Ulrich Beck hat Schmetterlinge im Bauch.
Raupen sind wir, sagt er (im Gleichnis), die sich mühsam und beladen mit der Nuklearenergie durchs Leben schleppen, während doch jenseits unserer Zwangsvorstellung von der Notwendigkeit bzw. Zweckmäßigkeit einer Energiegewinnung (auch) durch Atomstrom die schöne weite Welt der erneuerbaren Energien lockt.
Ulrich Beck erblickt diese Welt bereits, daher seine Schmetterlinge.
Anderen - beispielsweise der (großenteils mutmaßlich technisch gebildeten) Mehrheit der FAZ-Leserkommentatoren seines Artikels "Der Irrtum der Raupe" (zu dem mich die Kritik des Schriftstellers Ulrich Schacht führte) vom 14.06.11 gehen solche Visionen noch ab.
Zahlreiche substantielle Einwände haben die Kommentatoren vorgetragen (deren Lektüre ich empfehle). Indes ist die Zeichenmenge, welche die FAZ den Leser-Kommentatoren zubilligt, recht begrenzt; auch ist mein Ansatz ein anderer.
Ich nämlich möchte hier versuchen, seinen Artikel mehr als Ganzheit behandeln und die (Schwächen der) Argumentationsstruktur von Beck ausleuchten. Das halte ich für lohnend weniger wegen des Artikels selbst (oder gar wegen des Autors), sondern weil Becks Argumente natürlich auch von anderen vorgetragen wurden/werden bzw. aufgenommen werden könnten.
Für einen Ausstieg aus der Kernenergie trägt Ulrich Beck fünf Argumente vor:
1) Risikoargument (Beginn des Aufsatzes und 2. Kapitel "Wunschdenken, wirklichkeitsblind").
Beck führt Argumente von Umweltschützern aus dem anglophonen Raum für Kernenergie an und verteidigt dann den deutschen Ausstieg gegen deren Kritik:
"Hier ergreift nicht jene sprichwörtliche deutsche Irrationalität die Macht, sondern der Glaube an die Lernfähigkeit und Kreativität der Moderne im Umgang mit ihren selbstverschuldeten Gefahren."
Ob das zutrifft oder nicht, hängt natürlich von der Risikoeinschätzung ab. Nach Beck kommt die nächste Kernschmelze [bei einer solchen schmelzen natürlich nicht die Atomkerne, sondern die Brennstäbe im Reaktorkern] bestimmt:
"Wer nach Tschernobyl und Fukushima noch behauptet, französische, britische, amerikanische, chinesische und andere Atomkraftwerke seien sicher, der verkennt, dass empirisch die entgegengesetzte Schlussfolgerung gezogen werden muss – eines ist sicher: der nächste GAU. Unsicher ist nur noch: wann und wo."
Das ist ein Glaubenssatz, und dass ein GAU möglich ist, wusste man auch schon bevor er (unter anderem in Tschernobyl und Fukushima) tatsächlich eintrat. Sicher scheint mir (aus freilich laienhafter Sicht), dass Tschernobyl und Fukushima wegen der mit deutschen (und anderen) Kernkraftwerken nicht vergleichbarer Konstruktion und Sicherheitsphilosophie sowie wegen eines in Deutschland nicht zu erwartenden Tsunami (denn die Wasserwelle war es wohl, nicht das Erbeben, das den Ausfall der Kühlsysteme und dadurch die Kernschmelze verursacht hat!) keinerlei Beweiswirkung dafür haben, dass es in Deutschland oder anderswo ebenfalls zu einer Kernschmelze in einem Nuklearkraftwerk kommen muss.
Das heißt allerdings nicht, dass in anderen KKWs ein größter anzunehmender Unfall mit naturwissenschaftlicher Sicherheit auszuschließen ist; es zeigt lediglich, dass der Hinweis auf stattgefundene Katastrophen dieser Art nicht geeignet ist, ein erhöhtes Risiko nachzuweisen. Es erscheint mir also nicht legitim, in einer wissenschaftlichen Risikoanalyse aufgrund der Ereignisse in den beiden o. a. KKW-Komplexen von einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit auch für deutsche AKWs auszugehen. (Ohnehin erscheint mir eine Berechnung des Risikos mit XYZ Prozent ebenso fragwürdig wie die gleichfalls nur scheinpräzisen Schuldner- und Anleihebewertungen der Risikoagenturen).
Ein gravierender Einwand ist aber, dass die Becksche Risikobetrachtung lediglich das unmittelbare Risiko betrachtet und überhaupt nur dieses als solches erkennt. Das ist ebenso 'demokratisch' wie 'griechisch' (denn die Griechen sind momentan weitaus bessere Demokraten als die Deutschen!). Es ist ein Kernproblem der Demokratie, dass der Blick "des Volkes", d. h. der Mehrheit des Volkes, nicht sehr viel weiter reicht als bis zu dem (im Prinzip begrüßten aber vor der eigenen Haustür unerwünschten) nächsten Windstromerzeuger. Und das war (und ist noch immer) ja auch das Problem der griechischen Gesellschaft: für das Linsengericht unmittelbarer "Geschenke" der Politiker haben die Wähler die Zukunft des ganzen Staates verschenkt.
Dieses südliche 'Sorge dich nicht, lebe' war uns nördlichen Völkern eher suspekt; wir waren noch mehr als die mediterranen Gesellschaften darauf angewiesen, Vorräte für lange, strenge Winter anzulegen, und Saatgut für das nächste Jahr aufzubewahren.
Mit zunehmendem Wohlstand wächst aber auch die Gefahr, dass dieser für uns allzu selbstverständlich wird; dieses Risiko muss man gar nicht umständlich beschreiben: in dem (ursprünglich ironisch - meinetwegen auch propagandistisch - gegen die Kernkraft-Gegner gerichteten) Satz "Wozu brauchen wir Kraftwerke, der Strom kommt aus der Steckdose" leuchtet er schlagartig auf. (Das gilt natürlich unabhängig von der individuellen Positionierung für oder gegen Atomstrom, denn mutatis mutandis entlarvt er z. B. auch diejenigen, welche gegen die notwendigen Stromtrassen kämpfen).
Eine weise gesellschaftliche Risikoabwägung würde sich also nicht auf das beschränken, was durch die Berichterstattung über Tschernobyl und Fukushima momentan gerade in aller Menschen Bewusstsein ist. Vielmehr müsste sie die ganze "Wertschöpfungskette" vom Bergbau bis zur Verstromung erfassen - und natürlich auch die Hinterlassenschaften, also Atommüll auf der einen, CO²-Ausstoß auf der anderen Seite.
Das gesamtgesellschaftliche Risiko ist aber noch nicht erschöpfend untersucht, wenn man nur die unmittelbaren stofflichen Auswirkungen, sei es auch auf jeder Ebene des Prozesses, bewertet. Denn dazu kommt noch ganz wesentlich die ökonomische Dimension: teurer Strom bedeutet verringerter Wohlstand; verringerter Wohlstand kann z. B. die Lebenszeit erheblich verkürzen (und dazu noch die verkürzte Lebenszeit vergellen).
Grundsätzlich lässt sich diese Dimension zwar auch nicht von den Kernkraft-Gegnern (und ebenso in anderen Zusammenhängen mit insoweit vergleichbaren gesellschaftlichen Frontstellungen) ausblenden; die Öffentlichkeit zwingt sie, sich damit auseinander zu setzen, z. B. aktuell in der Debatte um die "Kosten des Ausstiegs" [vgl. dazu auch meine Blotts "Fehler, Schwindel, Kaffeesatz: Die Studie "WAS STROM WIRKLICH KOSTET" des "Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS; Auftraggeber: Greenpeace Energy eG) im Analysefilter", "Kosten-Berechnung der Energiewende: Tipps für Täuscher und Selbstbetrüger" und "Scheiße schaufeln schafft Arbeitsplätze! Gegen ökonomische Verlogenheit als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele"].
Teils rechnet man die Kosten der angestrebten Änderungen (erneuerbare Energien) schön, teils setzt man die Kosten des bisherigen Zustands in fragwürdiger Weise höher an, als sie bei richtiger (d. h. ökonomisch sinnvoller) Betrachtung wirklich sind (s. das Beispiel in meinem oben erwähnten Blott "Fehler, Schwindel, Kaffeesatz ...").
Vorzugsweise hält man aber Kosteneinwänden das "nur"-Argument entgegen, in Verbindung mit dem "Wir sind ja so reich"-Argument (bzw. eher: Schwindel!): "Das kostet ja nur xxx € mehr im Monat/Jahr", "das sind ja nur 0,XXX Prozent von ...." usw. Auch das ist ein verkürzter, sozusagen 'griechischer' Blick.
Als eine schreckliche Krise erschien uns der wirtschaftliche Einbruch, der einige Zeit nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank eintrat. Dabei war der in Prozenten gar nicht so hoch. Die genaue Zahl ist mir entfallen; jedenfalls lag sie deutlich unter 10%. Nur ist das Problem, dass ein solcher Einbruch eben nicht alle gleich hart trifft. Es ist ja nicht so, dass dann jeder 10% weniger in der Tasche hätte. Vielmehr ist die/der eine plötzlich arbeitslos, und hat vielleicht noch 60% (und nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes nochmals weitaus weniger) seines vorherigen Verdienstes in der Tasche, während andere überhaupt nicht betroffen sind. Für Unternehmer ist es noch härter, da geht es nicht um 60 oder 100 %, sondern um Überleben oder Insolvenz, alles oder nichts. Deswegen ist es ein saublödes Gerede zu sagen "Wenn wir nur alle etwas weniger ..." usw. Beck bringt dieses Argument nicht; er kann sich das sparen, weil er die wirtschaftliche Dimension als Risiko-Dimension garnicht erst anspricht.
In meinem Blott "Anti-Atom-Stampede: Noch ist nicht bei allen Deutschen die Gehirnkühlung lädiert" habe ich einen Leserkommentar zu einem einschlägigen FAZ-Artikel zitiert, bei dem ein sehr viel umfassenderes Verständnis von Risiko deutlich wird.
Der (zunächst normal erscheinenden, bei genauerer Betrachtung aber als verengt erkennbaren) Risikoeinschätzung von Joachim Radkau:
"..... ein größerer Kontrast wie der zwischen der Hilflosigkeit auf Haiti und der japanischen Tatkraft im Anblick der Katastrophe ist kaum vorstellbar. Nur gibt es auf Haiti [zum Glück] keine Kernkraftwerke."
hält der FAZ-Leser Dietmar Fleischhauer die folgende zutreffende Überlegung entgegen (meine Hervorhebung):
"Wie wahr, der Vergleich mit Haiti drängt sich geradezu auf! Nur möchte der Autor offenbar daraus folgern, die Haitianer hätten mit ihrer Kernkraftlosigkeit Glück im Unglück gehabt. Ich behaupte, das Gegenteil ist der Fall. Nur durch den enormen Technisierungsgrad mit entsprechend hohem Energiebedarf (der sich in Japan nie und nimmer aus alternativen Energien decken ließe) sind die Japaner bei aller Tragik in der Lage, um Größenordnungen weniger Opfer zu beklagen als das rückständige Haiti. Und das wohlgemerkt bei einem Beben, das fast tausend mal stärker war als das haitianische.
Darf man in der herrschenden Stimmung noch darauf hinweisen, daß die Zahl der Kernkraft-Unfallopfer nach dem jetzigen Stand bei 0 liegt? Und auch wenn solch eine Aufrechnung zynisch wirken mag: diese Zahl wird auch niemals nur annähernd so hoch liegen wie die Kernenergie bedingende Hochtechnologie Japans bereits Opfer verhindert hat."
2) Wirtschaftlichkeit.
Beck behauptet kurzerhand (in dem Kapitel "Kernenergie wird teurer, erneuerbare billiger"), dass Kernenergie zukünftig teurer und erneuerbare Energien billiger werden . Argumente für eine künftige Verteuerung der Kernenergie trägt er nicht vor. Zwar verweist er im unmittelbaren Textzusammenhang auf die angebliche Privilegierung der Kernenergie durch 'Unterversicherung', verknüpft das aber klugerweise nicht logisch mit der angeblich künftigen Atomstromverteuerung. Denn dieses Argument würde ja für die Vergangenheit genau so gelten. (Davon abgesehen ist es auch ökonomisch falsch, die "Kosten" des Atomstroms mit fiktiven Versicherungsprämien zu belasten: wenn größere Unfälle ausbleiben, waren die Kosten niedrig; kommt es allerdings zu einem Supergau, wäre der Atomstrom verdammt teuer gewesen. Aber ob derartige Kosten angefallen sind oder nicht, lässt sich erst im Nachhinein sagen, nicht im Voraus). Auch sein zweites Argument ist also ein Glaubenssache, genau wie das erste.Ich z. B. bin sicher, dass Solarstrom aus der Wüste Sahara, den Beck sozusagen mit leuchtenden Augen herbeisehnt, ganz bestimmt nicht billig werden wird: betriebswirtschaftlich nicht, und außerdem werden die 'Sonnenstaaten' noch saftige Royalties auf ihren Saft draufschlagen.
3) Innovationseuphorie.
"Sonnenenergie macht Menschen unabhängig" titelt der Soziologe Ulrich Beck das nächste Kapitel. Hier freilich wird er derart euphorisch, dass kritische Leser allein schon aus diesem Grund misstrauisch werden. Die erneuerbaren Energien stellt er ihrem innovatorischen Rang nach auf eine Stufe mit Mikroprozessoren, Computer und Internet. Diesen Luftballon der Begeisterung stechen einige Leser an mit der Bemerkung, dass wir ein Zeitalter der erneuerbaren Energien ja schon hatten: im Mittelalter, wo man Wind und Wasserkraft nutzte, aber nicht sehr weit damit kam. Weder Argument noch Einwände besagen viel. Natürlich können wir bei unserem heutigen technologischen Stand die Wasserkraft und die Windkraft in ganz anderer Weise nutzen als früher; aber dass die erneuerbaren Energien vor technologischen Sprüngen stehen wie in der Vergangenheit die Technologie der Informationsverarbeitung ist keineswegs ausgemacht und erscheint sogar eher zweifelhaft.
4) Individuelle Unabhängigkeit / Demokratie.
Das gleiche Kapitel enthält unmittelbar anschließend an die Innovationseuphorie ein Argument ganz anderer Art:
"Heute haben wir es mit einem ähnlichen historischen Augenblick [wie bei Einführung des PC usw.] zu tun. Wer nur einen Teil der Wüsten für Sonnenenergie erschließt, könnte den Energiebedarf der gesamten Zivilisation decken."
Das ist ein Scharniersatz, der noch die Machbarkeit, den technischen Bereich, betrifft. Dann aber bringt er eine Begründung für seine Forderung nach einer Energiewende, die nicht mehr technisch ist, sondern politisch oder soziologisch (wo immer man das genau verorten will, jedenfalls im nichttechnischen Bereich). Hier kommt Beck seinem Fachgebiet näher, indem er behauptet (meine Hervorhebungen):
"Niemand kann das Sonnenlicht besitzen, keiner kann es privatisieren oder nationalisieren. Jeder kann diese Energiequelle für sich erschließen. Atomenergie ist hierarchisch, Sonnenenergie ist demokratisch. Nukleare Energie ist ihrer Natur nach anti-demokratisch. Das genaue Gegenteil gilt für die erneuerbaren Energien der Sonne, des Windes. Wer seine Energie von einem Atomkraftwerk bezieht, dem wird, wenn er die Rechnung nicht bezahlt, der Strom abgeschaltet. Demjenigen, der seine Energie aus Sonnenkollektoren auf seinem Haus bezieht, kann das nicht passieren. Sonnenenergie macht Menschen unabhängig."
Der Witz ist nur, dass er ausgerechnet dort, wo er auf seinen akademischen Kompetenzbereich zurückgreifen könnte, noch weitaus unglaubwürdiger wirkt als bei seinen Ausflügen in Naturwissenschaft und Technik der Atomstromerzeugung. Unter anderem auch deshalb, weil er hier die Zusammenhänge noch krasser vereinfacht als dort. Denn wer die Frage der gesellschaftlichen Energieversorgung auf Sonnenkollektoren auf dem Dach von Wohnhäusern reduziert, der muss sich nicht nur fragen lassen, warum er soeben noch den Saft aus der Sahara holen wollte. Die Privatperson kann die Zähne manuell putzen, ohne elektrische Zahnbürste. Auch für's Rasieren braucht man keinen Elektrorasierer, Wäsche kann mit auf dem Waschbrett reinigen und lesen bei Kerzenschein. Kurz: als Privatpersonen könnten wir Bürger (wenngleich nicht ohne Einbuße von Bequemlichkeit = Lebensstandard) theoretisch notfalls weitgehend ohne Strom auskommen; unsere Industrie kann das nicht, will man sie nicht auf den Stand der frühneuzeitlichen Manufakturen zurückwerfen.
Hinter Becks demokratiebewegten Aufschwüngen steht die gedankliche Gleichsetzung von klein (bzw. einfach) mit gut und groß (bzw. komplex) mit böse. Diese Gleichsetzung ist so stark, dass sie die Realität kurzerhand ignoriert. Denn die Versorgung der Gesellschaft mit den nur unregelmäßig (und weitgehend nicht einmal vorhersehbar) verfügbaren 'grünen' Energien ist auf der Verteilungsebene hochkomplex, weil es eben nicht in erster Linie um den Privathaushalt geht. Auf der Herstellungsebene mag sie weniger komplex sein als der Bau (und die Demontage) eines AKW. Unabhängig ist der Solarzellenbesitzer allerdings erst von dem Moment an und danach nur so lange, wie seine Anlage funktioniert. Ansonsten hängt er davon ab, dass Seltene Erden aus China verfügbar sind, Silizium, große (Elektrizität verzehrende) Betriebe zur Herstellung der Solarzellen usw.
Und der Strom vom eigenen Hausdach ist ja nicht kostenlos; wer eine Photovoltaikanlage bezahlen kann, der kann auch den (billigeren!) Strom der Kraftwerksbetreiber kaufen.
Der Sonnenstrom ist auch dann nicht demokratisch, wenn er nicht aus fernen Ländern importiert werden muss (was Beck ja selbst als Notwendigkeit betrachtet!), sondern vom eigenen Hausdach kommt: auch dann noch ist er das Produkt einer hochkomplexen sozialen Organisation, und die wird im Betrieb des Solarzellenherstellers so hierarchisch sein wie bei Kraftwerksbetreibern. Und dass gar die gesamtgesellschaftliche Hierarchie dadurch infrage gestellt sein sollte, dass jeder Bürger (theoretisch) seinen Strom selbst produzieren kann, ist eine abenteuerliche Vorstellung, gegen die gesamte Menschheitserfahrung aus der Prä-Elektrizitätsepoche. Sonnenenergie macht den Häuslebauer von heute ebenso wenig unabhängig, wie die Wasserenergie den Betreiber des Kupferhammers von einst.
Hier bewegt sich der Soziologe Beck in der Traumwelt egalitärer Utopien, von der mit seiner spezifischen Qualifikation zu erfassenden Realität hat er sich ausgerechnet hier noch weiter entfernt als bei seinem Gerede über schmelzenden Atomkerne.
Nachträge 01.07.2011
"In Greece, we see democracy in action. The public debates of the outraged in Athens are the closest we have come to democratic practice in recent European history" begeistert sich der griechische Jura-Professor (in London) Costas Douzinas für die 'Widerstandsbewegung' am Syntagma-Platz ("Platz der Verfassung"!) vor dem Parlament. (S. a. "Junge Griechen. Im Zeltlager der Revolution" v. Özlem Topcu, WELT 24.06.11).
Nur: wogegen und/oder wofür "kämpfen" diese Edeldemokraten (von denen man in letzter Zeit auch las, dass die "friedlichen" Demonstranten den autonomen Gewalttätern applaudieren, und auch selbst zu Steinen greifen)? Sie kämpfen gegen die Sparauflagen des Internationalen Währundsfonds und der EU-Kreditgeber, also gegen die "Zumutung", die ihnen geliehenen Steuergelder anderer Völker sparsam auszugeben. Und für ihr 'Recht', auch zukünftig über ihre Verhältnisse, also auf anderer Leute Kosten zu leben. Das sagt natürlich von denen niemand, und der griechische Professoren-Patriot in London noch weniger, aber das ist in der finanzpolitisch-ökonomischen Konstellation Griechenlands die objektive Stoßrichtung der "demokratischen" Proteste. Eine feine "Zivilgesellschaft" ist das!
Und was die Unterschiede zwischen zivilgesellschaftlichen Bewegungen und Gesellschaft betrifft verweise ich auf meinen Blott "terreur des sommes" über die Fragwürdigkeit der 'zivilgesellschaftlichen' Proteste gegen den Bau von Staudämmen (heute meist in Entwicklungsländern, einst auch bei uns, z. B. in meiner Gegend beim Aufstau des Lech zum Forggensee.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen