Samstag, 8. November 2008

Finanzkrise: Linksammlung von Prognosen


Hinweis (erg. 1.1.2018):
Vorliegend geht es um Prognosen aus der Zeit der Finanzkrise für die mutmaßliche weitere wirtschaftliche Entwicklung.
Vorhersagen der Krise aus der Zeit davor (also vor 2007) habe ich in dem Blott "Die Krakenarme der Finanzkrise kriechen auf unseren Kontinent" vom 29.09.2008 ff. gesammelt.
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Die Idee kam mir bei der Lektüre des Interviews "Wirtschaftlicher Selbstmord" der Wirtschaftswoche (vom 01.11.08; Interviewpartner Matthias Kamp) mit dem "Investmentguru" Marc Faber: Prognosen (Voraussagen, Vorhersagen) über den weiteren Verlauf der aktuellen Wirtschaftskrise zu sammeln.


Zunächst strecke ich aber selbst den Kopf aus dem Fenster: wie schwer schätze ich die Krise ein und welchen Verlauf erwarte ich?
Ich gehe davon aus, dass wir schon in Kürze ein rasantes Ansteigen der Arbeitslosenzahlen und der Unternehmensinsolvenzen sehen werden. Die Prognosen des IWF, wie sie das Handelsblatt am 06.11.2008 berichtete ("IWF erwartet 2009 Weltrezession"), und die z. B. für Deutschland einen Rückgang um lediglich 0,8 Prozent erwarten, halte ich für einen Witz; ebenso die Erwartungen für die entwickelten Länder (./. 0,3%) und für die Weltwirtschaft insgesamt (da erhofft man sich sogar noch ein Wachstum von 2,2%).
Ich erwarte keine Rezession. Sondern eine Depression. Mit massiven Einbrüchen von sicherlich über 10%.
Ich vermute mal, dass die Ökonomen ihre Prognosen daraus ableiten, dass sie sich aggregierte, also zusammengefasste Daten, Makro-Daten, anschauen. Hört man dagegen Stimmen aus der Mikroebene, sieht es grauslich aus.
Z. B. eine Meldung über den Absturz der Lkw-Bestellungen bei Volvo, hier von einem Börsenhändler reflektiert (meine Hervorhebungen):
"Ein Börsianer äußerte sich dazu ebenfalls bestürzt. ´Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Im dritten Quartal hat Volvo gerade einmal 115 Neubestellungen erhalten - im Vorjahr waren es in diesem Zeitraum fast 41.970. Und das ist kein Schreibfehler."
Wir werden aus dieser Misere nicht herauskommen, sondern tendenziell immer weiter reinrutschen.
Zum einen wird der tiefere Grund der Finanzkrise in der herrschenden Meinung und der breiten Öffentlichkeit nicht identifiziert: das automatische Versickern des Kapitals in den Taschen der Reichen (vgl. meinen Blott "Yes, we know! Zumindest könnten wir die eigentlichen Gründe für die neue Weltwirtschaftskrise kennen."). Selbst wenn wir ihn erkennen und zu reparieren versuchen würden, könnten wir wahrscheinlich wenig dagegen ausrichten. Nicht weil die Kapitalbesitzer die Macht hätten, oder weil sie die Politiker korrumpieren würden: das Versickern des Geldes, des Lebensblutes der Wirtschaft, in den Taschen der Besitzenden scheint mir Systembedingt. Unser kapitalistisches System hat uns für lange Zeiträume eine blühende Wirtschaft gebracht. Man wird indes den Kapitalbesitz nicht vom Kapitalismus trennen können, ohne das System zu zerstören oder in seiner Wirkungsweise, seiner Effizienz, schwer zu beschädigen.

Zum anderen stehen wir hier nicht nur vor einer Finanzkrise, sondern vor dem Ende des Industriezeitalters. Von allen Seiten klopfen die Warnzeichen immer heftiger an unsere Türen: Klima, Ressourcenverbrauch. Sogar der Markt hat in den letzten Jahren durch den exorbitanten Preisanstieg für Rohöl erstmalig die geologische Verknappung des Öls eingepreist (eine akute Marktverknappung gab es ja nicht: Tanks und Tanker waren noch voll von dem Zeug); das hat übrigens aus meiner Sicht auch wesentlich zur aktuellen Krise, zumindest zu ihrer Stärke, beigetragen (vgl. meinen Blott "Finanzmarktkrise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise? Nein: Rohstoffkrise! Notenbanken, Geldpolitik und Konjunkturpakete sind deshalb am Ende").
Ich gehe zwar davon aus, dass das kapitalistische System tatsächlich vor seinem Ende steht. Das aber nicht wegen seiner inneren Widersprüche; es ist ein auf Wachstum angelegtes Wirtschaftssystem, und diesem Wachstumsdrang und Wachstumszwang gehen die natürlichen Grundlagen, die Rohstoffe, aus: zunächst das Erdöl, dann verschiedene Buntmetalle und Seltenmetalle, in den nächsten Jahrzehnten irgendwann sogar das Phosphat, womit uns dann ein wesentlicher Dünger fehlt und die landwirtschaftlichen Erträge wegbrechen werden.Und die anderen Energierohstoffe außer Erdöl (Uran, das Deutschland derzeitig hochmütig verschmäht, und Kohle) halten auch nicht mehr lange.
Wir werden in eine Art dauerhafter Kriegswirtschaft, mit ständig verschärften Rationierungen, hereinrutschen: von Wachstum, oder vom fehlenden Wirtschaftswachstum im Sinne eines konjunkturellen Problems, wird dann keine Rede mehr sein.
Selbst wenn es jetzt Regierungen und Notenbanken gelänge, die Konjunktur mit der Brechstange anzukurbeln (oder die Konsumenten durch Abwurf von Geldscheinen per Hubschrauber zum Geldausgeben zu verleiten), zöge uns der Markt (mit der Natur im Rücken) das Geld sofort wieder über Preisanstiege bei Benzin und Heizöl aus der Tasche. Wer will bei dieser Perspektive noch Automobile kaufen? Auch wenn dieser Sachverhalt noch nicht breit diskutiert wird (weder in der veröffentlichten Meinung noch in privaten Unterhaltungen): die Leute sind ja nicht blöd. Selbst wer lediglich die Bild-Zeitung liest, kommt bei Rohöl-Preissteigerungen um 50% und mehr ins Grübeln. Und derartige Informationen fließen auch in die (Nicht-)Kaufentscheidung für Automobile ein.
Automobile, Pkws vor allem, stehen aber im Zentrum der deutschen Wirtschaft; wenn dieser Wirtschaftszweig zusammenbricht, ist die K. am dampfen.

Joschka Fischer fordert in der ZEIT Online vom 04.11.2008, "Die Krise als ökologische Chance" zu nutzen und ein riesiges Konjunkturprogramm aufzulegen. Doch wie er das sagt, und wie er das begründet, lässt mich daran zweifeln, dass er den Abgrund sieht, vor dem wir stehen.
"Wenn der Staat in dieser kommenden Wirtschaftskrise antizyklisch agieren will, dann wird er in völlig anderen Größenordnungen planen müssen. Und das heißt konkret: Eher in der Dimension der deutschen Einheit als in den Größenordnungen der bisher üblichen Konjunkturprogramme" - das ist, trotz allem, ein Denken in Kategorien der Wirtschaftspolitik, nicht der Umweltpolitik.
"Ein großes Investitionsprogramm zur Rettung des Weltklimas und zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaften wird hingegen dankbar erinnert werden, selbst wenn es schuldenfinanziert wurde, denn es sind Investitionen in die Zukunft." Der Kampf gegen den Klimawandel ist Umweltpolitik, gewiss. Aber Fischer sieht diese doch wesentlich auch unter dem Gesichtspunkt, die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Das aber wird, fürchte ich, mangels verfügbarer Ressourcen-Masse unmöglich sein.
Blut und Arbeit, Tränen und Schweiß wären jetzt das angebrachte Versprechen für die Völker. Nur winkt uns bei unserem Marsch in den Sumpf kein Sieg (hier z. B. wird darüber diskutiert, was auf uns zukommen könnte).

Well, so much for my predictions.
Jetzt aber zu Marc Faber; der hat natürlich in erster Linie die Schnittstelle der Realwirtschaft zur Finanzwirtschaft im Blick (und hatte übrigens bereits im Oktober 2005 "die geradezu selbstmörderisch expansive Geldpolitik von Alan Greenspan", also der amerikanischen Notenbank - Fed, Zentralbank - scharf kritisiert) (meine Hervorhebungen).
Zur Frage, ob wir vor einer weltweiten Rezession stehen:
"Eine weltweite Rezession ist unvermeidlich. Die Frage ist, ob es wie bei einem „V“ zunächst steil bergab geht und dann schnell wieder nach oben oder wie bei einem „L“ senkrecht nach unten, und das Wachstum lange flach bleibt. Ich glaube, dass Letzteres eintreten wird."
Über die voraussichtliche Wirksamkeit von Konjunkturspritzen):
"Wenn sich die Wirtschaft dadurch [durch Deficit Spending der US-Regierung] aber immer noch nicht erholt, werden die Zentralbanken in aller Welt Geld drucken, und dann bekommen wir eine massive Inflation. Die US-Notenbank versucht zur Lösung des Problems erneut, das Kreditwachstum zu beleben. Das ist ein großes Problem."
Zum US-Haushaltsdefizit und zur Verzinsung der US-Staatsanleihen:
"Die Leistungsbilanzüberschüsse der Länder in Asien ... werden massiv fallen. Deshalb ist weniger Geld da, um die Staatsanleihen zu kaufen. Dass man den Amerikanern noch das Spitzen-Rating AAA gibt, ist lächerlich. Am Ende werden sie, um ihre Anleiheschulden bezahlen zu können, noch mehr Geld drucken."
Zu einer möglichen Hyperinflation:
"Zunächst werden wir deflationäre Tendenzen sehen. Häuser sind billiger, Aktien und Rohstoffe auch – und die Banken kürzen überall die Kredite. Aber Regierungen und Zentralbanken stopfen ohne Ende Liquidität ins System. Das ist grauenhaft. Wozu so etwas führen kann, sieht man in Simbabwe: in eine Depression mit Hyperinflation."
Welche Länder die Wirtschaftskrise am härtesten treffen wird:
"Bei vielen Unternehmen, etwa bei Herstellern von Textilmaschinen, brechen die Aufträge regelrecht weg. Das trifft weniger die USA, sondern eher Europa und ganz besonders Deutschland. Es geht alles nach unten – ein synchronisierter Absturz."
Zur amerikanischen Wirtschaftsstatistik:
"Die Chinesen haben natürlich von den Amerikanern gelernt, wie man Wirtschaftsdaten frisiert."
Und schließlich zur Entwicklung der Rohstoffpreise:
"Rohstoffe sind ... immer noch nicht billig, obwohl sie kräftig eingebrochen sind. Langfristig dürften die Preise wieder steigen, denn der grundsätzliche Trend bleibt intakt: der Einstieg von drei Milliarden Menschen, die unter Sozialismus und Kommunismus gelebt haben, in die Weltwirtschaft. Einen Ölpreis von 150 Dollar sehe ich aber für längere Zeit nicht mehr. Ebenso wenig einen Ölpreis von zehn Dollar. Schon bei einem Preis von 40 Dollar geht der Nahe Osten pleite, weil die Förderkosten in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sind."
[Nachtrag 04.01.2009: Zum Thema "frisieren" bzw. "fälschen" von Wirtschaftsdaten] hat die Marxistin / Kommunistin Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete für "Die Linke", auf ihrer Homepage am 15.11.2008 einige interessante Informationen eingestellt "Rezession weggerechnet - Vorabdruck aus dem Buch 'Wahnsinn mit Methode'. Wie mit Bluff und Schwindel ökonomische Kerndaten manipuliert werden." Auch wenn Frau Wagenknecht gewiss nicht meine ideologische Kragenweite ist, kann ich die Lektüre dieses Auszuges nur empfehlen.
(Ihr kürzlich erschienenes Buch "Wahnsinn mit Methode: Finanzcrash und Weltwirtschaft" wird von fast allen der bislang 12 Amazon-Kundenrezensenten (die nach eigenen Angaben größtenteils mit dem Marxismus nichts am Hut haben) sehr positiv beurteilt.) Erg. 22.1.09: Auch in dem heutigen Beitrag "Marx bleibt im Käfig" im "weissgarnix"-Blog (Blogger Thomas Strobl und Frank Lübberding) wird das Wagenknecht-Buch außerordentlich positiv besprochen.]


Er ist selbst keine Prognose, aber (nach meiner Einschätzung) ein wichtiges Indiz für Prognosen über unsere wirtschaftliche Zukunft: der Handelsblatt-Bericht "Unternehmensfinanzierung. Wenn die Fälligkeit droht" von Marcus Hennes und Susanne Metzgervom 18.11.08. Wenn die Zinsen für die Industrie derart steigen, wird die Produktion bzw. werden zumindest Neuinvestitionen (auch) dadurch behindert werden. Im übrigen stellt sich die Frage, wie man die Informationen des Artikels ansonsten einordnen muss.
- Versuchen die Banken bzw. Kapitalbesitzer hier, ihre Verluste durch Wucherzinsen wieder hereinzuholen?
- Wie wirkt sich das Verteilungpolitisch aus? Falls wir eine ökonomische Depression mit Deflation bekommen, wären die Realzinsen noch höher als die ohnehin schon astronomisch hohen Nominalzinsen (genau das war eines der Probleme in der Weltwirtschaftskrise um 1930).
- Wie bewerten wir diesen Sachverhalt als Steuerzahler, bzw. wie könnte die Politik gegensteuern? Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass sich die Kapitalbesitzer jetzt mit dem Geld, was Notenbanken und Regierungen ihnen in den Arsch stopfen, auch noch in der Weise zu unseren Lasten mästen, dass sie Mondzinsen verlangen, welche dann wieder auf die Preise durchschlagen werden (sofern keine Deflation eintritt)?
- Sind die für Automobilfirmen besonders hohen Zinsen Ausdruck eines extremen Vertrauensverlustes in diese Branchen? Wenn ja: Müssen wir das als Ausdruck einer "wisdom of the crowds", einer "Schwarmintelligenz" oder des 'Martkwissens' werten und entsprechend pessimistisch für diese Branche sein?
- Und was ist mit der Staatsbürgschaft für Opel? Die verzerrt ja den Wettbewerb noch weitaus stärker, wenn Opel dadurch weit geringere Zinsen zahlen müsste?


Nachtrag 07.12.08:
Fareed Zakaria hatte am 11.10.2008 im Magazin Newsweek (in der Druckausgabe am 20.10. erschienen) eine tief schürfende "COVER STORY: THE ECONOMY"
"There Is a Silver Lining
The crisis has forced the United States to confront bad habits developed over the past few decades. If we can kick those habits, today's pain will translate into gains
"
verfasst, die zugleich die Ursachen der Krise analysiert wie auch Empfehlungen für eine Bewältigung gibt.


Nachtrag 14.12.2008:
Das Handelsblatt vom 11.12.2008 berichtet über eine langsame Annäherung der Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute an die Realität: "Wachstumsprognose. Ifo: Wirtschaft schrumpft 2009 und 2010":
"Bislang stammte die pessimistischste Wachstumsprognose aus Essen [nämlich vom RWI], doch nun legt das Münchner Ifo-Institut noch einen drauf: Im kommenden Jahr werde die Wirtschaftsleistung um 2,2 Prozent zurückgehen, teilte das Institut für Wirtschaftsforschung mit. Auch 2010 werde die Wirtschaft in Deutschland noch schrumpfen."

 
Nachtrag 26.12.2008:
Unter "Wachstum. IfW toppt Negativprognosen" berichtet das Handelsblatt vom 22.12.2008:
"Frei nach dem Motto „Wer bietet weniger?“ übertreffen sich die Wirtschaftsinstitute derzeit mit schlechten Konjunkturprognosen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat nun die bisherigen Negativprognosen getoppt: Es rechnet für 2009 mit einem Schrumpfen des deutschen Wirtschaftswachstums von 2,7 Prozent. Auch die Weltwirtschaft sieht das IfW auf Talfahrt." 
 
 
Nachtrag 12.01.2009: 
 
 
Nachträge 24.01.09: 
Rückschlüsse aus vergangenen Konjunkturkrisen auf die fiskalischen und ökonomischen Folgen der vorliegenden Krise versuchen die Wirtschaftswissenschaftler Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff in ihrem Papier "The Aftermath of Financial Crises" zu ziehen: 
"A year ago, we (Carmen M. Reinhart and Kenneth S. Rogoff, 2008a) presented a historical analysis comparing the run-up to the 2007 U.S. subprime financial crisis with the antecedents of other banking crises in advanced economies since World War II. We showed that standard indicators for the United States, such as asset price inflation, rising leverage, large sustained current account deficits, and a slowing trajectory of economic growth, exhibited virtually all the signs of a country on the verge of a financial crisis — indeed, a severe one. In this paper, we engage in a similar comparative historical analysis that is focused on the aftermath of systemic banking crises." 
 
Über Probleme des Prognostizierens allgemein und konkret in der aktuellen Lage schreibt Georg Erber auf "Readers Edition": "Prognosen sind schwierig, … besonders wenn sie die Zukunft betreffen". 
 
 
Nachtrag 02.02.09 
"Vor 2012 erholt sich die Wirtschaft nicht" - es kann auch 2014 werden. Das ist die Aussage des Nobelpreisträger Paul A. Samuelson in einem Interview mit Nathan Gardels (Welt Online 20. Januar 2009). Also doch eine Great Depression. (Das glaube bzw. befürchte ich auch, und um so mehr, wenn ich in der ZEIT Online vom 29.01.09 die Lageeinschätzung von Marc Brost und Bernd Ulrich "Wirtschaftskrise in Deutschland. Jetzt mal ehrlich" lese!) 
 
 
Nachtrag 08.02.2009 
Ich müsste lügen wenn ich behaupten wollte, dass ich die schlussendliche Tendenz in dem Handelsblatt-Artikel "Konjunktur. Endet die Rezession viel schneller als gedacht?" von Olaf Storbeck vom 02.02.2009 verstehe. Zwar heißt es zunächst: 
"Drei Ökonomen der US-Eliteuniversität Stanford stellen die These auf, dass es mit der Konjunktur deutlich schneller wieder aufwärts gehen könnte als es derzeit aussieht." 
Aber dann lesen wir am Schluss: 
"Wie groß der Anteil der Unsicherheit an der derzeitigen Konjunkturkrise ist, lässt sich aus der Arbeit nicht direkt ableiten. Die Forscher sind optimistisch, dass die Nebelwand sich bald lichtet und sich allein dadurch die Lage bessert. 
Für Euphorie allerdings ist kein Platz. Im vierten Quartal war der Unsicherheitsindex noch niedriger als in der Rezession 1973/74 - mit der Konjunktur aber geht es rasant abwärts. Wenn aber die Unsicherheit heute geringer ist als in der ersten Ölkrise, könnte das bedeuten, dass der realwirtschaftliche Schock für die Konjunktur heute größer ist als damals." 
 
Vielleicht sähe ich klarer würde ich die Studie "Really Uncertain Business Cycles" von Nicholas Bloom, Max Floetotto und Nir Jaimovich von der Stanford University vom Januar 2009 selbst lesen. Aber dazu fehlt mir natürlich die Zeit. 
Zur Lektüre der Zusammenfassung hat es immerhin gereicht: 
"Abstract. 
We propose uncertainty shocks as an additional impulse driving business cycles. 
First, we demonstrate that uncertainty, measured by a number of proxies, appears to be strongly countercyclical. When uncertainty is included in a standard vector-autoregression, increases in uncertainty lead to a large drop and rebound in economic activity. Second, we build a dynamic stochastic general equilibrium model that extends the benchmark neoclassical growth model along two dimensions. It allows for the existence of heterogeneous firms with non-convex adjustment costs in both capital and labor and time variation in uncertainty, modelled as a changing variance of innovations to productivity. We find that increases in uncertainty lead to large drops in employment and investment. This occurs because uncertainty makes firms cautious, leading them to pause hiring and investment. This freezing in activity also reduces the reallocation of capital and labor across firms, leading to a large fall in productivity growth. Taken together, the freeze in hiring, investment and productivity growth lead to a business cycle sized drop and rebound in output following a rise in uncertainty." 
 
 
Nachtrag 23.02.09 
Langsam kommt Realismus in die Debatte über die Wirtschaftskrise. "Wachtumsprognose. Drastischer Wirtschaftsabsturz erwartet" berichtet heute (u. a.) das Handelsblatt über Äußerungen des Chefvolkswirts Norbert Walter (meine Hervorhebungen): 
"Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung der Deutschen Bank in diesem Jahr noch drastischer einbrechen als bisher befürchtet. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, war bislang schon pessimistisch. Nun korrigiert er seine Wachstumsprognose erneut nach unten. Statt minus vier Prozent geht Walter nun von fünf Prozent Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Der "Bild"-Zeitung sagte Walter: "Die deutsche Wirtschaft wird nur dann 2009 um lediglich fünf Prozent schrumpfen, falls wir ab Sommer einen richtigen Aufschwung haben. Aber es ist nicht auszuschließen, dass dieser Aufschwung ausbleibt. Deshalb ist auch ein höheres Minus nicht mehr auszuschließen." 
 
 
Nachtrag 24.02.09: 
Eine Prognose zu einem anderen Thema, nämlich zur zukünftig zu erwartenden Inflation, hat Thomas Straubhaar gegenüber Focus Money Online (20.02.09) abgegeben: "Star-Ökonom rechnet mit Horror-Inflation" (meine Hervorhebungen): 
"Die staatliche Verschuldungsorgie wird die Deutschen von 2010 an teuer zu stehen kommen, erwartet Ökonom Thomas Straubhaar. Geld dürfte so stark an Wert verlieren wie seit Jahrzehnten nicht. 
Der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Straubhaar erwartet schon in Kürze eine kräftige Geldentwertung in Deutschland. „Schon in einigen Monaten wird die Inflation deutlich nach oben schießen“, sagte der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) FOCUS. 
Er rechne „mit einer Geldentwertung zwischen fünf und zehn Prozent pro Jahr für die Zeit nach 2010“. Bei etwa fünf Prozent lag die Inflationsrate in Deutschland zuletzt Anfang der 1990er Jahre. Straubhaar sagte weiter, die Energiepreise würden in der zweiten Jahreshälfte 2009 wieder anziehen. Eine Verdoppelung des Ölpreises auf bis zu 80 Dollar pro Fass sei „wahrscheinlich“. 
Für die Gesamtwirtschaft äußerte sich Straubhaar vorsichtig optimistisch. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt werde zwar im ersten Halbjahr 2009 noch um rund drei Prozent schrumpfen. Auch wegen positiver Impulse aus den USA sei er „optimistisch, dass wir im Sommer die Talsohle erreichen“. 
Trotzdem werde das Gesamtjahr „bestenfalls mit einem Minus von deutlich mehr als zwei Prozent“ enden. ... Für 2010 rechnet Straubhaar damit, dass der Welthandel „wieder um mehr als drei Prozent wachsen“ werde. ... 
Der HWWI-Leiter, ein bekennender Liberaler, verteidigte die expansive Geld- und Fiskalpolitik der Bundesregierung. Die Regierung habe „keine andere Wahl“. Damit sich der Abschwung nicht zu einer Depression verfestige, müsse „der Staat klotzen und Geld in den Kreislauf pumpen“." 
 
Auch Bundesbankpräsident Axel Weber erwartet "für die Zeit nach der Rezession ... der starke Preissteigerungen". (WeltOnline von heute: "Präsident Axel Weber. Bundesbank für Ende der Konjunkturprogramme".) 
 
 
Nachtrag 26.02.09 
Auch eine Art Prognose ist der Artikel "Welthandel. Japan-Exporte als globaler Hauptindikator" von Martin Hutchinson von breakingviews.com heute auf der Handelsblatt-Webseite (meine Hervorhebung): 
"Es gibt mindestens zwei Erklärungsmöglichkeiten [für den dramatischen Rückgang der asiatischen Exporte]. Die eine ist, dass die Lieferkette an die US-Verbraucher blockiert ist, so dass ein Überhang bei den Lagerbeständen auf der Ebene der chinesischen Zulieferer hervorgerufen wurde und noch größere Überhänge in Ländern entstanden, die chinesische Montagewerke mit Fertigungsteilen versorgen. ..... Damit hätten die USA ihr Lagerbestandproblem, das durch die Rezession entstanden ist, ausgelagert und die höhere asiatische Liquidität ausgenutzt, um die Lagerbestände dort zu finanzieren. 
Die andere Möglichkeit besteht darin, dass der Rückgang der asiatischen Exporte die erste Etappe einer umfassenden Verschlechterung des Welthandels repräsentiert, der möglicherweise so drastisch ausfallen könnte, wie der Einbruch um 65 Prozent, der in den dreißiger Jahren verzeichnet worden war. ..... 
Die Handelsdaten, die in den kommenden Monaten aus Asien gemeldet werden, könnten für größere Klarheit sorgen. Wenn das Problem in einem Rückstau der Lagerbestände besteht, dann sollte es an Schärfe verlieren, wenn sich die US-Nachfrage auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert. Aber wenn sich das Exportbild Asiens weiter eintrübt, dann droht uns wohl die unheilvollere Variante." 
 
 
Nachtrag 28.02.09: 
Robert Shiller,US-Wirtschaftsprofessorund frühzeitiger Warner vor der Immobilienkrise, meint im Focus-Interview "Noch fünf Jahre Rezession" vom 10.02.09 (meine Hervorhebung): 
"Spekulationsblasen sind unvermeidlich, aber wir können sie in einer Weise managen, dass sie nicht so schlimm werden. Und meist sind diese Blasen sowieso nur klein – solche großen, wie wir sie gerade erlebt haben, sind viel seltener. Aber in absehbarer Zeit wird es wohl keine neue Blase wie mit Immobilien oder Internet-Aktien geben können – allein schon deshalb, weil wir in fünf Jahren immer noch in dieser Rezession stecken werden." 
 
Im Handelsblatt-Interview vom 29.01.09 war er sogar noch pessimistischer: "Die Krise kann noch zehn Jahre dauern": 
"Yale-Ökonom Robert Shiller entwirft im Interview mit dem Handelsblatt beängstigende Szenarien. Nur massive staatliche Hilfe könne das Schlimmste abwenden.Sonst könne die Krise noch zehn Jahre andauern. Shillers Stimme hat Gewicht - bislang lag er mit seinen Prognosen mehrfach richtig." 
 
 
Nachträge 23.03.09 
Langsam bewegen sich die Prognosen in Richtung Realismus, obwohl die Angaben von Prozentsätzen ohnehin Kaffeesatzleserei ist. 
Unter "Einbruch um bis zu 7 Prozent. Deutsche Wirtschaft steuert auf Desaster zu" berichtet das Handelsblatt vom 23.03.2009: 
"Der Wettlauf um die pessimistischste Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum nimmt kein Ende. Jetzt hat die Commerzbank mit einer neuen drastischen Vorhersage schockiert: Sie rechnet für 2009 mit einem Einbruch um bis zu sieben Prozent. Aber auch andere Ökonomen sehen die Situation mittlerweile dramatischer als bislang angenommen und malen schwarz für die deutsche Wirtschaft." (Erläuterungen zum Zustandekommen dieser Prognose gibt Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt, Commerzbank AG, im Handelsblatt-Blog "Krämers Konjunktur-Kommentar" vom 23.03.09).
 
Ohne Angaben von Prozentzahlen macht Peter Jungen im Handelsblatt-Interview "Wir unterschätzen in Deutschland die Krise" vom 20.03.2009 (Interviewer Matthias Eberle) Prognosen, die es in sich haben (und deren Eintrittswahrscheinlichkeit ich für sehr hoch halte): 
"Der Kölner Unternehmer Peter Jungen (69) war Strabag-Chef und Firmenkäufer der Treuhandanstalt. Heute engagiert er sich beim New Yorker Think Tank "Center on Capitalism and Society" und warnt gemeinsam mit US-Nobelpreisträgern wie Edmund Phelps und Joseph Stiglitz vor dem Ausmaß der Krise, für das in Deutschland das Verständnis fehle. Jungen spricht im Interview mit Handelsblatt.com von stärkeren Rückgängen als in den 30er-Jahren.". 
Textauszüge (meine Hervorhebungen): 
Frage: "Fehlt Ihrer Meinung nach das Verständnis für die Tiefe der Rezession?" 
Antwort: "In Deutschland ist das ganz sicher so. Der Gedanke, mit ein paar Konjunkturprogrammen die Krise zu verhindern, ist eine Illusion. Man kann sie damit bestenfalls abmildern. Welthandel, Industrieproduktion und Auslandsinvestitionen gehen inzwischen stärker zurück als in den 30er-Jahren." 
Auf kurzsichtige Prozent-Prognosen lässt Jungen sich gar nicht erst ein; seine Perspektive ist längerfristig - und (aus meiner Sicht zutreffend) zappenduster: 
"Es ist nicht so sehr die Frage, ob wir dieses Jahr um drei oder vier Prozent schrumpfen. Die Frage ist vielmehr, wie lange werden wir schrumpfen, wie viele Jahre? Wir können bestenfalls hoffen, dass die Geschwindigkeit des Rückgangs nachlassen wird. Die alte Welt wird aber innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht hergestellt sein." 
Einen weiteren Vergleich mit der ersten Weltwirtschaftskrise von 1929 ff. zieht er mit der Feststellung: 
"Inzwischen schrumpft die weltweite Industrieproduktion schneller als 1929. Das Problem ist also in seiner Dimension größer als in den 30er-Jahren, auch weil die Welt wirtschaftlich nie so integriert war wie heute." 
Zum Abschluss des Beitrages zitiert der Interviewer einen im Interviewtext selbst nicht enthaltenen dramatischen Satz: 
"2009 ist er überzeugt, dass die Wirtschaft vor einer historischen Krise steht: 'Das ist eine Entwicklung, die wir nie zuvor gesehen haben'." 
Mit dieser Einschätzung dürfte Jungen leider nur zu sehr ins Schwarze getroffen haben. 
 
Christian Schütte wundert sich in der Financial Times Deutschland von heute über die bisherige Gelassenheit der Deutschen: "Ach ja, ach je, die Krise": 
"Krise? Welche Krise? Warum die Deutschen bisher so vergleichsweise lässig mit dem wirtschaftlichen Niedergang umgehen - und weshalb dies bald vorbei sein wird." 
 
Kein Wunder; die Medienherausgeber sind offenbar dem dringenden Wunsch unserer Regierung gefolgt, ihre Berichterstattung auf die Linie "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" zu trimmen. In welcher Weise unsere Informationen im Hintergrund fürsorglich gelenkt werden, verraten uns Marc Brost und Bernd Ulrich in ihrem schon oben zitierten Zeit-Artikel "Wirtschaftskrise in Deutschland. Jetzt mal ehrlich" in DIE ZEIT vom 29.01.2009 (Einleitung: "Neues aus der Krise: Die Politiker wissen, dass die Lage schlimmer ist, als das Volk glaubt. Aber zugeben wollen sie es nicht. Es ist Zeit, alle Karten auf den Tisch zu legen.") (meine Hervorhebungen): 
"Am 8. Oktober 2008 war die Krise noch jung, man möchte fast sagen: unschuldig. An jenem Mittwochabend luden die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister die Chefs der wichtigsten Zeitungen ins Kanzleramt, um ihnen eine Botschaft zu übermitteln. Die lautete: Wir wissen zwar nicht genau, was in zwei oder drei Wochen ist, aber würden doch sehr herzlich um Ihr Vertrauen bitten und vor allem darum, dass Sie keine schlechte Stimmung machen, denn dazu ist die Lage zu ernst." 
 
Gelenkte Meinung, gelenkte Demokratie? 
 
 
Nachtrag 25.03.09: 
Es gibt wahrhaftig auch Optimisten. "Wirtschaftskrise. Woher der Optimismus?" fragt DIE ZEIT vom 19.03.2009 (genau: es ist die Ausgabe Nr. 13!) und berichtet: 
"Sieben Wirtschaftsexperten erklären, warum die Krise bald vorbei ist." 
 
 
Nachtrag 05.06.09: 
Im Handelsblatt von heute wir die Prognose von Josef Ackermann zur Entwicklung der Weltwirtschaft beschrieben: 
"Josef Ackermann geht davon aus, dass die Wirtschaftskrise länger dauern wird als derzeit vermutet wird. Der Chef der Deutschen Bank warnt außerdem vor neuen Rückschlägen. Von Normalisierung sei man noch weit entfernt. Nicht zuletzt warf der Schweizer einen skeptischen Blick auf das Verhalten des Staates." 
 
 
Nachtrag 27.07.2009 
Eine eher "weiche", d. h. nur tendenzorientierte Prognose ohne den Versuch einer Quantifizierung, dafür aber insofern "hart", als der Autor uns wenig Hoffnung auf eine schnelle Überwindung oder einen milden Krisenverlauf macht, hatte ein Andreas Hoose u. d. T. "Das verlorene Jahrzehnt..." am 01.11.2008 auf einer Webseite namens "Godmode-Trader" publiziert: 
"Sieht man sich an, wie diese Krise verläuft, wie Dinge geschehen, die wir alle bis vor Kurzem für völlig unmöglich gehalten haben, dann fragt man sich, wie man allen Ernstes auf die Idee kommen kann, die Sache werde ähnlich glimpflich verlaufen, wie jene Krisen, die wir in den vergangenen 30 Jahren gesehen haben. Vielleicht ist ja nur der Wunsch der Vater des Gedankens. Oder, was schlimmer wäre: Man versucht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen um sie weiter bei der Stange zu halten. Doch irgendwann werden auch unverbesserliche Optimisten bemerken, dass man mit Durchhalteparolen nicht mehr weiter kommt. ..... 
Wenn die US-Amerikaner, und damit wir alle, großes Glück haben, dann wird diese Krise ähnlich unspektakulär verlaufen wie das Desaster nach 1989 in Japan. Wobei unspektakulär relativ ist: Aktuell notiert der japanische Aktienmarkt 80 Prozent unter seinem Allzeithoch von 40.000 Punkten. ..... 
Doch das japanische Beispiel macht deutlich, was rekordtiefe Zinsen bewirken, wenn sich eine Krise erst einmal manifestiert hat: In Japan sind die Zinsen seit mehr als einem Jahrzehnt in der Nähe des Nullpunkts. Geholfen hat es nichts. Leider ist zu befürchten, dass die Sache in den USA noch schlimmer verlaufen wird: 
Während Japan bis heute der größte Gläubiger der Welt ist und (relativ) nützliche Dinge wie Fernseher, HiFi-Geräte und Autos von hoher Qualität herstellt, haben die Amis nichts weiter zu bieten als einen Schuldenberg, der alle historischen Dimensionen sprengt: Viele Banken, der Staat und die größten Arbeitgeber, etwa General Motors oder Ford, sind faktisch pleite. Und während die Asiaten traditionell sparen, Gold beiseite legen und für Notzeiten vorsorgen, haben sich die Vereinigten Staaten - Regierung, Unternehmen und Privatleute eingeschlossen - bis über beide Ohren verschuldet. Für Dinge die sie weder brauchen noch bezahlen können." 
 
 
Nachtrag 25.08.09
Nouriel Roubini, wegen seiner Vorhersage der Krise als "Dr. Doom" berühmt geworden, ist hinsichtlich einer raschen Erholung skeptisch. Statt eines schnellen Konjunkturaufschwungs (V-förmig) sieht er nur eine kurze Zwischenerholung (wegen der notwendig gewordenen Lagerauffüllung) und dann ein längeres Verharren auf der Talsohle (U-förmig). So steht es geschrieben heute in der Financial Times Deutschland in seinem Gastkommentar u. d. T. "Roubini befürchtet zweite Weltrezession":
"Die Konjunktur erholt sich langsam, doch Hoffnung auf einen nachhaltigen Aufschwung ist fehl am Platz. Der Weltwirtschaft drohen mehrere Jahre mit kraftlosem Wachstum, ist sich der US-Starökonom sicher." 
 
 
Nachtrag 23.10.09:
Ein gewisser Halil Güveniş hat im Mai 2009 in einer sehr langen Arbeit (144 S.) eine pessimistische Prognose u. d. T. "Zur Zusammenbruchskrise des Kapitalismus. Das Langzeitverhalten der Wirtschaftsentwicklung in BRD, Japan und USA – mit drei Excel-Dateien zu Zeitreihen und Diagrammen" errechnet (meine Hervorhebung):
"Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wird anhand volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen das Langzeitverhalten der Wirtschaftsentwicklung in BRD, Japan und USA untersucht. Eine Trendbestimmung für die Ersparnis-Investitions-Beziehung und für das Wirtschaftswachstum ergibt drei grundlegende historische Tendenzen, die durch technologischen Fortschritt hervorgerufen werden: 1. Die Zunahme der Abschreibungsquote, 2. die Abnahme der durchschnittlichen Abschreibungsdauer, 3. die Abnahme der Produktionserweiterung. Eine vierte historische Tendenz, die Zunahme der Gesamtkonsumquote, folgt unmittelbar aus den ersten drei grundlegenden historischen Tendenzen. Dem Staat fällt dabei die Rolle zu, den fehlenden Teil des Gesamtkonsums auszugleichen und dadurch die historische Gleichgewichtsbedingung für die Gesamtkonsumquote zu erfüllen. Alle erwähnten Tendenzen zusammen führen dazu, dass das Sparen, die Nettoinvestitionen und das Wirtschaftswachstum im Zeitraum von 2003 bis 2011 gegen null streben und ab diesem historischen Nullpunkt der Tendenz nach nie wieder in Positive zurückkehren können. Das bedeutet, dass langfristig gesehen fast alle bedeutenden Staaten der Welt Bankrott gehen werden und in der Folge eine neue Wirtschaftsform entstehen wird, die vom Negativwachstum und von schrumpfenden Nettoinvestitionen ausgeht."
 
Ergänzung 9.1.10: Auf einem anderem, nicht-mathematischen Wege komme ich mittlerweile zu dem gleichen Ergebnis, dass nämlich die massiven Verschuldungsprogramme der Staaten keinen selbsttragenden Aufschwung erzeugen können und deshalb, wenn bzw. weil sie wahrscheinlich fortgeführt werden ("müssen"), die Staatsschulden weltweit dramatisch wachsen werden (wie schon jetzt in Japan). Vgl. dazu jetzt meine Blotts "Die Ökonomie der Artos-Phagen: Warum eine eigentumsbasierte Geldwirtschaft (im Basismodell) nicht dauerhaft funktionieren kann" und "Brotfresser-Wirtschaftsmodell zum Zweiten".
 
Erg. 05.05.10: Der Autor stellt seine Thesen im Forum "Querschüsse" zur Diskussion. (Eine Lektüre der Debattenbeiträge lohnt vielleicht, doch fehlt mir leider die Zeit dafür und erst recht natürlich für eine vollständige und intensive Lektüre des Papiers selbst, dessen mathematischen Teil ich ohnehin nicht verstehen würde.)
 
Erg. 05.05.10: Ebenfalls skeptisch ist der Physiker Heribert Genreith; vgl.seinen Aufsatz "panem et circenses V: Dead Man walking" vom 10.09.06. Aus meiner Perspektive müsste ich den Text "leider mathematikdurchseucht" nennen, aber gerade die mir verschlossen bleibende mathematische Beweisführung macht natürlich (wenn korrekt) den wissenschaftlichen Wert aus. Interessant wäre es, Kommentare von Ökonomen darüber zu lesen. Doch die bleiben offenbar exklusiv zitatenverkettet in der Inzucht ihres eigenen Fachgebietes.
Das Ergebnis seiner Kalkulationen fasst Genreith so zusammen:
"Wie wir sehen, stagniert ... das BIP bis etwa 2013 um dann schnell gegen Null zu fallen. Nennenswerte Steigerungen sind nicht mehr zu erwarten, bestenfalls politikfinanzierte Miniaufschwünge, die direkt wieder von entsprechenden Abschwüngen bestraft werden. Ab etwa 2016 würde es dann auch zur echten Wertvernichtung von Volksvermögen kommen, da die Abschreibungen durch frisches BIP nicht mehr aufgefangen werden können. Spätestens in der Zeit 2024 bis 2030 ist eine Hyperinflation zu erwarten, 2034 wäre die BRD ein Armenhaus.
Solange wird es aber nicht dauern. Denn es ist fraglich, wie lange sich die Masse der Bevölkerung den rapide zunehmenden Abtransport des BIP auf die Konten der Vermögensverwaltungen gefallen lassen wird. Ganz abgesehen davon, wenn der Dollar schon früher schlapp macht, und Europa mit in die Tiefe reißt. .....
"Dead Man Walking" ist der US-amerikanische Ausdruck, wenn ein zum Tode Verurteilter aus seiner Zelle zum Hinrichtungsraum geführt wird. Natürlich hofft der Delinquent auf ein Wunder, eine Begnadigung in letzter Minute. Auch wenn vorher noch mal eine königliche Henkersmahlzeit aufgefahren wird, es ist nur ein Aufschub. Es hilft nichts, der letzte Augenblick rückt unaufhaltsam näher. "
Heribert Genreith hat am 29.10.03 auch einen Artikel über das Papier von Halil Güvenis verfasst: "Dead Man Walking III: the elephant in the room that nobody sees ". Auszüge:
"Halil Güvenis ist ein deutschsprachiger Lyriker und Essayist, der aber Physik in Tübingen studierte. .....
... der Autor [kommt] in seiner ökonomischen Arbeit, die im folgenden analysiert wird, im wesentlichen zum gleichen Ergebnis ... wie ich ... .
Seine Arbeit aus 2009 ist insofern hoch interessant, da er sich exakt an die in der Makroökonomie üblichen verbalen und mathematischen(!) Formulierungen hält und somit auch und gerade für Ökonomen leicht verständlich schreibt. Er zeigt darin, dass man mit den üblichen mathematischen Annahmen der Volkswirte zu genau den Ergebnissen kommt, wie bei der differentialanalytischen Modellierung auch. Und, da er sich ganz auf die Fachlichkeit der Ökonomen einlässt, macht er auch ganz exemplarisch die kleinen, aber bedeutsamen, mathematischen Ungenauigkeiten, die die ganze Malaise der Mainstream-Makroökonomie bedingen." 
 
 
Nachtrag 28.10.09 
"Querdenker. Marc Faber: „Finale Krise steht noch bevor' " berichtet Ingo Narat im Handelsblatt vom 27.10.09 über einen Vortrag des berühmten Wertpapieranalysten Marc Faber in Frankfurt a. M. der "den Japan-Crash vor zwei Dekaden, den Börsenkollaps zur Jahrtausendwende und die Finanzkrise" vorausgesagt hatte." Auszüge (meine Hervorhebungen): 
"Obwohl die Börsen kräftig zugelegt haben, warnen renommierte Anlageprofis vor den Folgen der explodierenden Verschuldung. Der Ökonom Marc Faber schockiert mit provokanten Thesen: Der Schweizer rät von US-Staatsanleihen ab und hält einen „totalen Kollaps“ langfristig für unvermeidbar. ... 
Der Mann nimmt kein Blatt vor den Mund. "Bernanke sollte abdanken", "die Wall Street ist korrupt", "das ganze Finanzsystem war subprime". 
Der Querdenker Faber kreidet die Finanzmalaise dem US-Notenbankchef Alan Greenspan und seinem Nachfolger Ben Bernanke an. Greenspan habe nach dem Platzen der Internetblase zur Jahrtausendwende die Welt mit Liquidität geflutet. "Die Folge waren Blasen in allen Vermögenswerten", erregt er sich. 
Für ihn sind Notenbanker Rauschgifthändler, "die der Welt Drogen geben, um sie ruhig zu stellen". Droge heißt hier: Geld zum Null-Zins. In exzessiver Staatsverschuldung sieht der Sammler von Mao-Büsten jedoch keine Lösung der Krise. ..... 
An einen erneuten Test der Aktientiefstände vom März glaubt Faber nicht. Aber er malt die Folgen einer exzessiven Kreditpolitik und Verschuldung an die Wand. "Ihre Kinder und die in der westlichen Welt werden einen niedrigeren Lebensstandard haben als Sie", warnt Faber seine Zuhörer. Langfristig erwartet er sogar einen "totalen Kollaps", den er nach einem kreditgetriebenen Boom für unvermeidlich hält. "Die finale Krise steht erst noch bevor." 
 
 
Nachtrag 31.01.2010
Die gleiche aktuelle Vorhersage macht der "Krisenpropheten" Max Otte (Matthias Otte): Die Welt steht kurz vor dem Crash (Focus-Interview vom 30.11.09). 
 
 
Nachtrag 05.02.10
Roland Leuschel ist Pessimist und erwartet eine Fortsetzung der Rezession und eine Inflation. Vgl. dazu das Interview "Crash-Prophet Leuschel erwartet Anleihecrash und Hyperinflation" in der Financial Times Deutschland vom 03.02.10 ("Hyperinflation" ist zwar ein Ausdruck, den er selbst verwendet, aber nicht ernst zu nehmen: 10% jährlich für die USA und 5% für Europa erwartet er; das reicht natürlich auch schon, wenn man Geldvermögen hat). 
 
 
Nachtrag 20.07.2011
Hinsichtlich des unmittelbaren Abschwungs habe ich mich geirrt. Ebenfalls ist zu konstatieren, dass bislang auch keine erneute Krise eingetreten ist, wie viele vorhergesagt, und wie auch ich sie erwartet habe.
Dennoch gehe ich nach wie vor davon aus, dass die ganze Gelddruckerei nicht gutgehen wird. Allerdings frage ich mich, ob die nächste Krise eine unmittelbar finanzwirtschaftliche Ursache haben wird, oder ob nicht die Verwerfungen im Geldbereich dann überlagert sein werden von einer Ressourcenkrise (Peak Oil usw.) 
 
Textstand vom 03.10.2022

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