Freitag, 22. Februar 2008

Der Warnstreik und die Heimatvertriebenen

Ungewarnt erwischte er mich, der Warnstreik (eigene Schuld, da ich keine Nachrichten gehört oder gesehen hatte).
Heute, Freitag 22.02.08, wälzte sich gegen 6.30 h der übliche Strom der Pendler vom Bahnsteig am Südbahnhof 3 Stockwerke tiefer zur U-Bahn-Ebene. Dort angekommen, stoppten sie plötzlich, blickten auf eine Anzeigetafel und marschierten dann die Treppe wieder hinauf. Wenigstens für Information war gesorgt: an den Anzeigetafeln, die sonst die Abfahrtszeiten verkündeten, las man: Warnstreik der Mitarbeiter der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) streiken bis 7.30 h. Eine Stunde warten?
Zum Glück gab es für mich eine Alternative: die S-Bahn. Mit der S6 Richtung Friedberg bis zum Bahnhof Eschersheim; von dort zu meiner Arbeitsstätte im Mertonviertel ist es ca. 1/2 Std. zu laufen.

Heute morgen war das recht angenehm. Meine Tasche war leichter als sonst; die Temperatur - vielleicht 8 - 10 Grad - fühlte sich nach den vielen kalten Morgenstunden der letzten Tage angenehm an. Windig war es auch nicht; ein laues Lüftchen streichelte das Gesicht. Ein kleines Abenteuer, Abwechslung vom Alltag (und den Streikenden war ich schon deshalb nicht böse, weil sie im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst letztlich irgendwo auch für mich die Kohlen aus dem Feuer holen - oder den öffentlichen Arbeitgebern Feuer unter dem Allerwertesten machen, was diese sich mit ihrem provokativen Angebot einer quasi Null-Runde (5% mehr in 2 Jahren, dafür Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden erhöhen) redlich verdient haben.

Wie kam ich von dieser frisch-fröhlichen Morgenstimmung zu den Vertriebenen?
Über einen Bollerwagen.
Diesen Handwagen (oder wie immer Nicht-Westfalen diese Transportgeräte bezeichnen) hatte ich, mit alten Koffern beladen, im Museum in Seligenstadt gesehen. Dort fand am vorigen Wochenende in der altehrwürdigen Benediktinerabtei ein Ostereiermarkt statt, direkt im "Landschaftsmuseum Seligenstadt".
"Im angrenzenden Kreismuseum der Heimatvertriebenen wird über die Zeit nach 1945 informiert. Hier erinnern verschiedene Exponate an die Herkunft und Kultur der aus Osteuropa vertriebenen deutschen Bevölkerung."
Während meine Frau die kunstvoll bemalten oder auf andere Weise in kleine Kunstwerke verwandelten Ostereier besichtigte, galt meine eigene Aufmerksamkeit mehr den Ausstellungsstücken des Museums.
Darunter eben auch jenem Bollerwagen, welcher mich wohl heute morgen daran erinnerte, dass Fußmärsche nicht immer und für alle ein Genuss waren. Nicht nur für die "Teilnehmer" am "Brünner Todesmarsch" waren sie eine Qual; ebenso oder wohl eher noch mehr auch die Todesmärsche der KZ-Häftlinge. Doch kam mir, vielleicht lediglich des einprägsamen Namens wegen, gerade der Marsch der Deutschen Bevölkerung aus Brünn in Richtung Österreich namentlich in den Sinn. 55 Kilometer: da hört der Spaß selbst dann auf, wenn man sich gut versorgt und ausgerüstet auf den Weg macht.


Textstand vom 22.02.2008. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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