Steuerhinterziehung zu bekämpfen, wie ich in meinem Blott "FUERSTENTUM LIECHTENSTEIN oder EIN PARASITENSTAAT WIRD FRECH" gefordert habe, ist nur die halbe Miete. Genau so, wie das Geld immer in die Sickergruben der Reichen hinabrinnt (vgl. Blott "DISKURS ÜBER DIE GRAVITATION DES GELDES oder TRICKLE DOWN ECONOMY FUNKTIONIERT DOCH!"), saugen die Pump-Kräfte des Staates das Geld letztendlich mehr oder weniger aus den Taschen der weniger Wohlhabenden.
Wir müssen also im eigenen Interesse darauf achten, dass der Staat nicht nur Steuern effizient einzieht, sondern auch effizient verwendet - und nicht verschleudert. Allzu oft und in den verschiedensten Situation werden bei uns Gelder verbraten oder Forderungen nach staatlichen Leistungen aufgestellt nach dem Motto "Wir haben's ja!".
Eine Forderung, die sehr bald auf uns (d. h. auf die deutsche Regierung und/oder die Europäische Gemeinschaft) zukommen wird, entdeckte ich gestern am Zeitungskiosk. In der von mir nur flüchtig wahrgenommenen Überschrift einer englischsprachigen Zeitung war von "UN ration" und "Food prices soar" die Rede. Die heutige Google-Recherche nach Un ration food prices soar bringt ca. 4.900 Treffer. Die sind sicherlich nicht alle in meinem Sinne einschlägig, aber ziemlich am Anfang der Ergebnisliste stößt man auf einen Bericht, wie er ausführlicher kaum sein könnte:
"Feed the world? We are fighting a losing battle, UN admits. Huge budget deficit means millions more face starvation" titelt der englische "Guardian". Im Anschluss daran beantwortet Ashley Seager
die "FAQ: Food prices", also die "frequently asked questions", die Fragen,die einem in diesem Zusammenhang als erste in den Sinn kommen:
What is the problem? Why are food prices rising? Who are the winners and losers? How long are prices likely to be high? What about the EU's common agricultural policy? Are other commodity prices also rising?
Ausgangspunkt der umfangreichen Berichterstattung im "Guardian" war wohl der Artikel "UN set to ration food aid as prices soar" von "Javier Blas in Washington and Gillian Tett in London" in der Financial Times vom 25.02.08 (also hatte ich wohl diese Zeitung am Kiosk gesehen?).
Die Gründe für die Preissteigerungen bei Lebensmitteln erklärt ein Leitartikel ("Leader") des Guardian u. d. T. "Hunger and high prices" , gleichfalls vom 26.02.2008, wie folgt:
"Whether prices continue to rise, however, depends on what has driven them up so far. Since Thomas Malthus in the 18th century, pessimists have blamed every incidence of scarcity on the rising population. They have been wrong in the past, and they are wrong this time, too. While the world population continues to grow, it is doing so at a much slower rate than it was in the long decades when the price of food was falling. Climate change makes another obvious culprit, and perhaps it did play a role in last year's Australian drought. It is likely to become a serious threat to food security in future, but it is not an adequate explanation for high global food prices today, because far from falling off, global food production has continued to increase.
Demand, not supply, is the motor of the current food inflation. A growing taste for meat and dairy in newly prosperous parts of the world is one important factor. When it takes 10 kilos of feed to make one of beef, farming animals swallows land that might otherwise be feeding people. But the new middle classes of Beijing and Shanghai will not easily be persuaded that eating meat is a bad idea, especially if the persuasion comes from western countries that are far from vegan. Meanwhile, subsidies to biofuels, particularly in the US, are distorting global farming. The 60m tonnes of American maize being burned each year represents more than twice the UK's entire cereal crop. ." [Hervorhebungen von mir]
Besonders bemerkenswert (und treffend) erscheinen mir (nur) zwei der Kommentare zu diesem Leitartikel:
"Consider rereading past progressive doctrine which held that the US, by producing too much food and exporting it to countries with food shortages was devastating the agricultural economies of these countries" von "RogerINtheUSA"
oder
"What nonsense to say that the population level is not the problem. If there were half as many people, twice as much food would be available" von "Novelist".
Andere machen sich Gedanken darüber, wie man mehr Menschen füttern könnte, indem man weniger Fleisch ist, oder auf andere Weise die Nahrungsmittelproduktion steigern.
"farfrom" steht den üblichen Vorschlägen genau so kritisch gegenüber wie ich und fragt sarkastisch" "Is the whole planet to become a feed lot for humans?"
Worum es mir geht, ist allerdings das Kleingedruckte im Bericht, das ich im Geiste schon bei der bloßen Lektüre der Überschrift mitgelesen hatte, denn der Ruf nach unserer Staatsknete für die Hungernden der Welt ist (nicht nur) beim "World Food Programme", dem "Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen" so sicher wie das Amen in der Kirche:
"The WFP is holding an emergency meeting in Rome on Friday, at which its senior managers will meet board members to brief them on the scale of the problem. There will then be a case-by-case assessment of the seriousness of the situation in the affected countries, before the WFP formally asks for an increased budget at its executive board meeting in June." [Hervorhebungen von mir]
Die Budgeterhöhungen, aus unseren Steuergeldern aufzubringen, sollen aber nicht nur die höheren Lebensmittelkosten finanzieren, denn beiläufig erfahren wir in einem anderen Zusammenhang, der aber zweifellos genau so für das Welternährungsprogramm gilt, dass auch die Logistikkosten drastisch gestiegen sind:
"... the donor countries are also facing higher fuel and transport costs. For the biggest US food aid programme, non-food costs now account for 65% of total programme expenditure."
Um welche Summen geht es?
"With voluntary contributions from the world's wealthy nations, the WFP feeds 73 million people in 78 countries, less than a 10th of the total number of the world's undernourished. Its agreed budget for 2008 was $2.9bn (£1.5bn)", also ca. 3 Mrd. Dollar. Dazu "we will need an extra half billion dollars just to meet existing assessed needs" - zunächst einmal will die UN-Organisation Welthungerhilfe eine weitere halbe Milliarde Dollars von den "reichen Ländern" - also z. B. von uns. 3,5 Milliarden Dollar, verteilt auf eine ganze Reihe von Ländern - das ist nicht die Welt - wird man uns sagen.
Das Argumentationsmuster, mit dem man uns demnächst weitere Gelder zur Fütterung der Welt aus der Tasche ziehen wird, hat Z. B. der Wiener Blogger Alexander Schatten in seinem Eintrag "Es ist ja nur Geld" trefflich gezeichnet:
"In öffentlichkeitswirksamen Diskussionen wird fallweise das "Killerargument" eingeworfen, es ginge ja "nur um Geld", und man könnte doch ein Menschenleben nicht wegen einer bestimmten Summe riskieren. Z.B. in Diskussionen wo mit diesen Argumenten besonders teure Behandlungsformen gerechtfertigt werden sollen, und auf der anderen Seite z.B. die Vertreter von Krankenkassen sitzen. Die Rollenverteilung ist dann doch recht klar: Die Vertreter der Krankenkassen sind böse, die "nur Geld" Argumentierer sind die guten Humanisten.
Dies ist nur ein Beispiel, denn dieses Muster findet man in verschiedenen Kontexten wieder. "Es kann doch nicht sein dass nur wegen (beliebige Summe einsetzten) dies und jenes nicht verwirklicht werden kann". "Am Geld darf doch dies und jenes nicht scheitern (mehr Lehrer, Pensionserhöhung)."
Geld ist für uns immer noch ein abstrakter Begriff, und wir vergessen in diesen Diskussionen leider, dass es eben nicht "nur" um Geld in einem abstrakten Sinne geht, sondern dass eben dieses Geld tatsächlich für Möglichkeiten steht. ...
Allgemeiner gesagt, Resourcen sind immer ein begrenztes Gut und insofern muss es uns klar sein, dass wir eine "Ausgabe" eine "Verwendung" auf der einen Seite mit einem Entzug oder jedenfalls einem Nicht-Einsatz an einer anderen Stelle erkaufen."
In diesem Falle geht es um mein, dein, Ihr Geld, und bei "lumpigen" 3,5 Mrd. Dollar wird es nicht bleiben. Denn was da im Moment im Nahrungsmittelmarkt weht, ist nur ein laues Lüftchen, Vorbote jenes großen Sturmes, der noch ganz andere Preissteigerungen und Knappheiten heranwehen wird, wie wir sie nur aus unserer (nicht zeitlich, aber doch psychologisch) schon "fernen" Geschichte kennen. Rohölknappheit nach dem bevorstehenden Ölfördermaximum (vgl. Blott "Dieser Ire irrt sich nicht: Das Ölfördermaximum ist kein Märchen aus Tausendundeine Nacht"), die Konkurrenz der Flächennutzung (u. a. Lebensmittel vs. Biotreibstoffe - vgl. dazu auch meinen Eintrag "Hungerskandal in Wuppertal: Porsche-Fahrer frisst Rentner-Oma die Polenta vom Teller!") und andere Faktoren werden die Lebensmittelpreise weiter in die Höhe treiben.
Übrigens werden nicht nur die Vereinten Nationen versuchen, unsere sprudelnden Steuerquellen verstärkt anzuzapfen. Der Artikel im Guardian enthält u. a. auch eine Aufstellung, welche (Entwicklungs-)Länder jetzt Lebensmittel verstärkt subventionieren. Das schmälert die ohnehin knappen Haushaltsmittel für Investitionen usw. Die Regierungen in der Dritten Welt werden versuchen, ihre finanziellen Probleme durch Forderungen nach verstärkter Entwicklungshilfe zu lösen.
Die wird man nicht für die Subventionierung von Nahrungsmitteln verlangen, sondern für Investitionen. Aber schließlich verlangt ja auch Israel von den USA keine Unterstützungszahlungen für den Bau von Siedlungen im Westjordanland. Im Ergebnis werden diese völkerrechtswidrigen Siedlungen dennoch mit massiver finanzieller Unterstützung der amerikanischen Steuerzahler gebaut: die Hilfszahlungen der USA an Israel setzen eigene Mittel frei, die dann für den Siedlungsbau verwendet werden können. [Zu Israel s. a. meine Webseite "Drusenreich - Teil 5"]
Genau so würde das auch in den Entwicklungsländern laufen (bzw. läuft es schon jetzt in anderer Weise).
[Was die Zweckentfremdung von Geldern angeht, dürfen wir uns übrigens auch ruhig im eigenen Lande, in einigen Neuen Bundesländern, umschauen: auch dort werden Fördergelder des deutschen Gesamtstaates, die für Investitionen gedacht sind, im Konsum verpulvert. Das zwar in ökonomisch schwachen Ländern wie Sachsen-Anhalt mit verständlichen Gründen; aber dadurch werden solche Gebiet langfristig erst recht weiter am Tropf hängen.]
Wenn wir die Hungernden der Welt, welche wir auf Dauer ohnehin nicht füttern können (und vielleicht irgendwann nicht einmal uns selber) mit unseren Mitteln vorübergehend sättigen, leiden wir gleich doppelt: unter höherer Steuerbelastung (Mehrwertsteuer ist ja "nur" 19% - da geht doch sicher noch ein Prozentpünktchen mehr für 'Geld für die Welt'?) und dadurch, dass wir mit unserem Geld zugleich die Nachfrage hochtreiben: wir kaufen uns mit unserer Güte auch noch eine beschleunigte Inflationsrate ein!
Der Satz aus dem Guardian Artikel: "There is food on shelves but people are priced out of the market" könnte dann, dank eigener Dummheit, für uns noch schneller gelten, als das ohnehin irgendwann der Fall sein wird.
Bei kurzfristigen Naturkatastrophen helfen, ist edel. Was sich derzeit ankündigt, ist aber eine "Naturkatastrophe" einer ganz anderen Art und Dimension. Nur Don Quixotte, und allenfalls unsere Weltpolitiker, würden einen Kampf dagegen wagen. Der Ritter von der traurigen Gestalt ist tot; unseren Politikern sollten wir schon jetzt im Vorfeld die Spendierhosen ausziehen, bevor sie überhaupt Gelegenheit haben, selbige anzuziehen. Wer sein eigenes Geld spenden will, wenn demnächst wieder die Bilder von Hungernden die Bildschirme überfluten werden, mag das tun (andere Beispiele für "gute" Geldverwendung vgl. mein Eintrag "Das sogenannte Gute").
Auch ich wollte einstmals der Menschheit idealistisch helfen. Doch habe ich mittlerweile dazu gelernt, im Deutschen Wald, in einer Geschichte jenseits von Gut und Böse.
"Wehret den Anfängen"
ist ein Satz, den manche ausschließlich auf eine besonders trübe Epoche in der Deutschen Geschichte münzen möchten. Doch müssen (und dürfen!) wir uns auch gegen Steuerverschwendung rechtzeitig wehren: im vorliegenden Zusammenhang am besten schon jetzt, noch ehe entsprechende Forderungen überhaupt an uns herangetragen werden.
Moralische Schwielen, Hartherzigkeit, wird man mir vorwerfen.
Aber hindere ich denn irgend jemanden daran, sein eigenes Geld für die Hungernden in aller Welt hinzugeben? Das Welternährungsprogramm fördert ja immerhin nur "less than a 10th of the total number of the world's undernourished": da hätten Moralapostel schon lange die Gelegenheit gehabt, den eigenen Gürtel ganz, ganz eng zu schnallen und die restlichen 90% der Unterernährten am Leben zu halten. Aber nein: die Ethiker werden verlangen, dass unser Staat zahlt - denn schließlich sind "wir" ja sooooo reich .... . Und die Maschinerie der wohltätigen Gewissenserpressung wird wieder heftiger laufen ... .
Ich bin nicht reich, und ich möchte nicht, dass der Staat seinen gierigen Steuer-Rüssel noch tiefer in meine Taschen steckt - schon gar nicht für Projekte, bei denen ich am Ende (durch selbst geförderte Inflation) sogar doppelt zahle.
Nachträge 29.02.08 ff.: Weitere Informationen zur Welternährungslage und zu den finanziellen Auswirkungen (insbesondere auch den nicht offen zu Tage liegenden) (auch) für uns
"The main focus of the WFP has been to provide aid in areas where food was unavailable. But the programme now faces having to help countries where the price of food, rather than shortages, is the problem" heißt es in dem oben zitierten Artikel der Financial Times. Auf gut Deutsch: das Welternährungsprogramm will nicht nur im bisherigen Umfang fördern, sondern noch zusätzliche Hilfen finanzieren. Was einerseits die Kosten, andererseits die Preise für die auf diese Weise stärker nachgefragten landwirtschaftlichen Güter steigen lassen wird. Auch zu unserem Nachteil. Wenn wir uns auf dieses Spiel einlassen, produzieren wir wahrscheinlich eine Kostenspirale, die letztlich uns selbst massiv in Bedrängnis bringen wird. Denn trotz mancher optimistischer Behauptungen und "Beweise", die aus vergangenen Zeiten abgeleitet werden, glaube ich nicht, dass die Nahrungsmittelproduktion in Zukunft die Nachfrage dauerhaft übersteigen wird; wahrscheinlich wird sie schon auf mittlere Sicht nicht einmal zur Deckung der Nachfrage ausreichen. Denn in den zahlreichen aktuellen Kommentaren, die ich jetzt überflogen habe, wird das Risiko des Ölfördermaximums total ausgeblendet.
Selbstverständlich gilt der ökonomische Zusammenhang einer Inflationierung der Nahrungsmittelpreise durch zusätzliche Käufe auch dann, wenn solche Hilfe aus privaten Spenden oder von wohltätigen Firmen (Stichwort Corporate Social Responsibility" finanziert ist. Insoweit mag sich dann vielleicht doch jeder fragen, welche unerwünschten Nebenfolgen gut gemeinte Hilfsbereitschaft haben kann oder was dabei für uns nach dem "law of unintended consequences" am Ende möglicher Weise (oder sogar wahrscheinlich) dabei heraus kommen wird.
Ergänzend hier einige weitere Links, ziemlich wahllos zusammengewürfelt zwar, aber alle mit weiteren einschlägigen (auch deutschsprachigen) Informationen:
Die Süddeutsche Zeitung berichtete über "Die Rückkehr des Hungers. Zum Leben zu wenig", dass nach Schätzungen von Agrarforschern der University of Minnesota die Verteuerung von Grundnahrungsmitteln um ein Prozent die Zahl der Hungernden auf der Welt um 16 Millionen vergrößert. (Bei einer Verteuerung z. B. um 10% müssten also bereits 160 Mio. Menschen zusätzlich weltweit Hunger leiden.)
Über Afghanistan schreibt das Blatt, dass afghanische Haushalte mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, und dass durch die Verteuerung von Weizenmehl innerhalb eines Jahres um 57 Prozent allein in diesem Land weitere 2,5 Millionen Menschen vom Hunger bedroht sind. (Vgl. zur Tätigkeit des WEP in Afghanistan auch eine Reihe von Artikeln -sämtlich leider undatiert- in der „Zeitschrift für Entwicklung und Zusammenarbeit“: hier und da sowie zur Nahrungsmittelhilfe allgemein u. a. dort.)
Die Direktorin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen warnt lt. SZ:
" 'Wir erkennen ein neues Gesicht des Hungers, weil mehr Länder und viel mehr Menschen davon betroffen sind', sagt Josette Sheeran. Die Ursache für diese Entwicklung beschreibt Sheeran mit dramatischen Worten. 'Wir erleben gerade den perfekten Sturm, denn mehrere Faktoren verstärkten sich gegenseitig'." Und weiter heißt es in dem Artikel:
„Es gibt eine große Nachfrage nach Fleisch in China und Indien, die den Getreidebedarf in der Viehzucht erhöht. Hinzu kommt der hohe Ölpreis, der die Kosten für Dünger und Transport steigen lässt. Und der Ölpreis führt auch dazu, dass immer mehr Getreide für die Produktion von Biokraftstoff genutzt wird. Darüber ist die Welthungerhilfe so besorgt, dass sie fordert: ‚Erst der Teller, dann der Tank’!“
(Das Original der Rede konnte ich nicht finden bzw. nicht mit Sicherheit identifizieren; vielleicht handelt es sich um eine beim Vortrag leicht geänderte Version des "Statement by Josette Sheeran, Executive Director of WFP to the 31st session of IFAD's Governing Council"?)
Die „taz“ berichtet u. d. T. „Un spart an Hungerhilfe. Waffen wichtiger als Brot“ u. a.:
"Es sind traurige, große Augen, die einen auf der Homepage des Welternährungsprogramms (WFP) anschauen. In den Händen halten die abgebildeten Kinder rote Plastiktassen: 'Fill the cup' heißt es dazu. Und: 'Be part of the solution'. Mit nur 25 US-Cent pro Woche könne man seinen Teil zur Lösung beitragen,
Wo immer WFP das Geld hernimmt, das Problem wird nicht kleiner: 900 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger, schätzen die Vereinten Nationen. 25.000 davon sterben täglich an den Folgen. Bis 2015 - so haben es sich die UN im Jahr 2000 vorgenommen - soll die Zahl der Hungernden halbiert werden. Von dem Ziel ist man weit entfernt - nicht bloß, weil die Preise für Nahrungsmittel explodiert sind."
[25 Cent pro Woche kam mir spanisch vor, und tatsächlich wird hier auf der englischsprachigen Homepage des WFP die geschilderte Werbung eingeblendet, wobei aber von 25 Cent pro Tag = 1,50 Dollar in der Woche die Rede ist. Im übrigen ist der Bericht aber, wenn man auf die Untertöne achtet, bemerkenswert unsentimental.]
Und selbst das Hungern kostet noch Geld! "Hunger und Unterernährung verursachen immense wirtschaftliche Kosten" lesen wir im Blog des (Kinder-) Hilfswerkes JAM Schweiz. Allein die Unterernährung von Kindern hat im Jahr 2004 die Volkswirtschaften von sieben untersuchten (wohl süd- und oder mittelamerikanischen) Staaten 6,7 Milliarden US-Dollar gekostet; das entspricht 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) jener sieben Länder!
In der Berliner Umschau („Welternährungsprogramm der UN leidet unter Geldmangel. Gestiegene Lebensmittelpreise gefährden Welternährungsprogramm") erfahren wir, vor welchen Herausforderungen die Welt steht:
„Das Welternährungsprogramm der UNO müsse inzwischen gerade auch wegen der teureren Lebensmittel in Gegenden tätig werden, in denen früher keine Hilfe nötig war, erklärte die Direktorin der Hilfsorganisation gegenüber 'Financial Times' [vgl. das Zitat unten]. Bisher beschränkte sich die Hilfe des WFP vor allem auf Krisengebiete oder Länder, in denen schlicht und ergreifend nicht genügend Grundnahrungsmittel vorhanden waren. Mittlerweile könnten aber auch arme Menschen aus Regionen, in denen es eigentlich ausreichend Lebensmittel gibt, ihre Ernährung nicht mehr bezahlen – auch ihnen müsse das WFP nun helfen. Betroffen davon seien beispielsweise Staaten wie Mexiko, Jemen oder Indonesien, sagte Sheeran.
Hier erfahren wir auch mehr über die Mittelaufbringung für diese Hilfsorganisation:
„Finanziert wird das Programm der UN im Gegensatz zu den meisten anderen Organisationen der Vereinten Nationen ausschließlich durch freiwillige Mittel von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen. Neben Geldspenden arbeitet das WFP vor allem auch mit Lebensmittelspenden, doch die Beschaffung von Lebensmitteln zur Verteilung ist durch die gestiegenen Preise immer schwieriger geworden. Mit der Aktion 'Fill the Cup' hat das WFP inzwischen eine neue Öffentlichkeits- und Fundraisingkampagne gestartet. Mit dieser Aktion soll vor allem auf die große Zahl hungernder Kinder in aller Welt aufmerksam gemacht werden.“ Also: freiwillig zwar (was auch sonst?), aber eben auch von Staaten.
Können wir ein solches Elend mit anschauen, eine derartige Schädigung der armen Volkswirtschaften zulassen? Obwohl uns doch die AG für Friedensforschung an der Uni Kassel informiert:
„1.100 Milliarden US-Dollar für Rüstung und Militär - 10,5 Milliarden für soziale und humanitäre Programme. Weltweite Kosten für Militär- und Friedenseinsätze - ein Vergleich.“
John Powell, Vizechef des World Food Programme der UN, spricht in einem Interview mit dem Bonner Generalanzeiger vom 06.08.2007 über steigende Nahrungsmittelpreise und zunehmenden Hunger, die Rolle des Booms beim Bio-Kraftstoff und des Klimawandels. In diesem Interview erfahren wir auch etwas darüber, dass die Existenz dieser Hilfsorganisation keineswegs ausschließlich altruistischen Motiven zu verdanken ist:
"GA: Nahrungsmittelhilfe stand lange in dem schlechten Ruf, nur ein Ventil für die Nahrungsmittelüberschüsse der Industriestaaten zu sein. Gilt diese Kritik immer noch?
Powell: Nein. Die Lage hat sich fundamental geändert. Natürlich haben die Ursprünge des WFP mit der Überproduktion der 50er und 60er Jahre zu tun. Da gab es mehr Nahrungsmittel, als die Produzenten am Markt verkaufen konnten - und gleichzeitig gab es unglaublich viele Menschen, die an Unterernährung starben."
Und Powells Einschätzung der zukünftigen Situation:
"Aber diese Zeiten der Überschüsse sind vorbei. Am Endes dieses Erntejahres werden die weltweiten Nahrungsmittelvorräte auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren sein. Die Reispreise haben sich verdoppelt in den letzten Jahren, die Preise für Weizenmehl stiegen um mehr als 50 Prozent, und neueste Studien sagen uns, dass das Ende der Preissteigerung noch nicht erreicht ist." [Hervorhebungen von mir]
Der Euro am Sonntag sorgte sich am 24.02.08 darum, dass den mageren (also für die Spekulanten fetten) Jahren wieder fette Jahre für das Nahrungsmittelangebot (für Spekulanten also magere Jahre) kommen werden: "Die stetige Teuerung der Agrarrohstoffe beschert Anlegern nicht nur dicke Gewinne. Sie wird allmählich auch zur Gefahr für die Märkte" (http://www.finanzen.net/eurams/archiv/berichte_detail.asp?pkBerichtNr=156859).
Ich könnte mir vorstellen, dass nicht nur Gefahr für die Finanzmarktteilnehmer droht. Wenn es bei der Knappheit bleibt, wird der Ausdruck "Gefahr für die Märkte" eine weitaus sinistrere Bedeutung bekommen: dann wird (zwangsläufig) die Marktwirtschaft überhaupt in Frage gestellt werden.
Die Weltbank berichtet (ohne Datum; anscheinend vom Februar 2008), dass "High Food Prices - A Harsh New Reality" sind.
Mark Thirlwell, "Food and the spectre of Malthus", Financial Times 26.02.2008, verpackt düstere Szenarien in seine breit angelegte Betrachtung:
"First, the lag in supply response to the stimulus provided by higher prices may prove to be of greater duration than its predecessors, to the extent that the current changes in world energy markets – and hence the associated demand for biofuels – are likely to be lasting ones. With climate change and environmental degradation threatening agricultural capacity in several key regions, the elasticity of past supply responses may prove to be a poor guide to the future." (Hervorhebung von mir; dieser Satzteil ist zu lesen als "In der [jüngeren]Vergangenheit hatten Nahrungsmittelknappheiten immer ein verstärktes Angebot zur Folge; in Zukunft möglicher Weise nicht mehr").
Als ein wesentliches Element der Angebotsverknappung wertet er die energetische Nutzung von Agrarpflanzen:
"Perhaps the most important drivers of price gains over the past year are developments in world energy markets. High oil prices have encouraged a policy focus on biofuels, including lashings of generous financial support. Production has responded quickly to these incentives: the World Bank reports that the US has used 20 per cent of its maize production for biofuels and the European Union 68 per cent of its vegetable oil production. This change in usage has boosted prices, reduced the supply of these crops available for food and encouraged the substitution of other agricultural land from food to biofuel production."
Am 27.02.08 meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter der Überschrift "WFP chief to ask US for help on shrinking food aid": "The WFP hopes the United States, the world's largest donor of food aid and also the WFP's largest backer, can help cover at least some of that shortfall. ..... Sheeran, a former Bush administration official who took over last year at the WFP, will make a similar appeal in Brussels following her U.S. visit, the WFP said."
Die "Food and Agriculture Organization" (FAO) der Vereinten Nationen hatten bereits im Dezember 2007 beschrieben, was auf die Welt zukommt:
"FAO calls for urgent steps to protect the poor from soaring food prices. Action needed to improve access to inputs to boost local food production in most affected countries."
Umfangreiche Informationen und statistische Daten enthält die aktuelle FAO-Ausarbeitung "Growing demand on agriculture and rising prices of commodities. An opportunity for smallholders in low-income, agricultural-based countries? Paper prepared for the Round Table organized during the Thirty-first session of IFAD's Governing Council, 14 February 2008".
Die FAO unterhält auch eine Sammelseite zur "World Food Situation" mit Links zu zahlreichen Informationen.
Hier die deutschsprachige Webseite des Welternährungsprogramms.
Im übrigen habe ich, auch in der Hoffnung, auf diese Weise eher Gehör zu finden, in verschiedenen Foren einen Text eingestellt (und dann auch hier und da eingegriffen), der genau konträr zu meiner wirklichen Meinung steht. Es war interessant zu verfolgen, wie unterschiedlich die Reaktionen waren; einige haben meine Camouflage sogar enttarnt; allerdings hatte ich in meinen Texte durchaus entsprechende "Fährten" eingebaut.
Nachfolgend die Links zu meinen -4- Postings:
Politik.de (http://www.politik.de/forum/showthread.php?p=7675012)
Politikforen.net (http://www.politikforen.net/showthread.php?p=1988046#post1988046)
Attac (http://www.attac.de/forum/viewtopic.php?p=69515#69515) und
"Die Zeit" (http://kommentare.zeit.de/user/cangrande/beitrag/2008/02/29/hunger-der-welt-da-muessen-wir-doch-helfen).
Nachtrag 13.04.2008: Die politischen Räuberbanden formieren sich
Die Financial Times Deutschland berichtet am 10.04.08 unter der Überschrift "Lebensmittelpreise gefährden Kampf gegen Armut" über Forderungen (aus "unseren" Reihen!) nach höheren Zahlungen für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe, hier vom britischen Premierminister Gordon Brown:
"Weil ein Teil des Preisauftriebs aus die höheren Produktion von Biosprit zurückgehen, sieht Brown die Industriestaaten in der Pflicht. Als Ausgleich müssten die ärmeren Länder von den reichen Staaten mehr Unterstützung erhalten, fordert der britische Regierungschef. Zugleich sollten humanitäre Hilfsprogramme ausgeweitet werden."
Da werden wohl auch unsere finanziellen Schaufelbagger in Berlin nicht hintenanstehen wollen und mit jenem Geld, das sie uns zuletzt durch eine drastische Mehrwertsteuererhöhung aus der Tasche gezogen haben, generös um sich werfen.
Die "Biosprit-Begründung" für steigende Hilfen ist übrigens typisch für das verkürzte Denken (nicht nur:) der Politiker. Denn ebenso könnte man derartige Forderungen mit unserem hohen Rohölverbrauch begründen.
Zahlen werden wir; wahrscheinlich über die EU: da kann man das besser vor den Steuerzahlern verstecken.
"[Der Chef der] Entwicklungs-Kommission, John Clancy, deutete an, dass die EU die Löcher noch zusätzlich stopfen könnte. "Falls sich die Lage im Laufe des Jahres verschlimmert, würden wir weiteres Geld aus Fonds für Katastrophenhilfe locker machen", sagte Clancy der FTD. Die Begründung: "Das ist zwar kein Tsunami oder Erdbeben, aber die Inflation führt zu ähnlichen menschlichen Notlagen. Wir müssen deshalb aufpassen, dass keine finanzielle Dürre hereinbricht"
hieß es schon in dem FTD-Artikel "Hilfsorganisation ächzt unter Preisanstieg" vom 11.03.08.
Helfen wird unsere Hilfe letztlich nicht, nur schaden. Wie ich das bereits in meiner Parabel von Graf Gustav dem Guten und Baron Bodo dem Bösen ("Der Deutsche Wald: jenseits von Gut und Böse?", Webseite "Drusenreich eins" beschrieben hatte, werden kurzfristige Hilfen längerfristig nur die Zahl der Hungertoten steigern.
Abweichend von meiner Geschichte wird aber jetzt im realen Leben von uns sogar verlangt, unsere eigenen Nahrungsmittelkonkurrenten durchzufüttern. Denn eines Tages wird auf Grund der Rohölverknappung der Hunger auch bei uns ankommen. Und schon jetzt würden verstärkte Hilfe angesichts knapper Vorräte lediglich die Preise weiter steigen lassen, also eine unendliche Spirale auslösen, die auch uns massiv schädigen würde. Wie hieß doch gleich noch ein Spruch aus jenen alten 68er Tagen?
"Nur die allerdümmsten Kälber mästen ihre Metzger selber".
Se non è vero, passt er jedenfalls in dieser Form auf Forderungen nach verstärkter humanitärer Hilfe.
Das Problem der Nahrungsmittelknappheit ist längerfristig nicht lösbar. Nicht in der Dritten Welt, und nach meiner Einschätzung nicht einmal bei uns.
Weitere Artikel zum Thema u. a.:
"http://www.welt.de/welt_print/article1894226/Der_Hunger-Schock.html", Welt online vom 12.04.08. Die New York Times hatte am 09.03.2008 den treffendsten Titel (auch wenn dieses Faktum im Bericht selbst allenfalls abgeschwächt in Erscheinung tritt): "A Global Need for Grain That Farms Can’t Fill " .
Über unsere geplanten Ausgabensteigerungen für Entwicklungshilfe [die, das sei nur am Rande bemerkt, natürlich nicht die einzige und nicht einmal die kostspieligste Verschwendung unserer Steugergelder ist] erfährt man etwas in der Reuters-Meldung "[Entwicklungshilfe-Ministerin] Wieczorek-Zeul wehrt sich im Etatstreit gegen Steinbrück". Danach hat "Deutschland sich international verpflichtet ..., seinen Anteil von Entwicklungshilfemitteln am Bruttoinlandsprodukt, die sogenannte ODA-Quote, bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7 Prozent von derzeit 0,37 Prozent zu erhöhen."
Gibt es (außer inakzeptablen Rechtsradikalen und -vielleicht- den ebenso inakzeptablen Populisten der "Linken") irgend eine Partei oder Bewegung, die gegen solchen Wahnsinn aufsteht?
Oder die überhaupt begreift, dass und weshalb eine Steigerung der Entwicklungshilfe im Zeitalter der Ressourcenverknappung eine DEMENZ IN POTENZ darstellt?
Dieses Ministerium sollte schnellstens abgeschafft (und als Abteilung des Außenwärtigen Amtes weitergeführt) werden.
Nachtrag v. 26.04.08:
Die Neue Züricher (falsch: "Zürcher" heißt die!) Zeitung beschäftigt sich heute in einem informativen Aufmacher mit den Verhältnissen in Afrika: "Demokratie – des Hungers grösste Feindin". U. a. heißt es darin:
"Solcherlei Aktionismus ist mit Blindheit geschlagen. In paternalistischer Manier macht er sich anheischig, Entwicklungsländer aus ihrer Verantwortung für die eigene Lebensmittelsicherheit zu entlassen. Vor allem aber ignoriert er die politischen Barrieren, die insbesondere afrikanische Länder gegen Fortschritte auf ihren Wachstums- und Entwicklungspfaden errichtet haben." (Es geht hier um die Frage, ob Biotreibstoffe für die Hungerkrise verantwortlich sind. Die NZZ bezweifelt das; gegenwärtig mögen Zweifler Recht haben; zukünftig könnte es allerdings anders aussehen. Die von mir hervorgehobenen Zeilen lassen sich allerdings auch auf die Lebensmittelhilfe übertragen. Das der Autor einer solchen Hilfe kritisch gegenübersteht (ebenso wie ich, wenn auch vielleicht nicht ganz aus den gleichen Gründen), schließe ich auch aus dem Schlussabsatz:
"Afrikas Selbstverantwortung":
"Der Schlüssel für Afrikas Ernährungssicherheit und Prosperität liegt nicht bei tieferen Weltmarktpreisen für Reis und Weizen oder bei vermehrten Brosamen vom Tisch der Industrieländer in Form aufgestockter Entwicklungshilfe, sondern bei den Afrikanern selber. Sie müssen ihre Regierungen vermehrt zur Verantwortung ziehen. Wie der indische Wirtschaftswissenschafter und Nobelpreisträger Amartya Sen gezeigt hat, besteht zwischen der Gefährdung eines Landes durch Hunger und dem Engagement der Bevölkerung, ihre demokratischen Rechte einzufordern, ein enger Zusammenhang. Freie Wahlen, eine unzensierte unabhängige Presse und öffentliche Kritik an der Regierung halten diese auf Trab. Die Regierenden sehen sich gezwungen, bürgernah und effizient zu handeln. Die Behauptung Sens, in echten Demokratien gebe es keine Hungersnöte, ist nicht aus der Luft gegriffen." (Hervorhebung auch hier von mir)
Nachtrag 21.05.08
Ein umfangreiches Dossier der "Zeit" zum Thema Nahrungskrise findet sich hier.
Nachtrag 01.06.08
Und schon fließt das Geld. In großen Mengen fließt es da ab, wo kein Wähler was mitbekommt: bei der Weltbank. 1,2 Mrd. Dollar (ca. 780 Mio. Euro) macht die gegen den Hunger locker. Teils zwar als Kredit (wobei ich Zweifel habe, dass alle diese Kredite zurück gezahlten werden, bzw. das der Begriff "Kredit" überhaut in allen Fällen ernst gemeint ist), teils aber auch als direkte humanitäre Hilfe, nämlich für Liberia, Haiti, Dschibuti sowie für Togo, den Jemen und Tadschikistan. (s. a. hier und in zahlreichen anderen Berichten)
Damit nicht genug, fordert Weltbank-Präsident Robert Zoellick zusätzliche Finanzmittel für humanitäre Hilfe des Welternährungsprogramms (WFP). Außerdem sollen für Kleinbauern in Afrika schnellstens Saat und Düngemittel zur Steigerung ihrer Produktion bereitgestellt werden.
Das alles kostet nicht nur einfach Geld (weil es ja nicht umsonst zu haben ist): das kostet doppelt! Denn die Düngemittelpreise sind schon gestiegen, und wenn wir jetzt zusätzlich Dünger kaufen, um ihn zu verschenken (oder technisch anders: Geld geben, damit andere zusätzlich Dünger kaufen), steigert das die Nachfrage am Markt und damit die Preise.
Wir angeblich ja ach so reichen Steuerzahler in den industrialisierten Nationen werden also doppelt geschröpft: unser Geld fließt ab (über möglichst weit entfernte Hähne, aber auch das Geld der Weltbank ist kein Spielgeld, sondern irgendwo hart erarbeitet worden) und damit finanzieren wir die Inflation von Gütern, die wir selbst brauchen: Nahrungsmittel, Dünger und letztendlich irgendwo immer auch das Erdöl, das hinter jeder modernen Agrarwirtschaft steht.
Nachtrag 03.06.2008: IT'S ONLY MONEY!
Es sind ja nur 30 Milliarden, welche dieser Hilfs-Funktionär uns abluchsen möchte:
" 'Nur 30 Milliarden Dollar' pro Jahr wären notwendig, um Hunger und Unterernährung auszurotten, sagte Jacques Diouf, Generaldirektor der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO)."
Dieses Zitat habe ich allerdings insofern aus dem Zusammenhang gerissen, als ich die von Diouf gegebene Erläuterung für sein "nur" weggelassen habe: er hat nämlich die 30 Milliarden zu jenen 1.200 Milliarden Dollar in Beziehung gesetzt, welche jährlich weltweit für die Rüstung ausgegeben werden.
Dennoch bereiten mir Sätze wie die seinen nicht nur Unbehagen, sondern hängen mir mitlerweile zum Hals heraus. Denn zweifellos geben selbst jene Länder, deren Bürger Hunger leiden, mehr als 30 Milliarden für die Rüstung aus. Sollen sie doch ihre Soldaten heimschicken (Nordkorea zuerst - hahaha) und stattdessen ihre Bürger füttern. Wenn ihnen freilich ihre Rüstung wichtiger ist: warum sollen dann wir uns für deren Staatsinsassen verantwortlich fühlen?
Denn solche Sprüche laufen ja doch am Ende nie auf Abrüstung bzw. Umschichtung von Rüstungsausgaben auf Hungerhilfe hinaus, sondern auf zusätzliche Belastungen für uns: "Wir" (der Westen bzw. die industrialisierten Länder) sind ja sowas von reich, da "müssen" wir doch einfach unser Geld gen Süden senden.
Das mag jeder mit seinem eigenen Geld machen, aber nicht mit demjenigen Geld, welches unser Staat uns zwangsweise abnimmt mit dem Versprechen, daraus für uns Leistungen zu erbringen.
Weniger offenkundig ist ein rechnerischer Fehler in Dioufs Forderung. Wenn wir nämlich für 30 Mrd. Dollar mehr Lebensmittel einkaufen, treiben wir die Preise hoch. Und erneut reicht das Geld nicht mehr, und wieder muss mehr her.
Immerhin gibt es auch einige Lichtblicke bzw. Durchblicker in der deutschen Politik. Wie ich dem "Zeit"-Gespräch "Zu wenig für die Hungernden" vom 03.06.2008 mit der Oxfam-Agrarexpertin Marita Wiggerthale entnehme, hat Landwirtschaftsminister Horst Seehofer "dem Vorschlag der EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, die nicht benutzten Subventionsgelder für die europäische Landwirtschaft für die Vergabe von Mikrokrediten in den Entwicklungsländern einzusetzen, eine Absage erteilt." So beiläufig erfährt man, dass die Eurokraten sich (wieder einmal?) als Kleptokraten betätigen wollten indem sie uns ganz beiläufig - merkt ja niemand, weil das Geld ja sowieso an die EU abgedrückt wird - bestehlen, um sich auf dem Weltparkett als Wohltäter zu empfehlen. Aber erfreulicher Weise ist unser Seehofer kein Seedoofer.
Weiteres zum Auftakt des Welthungergipfels am heutigen Dienstag in Rom bringt auch der Artikel "Droht uns eine globale Katastrophe?" in der Zeit Online, natürlich mit dem obligaten Bild eines geldbörsenbrechenden Leidenskindleins versehen. Eine globale Katastrophe wird nach meiner Einschätzung so oder so kommen, weil die Nahrungsmittelproduktion rapide sinken muss, wenn das Erdöl noch knapper wird. Und das dürfte nicht mehr lange dauern. Und dann auch uns erwischen.
Anstatt zum Palaver nach Rom zu jetten,
Um eine verlorene Welt retten,
sollten wir uns lieber um unsere eigene -nicht ferne sondern vermutlich sehr nahe- Zukunftsbedrohung Gedanken machen.
Textstand vom 03.06.2008. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
finden Sie eine Gesamtübersicht meiner Blog-Einträge (Blotts).
Soweit die Blotts Bilder enthalten, können diese durch Anklicken vergrößert werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen