Sicherheit: "WASTING A GOOD CRISIS: RESULT - $200 OIL" von ? 2009.



Textstand vom 27.04.2009. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
finden Sie eine Gesamtübersicht meiner Blog-Einträge (Blotts).
Soweit die Blotts Bilder enthalten, können diese durch Anklicken vergrößert werden.

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