Mittwoch, 29. Januar 2025

Alice im Wunderland der Geldtheorie

 
Die Überschrift dieses Blogposts ist ein Relikt.
Ursprünglich wollte ich tatsächlich nur die geldtheoretischen Ausführungen behandeln, die (Dr.) Alice Weidel in ihrem Buch "WIDERWORTE. Gedanken über Deutschland" macht (Inhaltsverzeichnis und Anfangsseiten gibt es als Leseprobe auf der Verlags-Webseite).

Ihre dortigen Ausführungen (im Kapitel "Euro-Legenden und Papiergeld-Schwindel") bewegen sich auf dem üblichen überschaubaren Niveau der (vulgär-)"österreichischen" (engl. Adjektiv "austrian", Substantiv "Austrian") Vorstellungen von Volkswirtschaft. Diese hatte ich bereits im November 2014 in meinem Blott "Heilt die 'österreichische' Kur unser angeblich 'krankes' Geld?" (und schon früher in einer Reihe von Blogposts) widerlegt. 
Ausführlich hatte ich die Webfehler der (vulgär-)"österreichischen" Geldsystemphantastereien dann im Dezember 2014 in einer Besprechung von drei Geldsystem-Änderungsvorschlägen "österreichischer" Geldtheoretiker offengelegt: "Hat Autor nicht auch Grips beineben, kann Leser nicht recht glücklich sein. Eine Polemik gegen Monetär-Obskurantisten, die das Volk im Kerker der Geldirrtümer verschmachten lassen. Und welche 'Gouverneure' vom Monetär-Fetischismus der Austrians profitieren".

Aber ein auf Weidels Vorstellung vom Geldsystem (dem bestehenden wie einem vermeintlich besseren Gegenentwurf) verengter Blickwinkel wird ihr und dem Gesamtkomplex, um den es aus meiner Sicht gehen sollte (AfD - Deutschland - Politik) nicht gerecht. Zudem fand ich im Internet nichts, was auch nur entfernt als Besprechung des Weidel-Buches bezeichnet werden könnte.


Auch ich will keine Rezension im engeren Sinne liefern, die das Buch als Gesamtheit präsentieren und analysieren müsste.
Vielmehr werde ich völlig unsystematisch einfach einige Passagen herausgreifen, die mir aufgefallen sind: positiv, negativ - oder einfach nur als ungewöhnlich.

Letztlich will ich wissen, "wie die Weidel tickt". Dafür werde ich über den Buchinhalt hinaus auch auf andere Informationsquellen zugreifen. Überhaupt ist der vorliegende Text eher eine Art von Materialsammlung als eine strukturierte Analyse.
Für die Umarbeitung zu einer solchen fehlen mir die Zeit ebenso wie die Motivation. So dient auch die vorliegende Wörterkompilation mehr meinem eigenen Erkenntnisgewinn denn der Kommunikation mit den voraussichtlich nicht vorhandenen Lesern.


AUS WEIDELS BUCH LÄSST SICH KEIN BRAUNER HONIG SAUGEN: DRUM WIRD ES NIRGENDS REZENSIERT

Die Kundenrezensionen bei Amazon (die merkwürdiger Weise erst am 23.11.2023 beginnen) sind, soweit positiv, alle mehr oder weniger kurz und dem entsprechend nicht besonders aufschlussreich. Eine Reihe von "Rezensenten", vermutlich Hassifanten (ultralinke Hass-Antifanten), hat jeweils nur einen Stern vergeben und das auch nur mit einem oder wenigen Sätzen begründet. Der Text dieser "Rezensionen" lässt vermuten, dass (fast?) niemand von denen das Buch überhaupt gelesen hat; da geht es lediglich um Hass und Hetze gegen Alice Weidel und die AfD und um ein Herabdrücken der Bewertung.

Ansonsten konnte ich im Internet lediglich drei Texte auffinden, die ein wenig auf das Buch eingehen. Eine eigentliche Buchbesprechung ist jedoch keiner davon:
  1. "Neoliberalismus und rechtspopulistische Ideologie am Beispiel Alice Weidels" von Markus Gante, ursprünglich 2019 publiziert, wurde am 11.07.2020 auf der Webseite des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) eingestellt. Der Beginn (über ein Drittel) ist reines "Framing". Der Rest des Textes beschäftigt sich lediglich mit Weidels Libertarismus. Der zieht sich tatsächlich konstant durch ihr Buch und nimmt zweifellos auch in Weidels Denken einen breiten Raum ein; dem Libertarismus (besonders dessen extremen Varianten) stehe auch ich äußerst kritisch gegenüber. Doch argumentiert der Autor von einer ultralinken Warte aus und teilweise sogar mit unsubstantiierten Unterstellungen. Für mich ist sein Text Hass und Hetze in pseudo-wissenschaftlichem Gewand.
  2. Auf der Webseite "Lesering" wird Weidels Buch zusammen mit einem anderen empfohlen: "Zwei Autoren, ein Titel. Die Bücher 'Widerworte' - Alice Weidel und Alexander Kissler" (15.03.2019) Der oder die Verfasser(in) macht einigen Bohei um die angebliche Titeldoppelung [vgl. auch diesen SPIEGEL-Bericht vom 14.03.19], die aber bei genauerem Hinsehen gar keine ist. Denn der vollständige Buchtitel lautet bei Kissler: "Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss". Über den Inhalt bei der Bücher erfährt man in dem kurzen Text praktisch nichts.
  3. Dann ist da noch die BILD-Zeitung, die am 10.03.2019 titelte: "AfD-Frontfrau: Weidel verrät, wer sie zum Partei-Eintritt überredete" [nämlich ihre Ehefrau Sarah Bossard]. Dass die BILD diesen sozusagen klatschhaften Gesichtspunkt herausgreift, ist durchaus legitim. Dass sie ansonsten den Buchinhalt auf die abschätzige Bemerkung reduziert "Weidels Werk liest sich streckenweise so, als sei es einem Dauer-Wutanfall entsprungen ('Höchste Zeit, dass wir als Bürger auf die Barrikaden gehen', usw.)" ist dagegen wiederum pure Hetze. Selbstverständlich äußert sich Weidel kritisch gegen die herrschenden Polit-Paradigmen. Doch bewegt sich ihr Buch sprachlich und gedanklich auf einem soliden bis gehobenen (aber nicht abgehobenen) Niveau.     (Brandaktuell bewertet die BILD selber die "Bluttat von Aschaffenburg" - zutreffend - als "Ergebnis heimatfremder Politik": Und dagegen soll der Schlafmichel NICHT auf die Barrikaden gehen? Und das ist ja nicht der erste Fall, wo Immiggressoren Menschen abgemessert, vor Züge geworfen oder anderweitig massakriert haben. Oder sollen wir brav warten, bis sogar der letzte BILD-Redakteur merkt "Plötzlich Krisentreffen wegen Aschaffenburg-Messermord: Es ist zu spät, Herr Kanzler"? Doch ist ohnehin nicht die Kriminalität die allergrößte Gefahr bei der Massenimmiggression, sondern die Demographie.)

Dagegen sind zu dem Gesprächs-Buch von Höcke mindestens ca. 15 größtenteils äußerst intensive Analysen online. Der Unterschied erklärt sich wohl daraus, dass die Rezensenten in aller Regel AfD-kritisch sind. Und aus dem Weidel-Buch nicht den ersehnten braunen Honig saugen können. Was natürlich FÜR Alice Weidel spricht.

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"1) WARUM POLITIK?"

Wie ich bereits sagte, werde ich mich großenteils von Kapitel zu Kapitel durch Weidels Buch durchhangeln (doch manchmal auch weiter ausgreifen). Dem entsprechend verwende ich Weidels (auch im Original durchnummerierte) Kapitel-Überschriften auch bei mir als Zwischentitel; "Warum Politik" ist (bei ihr) bzw. behandelt (bei mir) also das erste Kapitel des Weidel-Buches.

Der Beginn ist ungewöhnlich:
Wollen Sie sich das einfach so gefallen lassen? Ich nicht.
Nein, ich auch nicht. Aber Moment mal: Worum geht es denn eigentlich? Im Detail erfährt der Leser das erst im 2. Absatz:
Exekutiven, die sich über die Gesetze hinwegsetzen, unsere Grenzen wie Scheunentore öffnen, Notenbanken, die gegen ihre Statuten verstoßen und Staats- sowie Unternehmensfinanzierung betreiben, das alles sind für mich Geschichten aus dem Gruselkabinett. Als Bürgerin bewegt mich die Sorge vor diesen Entwicklungen, die ich als gefährliche Störungen der Rechtsstaatlichkeit wahrnehme. Jeder Deutsche sollte allein schon aus der Geschichte sensibilisiert genug sein, um zu wissen, wohin es führt, wenn Regierende geltendes Recht aushebeln und zu ihren Gunsten verbiegen und es im letzten Schritt gegen die eigene Bevölkerung richten können.

Hier hätte ich schon einige Anmerkungen bzw. Fragen, z. B. was die Unternehmensfinanzierung durch Notenbanken angeht (Konjunkturpolitik?!). Aber es wäre unvernünftig, sich an solchen einleitenden Sätzen abzuarbeiten; daher werde ich Weidels Meinungsäußerungen oder Tatsachenbehauptungen erst bzw. nur dann behandeln, wenn sie diese im Folgetext irgendwo näher ausführt.

Wann und wodurch Alice Weidel zur AfD kam, das dürfte jeden interessieren; daher hier die einschlägige Stelle im Zitat:
Schimpfe nicht nur, tu etwas für eine bessere Politik und Gesellschaft: Dazu riet mir auch meine Lebensgefährtin, die mein beständiges Kritisieren der herrschenden Politik schließlich nicht mehr hören konnte. Also ... engagierte [ich] mich: zunächst für die Wahlalternative 2013 ..., später dann für die Alternative für Deutschland. In die AfD trat ich im Oktober 2013 ein, nachdem sie im ersten Anlauf den Sprung in den Bundestag nicht geschafft hatte. Mein Ziel war, mich in die Programmarbeit einzubringen und so meinen gesellschaftspolitischen Beitrag zu leisten.
An der Gründung der Partei war Weidel also nicht beteiligt, doch fällt ihr Geburtstag auf denselben Tag wie die "Geburt" der AfD: den 06. Februar*!
*(Sehr ausführlich berichtete das ZEIT-Magazin am 19./20.07.2017 über die Parteigründung: "Alternative für Deutschland: Die Stunde der Gründer". Die Partei selber ist viel zu borniert, um ihre eigene Geschichte auf der Partei-Webseite zu präsentieren, reflektieren und zu erinnern.)

Und etwas weiter:
Dieses Buch ist dennoch kein Parteiprogramm. Es ist meine persönliche Vorstellung davon, wie Deutschland in Zukunft aussehen soll und wie es im 21. Jahrhundert bestehen und dabei Deutschland bleiben kann. ... Es kann uns nicht egal sein, was aus diesem Land wird, denn es ist unser Land, das uns geprägt hat. Wer es zerstört, zerstört unsere Identität. Höchste Zeit also, dass wir Bürger wieder auf die Barrikaden gehen."
Dieser Aufforderung kann ich nur zustimmen.
Auch ich war "auf die Barrikaden" gegangen - durch meinen AfD-Eintritt im März 2013. Als allerdings (auf dem Riesaer Bundesparteitag von 2022) sichtbar wurde, dass dort nicht die Patrioten das Sagen hatte, sondern die Partei weitgehend in die Klauen von Patriautisten gefallen war, habe ich sie wieder verlassen: Die machthabenden, deutschlandhassenden Regime-Teufel mit politisch retardierten deutschnationalen Beelzebuben auszutreiben, war für mich keine attraktive Alternative.
Alice Weidel gehört nicht zu denjenigen, die mich aus der AfD herausgeschreckt haben; ein einfältiger Jubel-Fan bin ich freilich auch bei ihr nicht. (Wie sich unten sicherlich noch zeigen wird.)


"2) UNSER VERHÄLTNIS ZU FREIHEIT, EIGENTUM UND RECHT"

Weidels Definition
"Freiheit ist für den Bürger nicht die Lizenz zum ungehemmten, rücksichtslosen Egoismus, sondern der notwendige Freiraum, um seine Verantwortung wahrzunehmen und eigene Entscheidungen zu treffen"
kann ich von ganzem Herzen zustimmen; aber wenn ich etwas weiter lese
"Entweder man ist links und kollektivistisch eingestellt, oder man
ist Bürger und liebt die Freiheit, die republikanische Freiheit vor der
Übergriffigkeit eines sich in sämtliche private Lebensbereiche
einmischenden Staates"
dann schwant mir schon, dass ihr wahres Verständnis von Freiheit möglicher Weise doch etwas simpler strukturiert ist, als die wohlgesetzten Worte ihres Buches suggerieren. 
Denn zwischen Linksaußen und libertär(außen) liegen die Realitäten und die Erfordernisse des wahren Lebens. Wer Politik und Gesellschaft ernsthaft (also nicht nur in der agitatorischen Auseinandersetzung mit den politischen Gegner, wo ich das durchaus auch selber tue) auf binäre Bewertungen reduzieren zu können glaubt, der oder die kann mein politisches Vertrauen nicht gewinnen.

Doch findet Weidel rasch zurück zum staatsmännischen Duktus:
Seine Grenzen findet der Freiheitsdrang des Einzelnen in der Freiheit der anderen. Der Staat ist daher der natürliche und ewige Widerpart der Freiheit. Denn ohne gesellschaftliche und staatliche Ordnung und Organisation kann der Mensch, das soziale Wesen, das »Zoon politikon« des Aristoteles, nicht auskommen. Er braucht die Gesellschaft anderer, um sich geistig, kulturell und wirtschaftlich zu entfalten, und diese Gesellschaft will organisiert sein. Denn der Mensch ist zugleich Mängelwesen. Gerade weil die Evolution ihn nicht auf eine bestimmte, eng umgrenzte ökologische Nische festgelegt hat und er sich auch an den widrigsten Lebensraum anpassen kann, bedarf er der Institutionen, die seine äußeren Lebensumstände ordnen und stabilisieren und ihm den Austausch mit anderen, den »Markt«, erst ermöglichen.
Nur passt ihre Beschreibung des Staates als "ewige[m] Widerpart der Freiheit" nicht mit jener unmittelbar anschließenden Beschreibung zusammen, wo sie den Staat (richtiger Weise) als notwendige Voraussetzung von Freiheit schildert. Danach könnte man den Staat vielleicht als "ewiges Widerlager" der Freiheit einstufen: ein notwendiges Fundament. Das freilich auch versagen und die Freiheit bedrohen kann.

Der freiheitliche Staat ist deshalb der Staat, dem die Bürger zugleich einen Vertrauensvorschuss einräumen und ihm jederzeit wachsam misstrauen. Ein Staat, über dessen Handeln die Bürger maximale Mitsprache und Kontrolle ausüben können. Die wirksamste Kontrolle ist die Kontrolle durch Wahlen und Abstimmungen – am effektivsten durch Volksabstimmungen –, durch die Ämter und Befugnisse samt den Mitteln zu ihrer Erfüllung übertragen und auch wieder zurückgenommen werden. 
Volksabstimmungen (wie man sie z. B. aus der Schweiz kennt) sind sicherlich ein Element demokratischer Kontrolle der jeweils Machthabenden. Über Schicksalsfragen, wie z. B. den Euro-Beitritt, hätte in der Tat das (deutsche) Volk entscheiden müssen - und nicht die herrschende Polit-Clique. Aber die "effektivste" Kontrollmöglichkeit sind sie keineswegs.
Zum einen sind sie in der Regel binär angelegt, auf eine Ja-Nein-Entscheidung. Diskussionen über eventuelle alternative Regelungen sind in diesem Rahmen nicht möglich.
Vor allem kann man Volksentscheide höchstens ein- oder zweimal im Jahr durchführen, nicht regelmäßig zu allen anstehenden größeren Gesetzen.
Und schließlich und letztlich kosten sie Geld. Die Belastung der Staatskasse wäre, um der Demokratie willen, hinzunehmen. Aber um überhaupt für eine Sache zu werben, müssen sich Geldgeber, Organisatoren und Unterstützer finden. Das könnten gerade diejenigen sein, die private (z. B. finanzielle) Interessen an einer (Nicht-)Regelung haben.
Das Schweizer Volk zumindest hatte immerhin genügend Reife, um spinnerte Initiativen wie dasjenige für angebliches "Vollgeld" abzuweisen (vgl. meinen Blogpost "Helvetische Vollgeld-Fantastilliarden"). Aber das wohl weniger aus echter Einsicht in die Materie als im Vertrauen auf die Regierung, die eine Ablehnung empfohlen hatte. (Und vermutlich auch die allermeisten Medien.)

Es gäbe eine weitaus bessere Alternative, die Herrschenden zu zwingen, sich mehr am Willen des Volkes zu orientieren: Rotationswahlen - oder wie immer man das nennen will.
Ansatzweise gibt es ein solches System bei den Senatswahlen in den USA. Darüber informiert die Wikipedia"Die Mandatszeit der Senatoren dauert sechs Jahre. Alle zwei Jahre wird etwa ein Drittel des Senats neu gewählt".
Beim Bundestag (und auch bei den Landtagen) wäre dieses System sinnvoller Weise zu modifizieren. Beispielsweise individuelle Amtsdauer fünf Jahre, aber jedes Jahr Neuwahl von 1/5 der Abgeordneten (oder auch 6 Jahre Amtszeit, jährliche Neuwahl von 1/6 der Parlamentsmitglieder). 
Unter dieser Regelung wäre längst Schluss mit der Massenimmiggression. Es hätte sich auch keine Regierung getraut, mitten in der Energiekrise die letzten Atomkraftwerke abzuschalten.
Aber so viel Volksbeteiligung ist sogar den "Volksfreunden" von der AfD nicht geheuer. Auch die möchten lieber 4 Jahre lang durchregieren, falls sie jemals an die Macht kommen.
Und leider haben die Medien auch das deutsche Stimmvieh so abgerichtet, dass es sich selber keine verantwortungsbewussten Wahlentscheidungen zutraut. Und zufrieden ist, wenn es alle vier Jahre wählen - und dazwischen mosern - darf.

Sehr klug attestiert AW den Deutschen ein gespaltenes Verhältnis zur Freiheit:
Uns Deutschen wird oft ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit und mangelhaft ausgeprägte Freiheitsliebe nachgesagt. Der Vorwurf besteht zu Unrecht – und zu Recht. Zu Unrecht, weil die deutsche Nation eine lange und eindrucksvolle Freiheitsgeschichte hat, die sich vor denen anderer Nationen nicht zu verstecken braucht.
Die Rückseite der Medaille beschreibt Weidel zutreffend so:
Doch das Verhältnis der Deutschen zur Freiheit hat zwei Seiten. Auf der Kehrseite steht die unselige Neigung, der herrschenden Obrigkeit länger zu vertrauen, als es guttut; die Augen viel zu lange vor Fehlentwicklungen zu verschließen in der trügerischen Hoffnung, »die da oben« wüssten schon, was sie tun, statt gegen die fortschreitende Entmündigung aufzubegehren.
 
Diese Passage wird allen denjenigen übel aufstoßen, die sich vom Weidel-Buch Futter für ihren Kampfauftrag gegen die AfD erhofft hatten. 
Das ["eindrucksvolle Zeugnisse des deutschen Freiheitswillens, die bis heute fortwirken und den Geist der Weimarer Verfassung und des Grundgesetzes geprägt haben"] macht die dunklen Kapitel unserer Vergangenheit, die NS-Diktatur und ihre furchtbaren Verbrechen, vor allem den millionenfachen Massenmord an den deutschen und europäischen Juden, nicht ungeschehen und löscht sie auch nicht aus. Aber es ist eine Tradition, auf die die Deutschen mit Stolz zurückblicken können, ohne ihre Verantwortung für im deutschen Namen begangene Untaten vergessen zu müssen.
Mancher mag motzen, weil AW den von Deutschland (in Europa) ausgelösten 2. Weltkrieg nicht erwähnt, aber weiter unten bekennt sie ausdrücklich, dass
der Nationalsozialismus ... unsägliches Leid und Elend über Europa gebracht" habe und zwar u. a. "durch den verbrecherisch vom Zaun gebrochenen Krieg".
Ihr Abscheu gegen den Nationalsozialismus klingt ehrlich; er wirkt in keinster Weise irgendwie gestellt. Und parteiintern kann sie damit ohnehin keinen Blumentopf gewinnen; der Geschichtsklitterer Björn Höcke würde (oder wird) rotieren, wenn er liest, dass eine Parteifreundin dem Adolf (zutreffend) die alleinige Kriegsschuld anlastet.
Nein, mit der Nazi-Keule kann niemand die AW politisch keulen!

Aufschlussreich im Zusammenhang mit dem, was der Weidel-Eintrag in der Wikipedia unter "Wahrnehmung und Darstellung von Adolf Hitler" abhandelt und was mich in meinem jüngsten Blogpost "Der 9 Milliarden Fakenews-Funk" ausführlich untersucht hatte, sind jene Ausführungen, die AW in ihrem Buch über Hitler bzw. die Nazis macht.
Der "Nationalsozialismus ... [hat] auch das eigene Volk ruiniert: Erst durch
sozialistische Defizitfinanzierung, Wirtschaftslenkung und Enteignung,
welche die Staatsfinanzen noch in Friedenszeiten völlig zerrüttet hatten".
Von Enteignungen durch die Nazis weiß ich nichts.  Solche gab es wohl allenfalls bei jüdischen Unternehmen, doch hatte das nichts mit Sozialismus zu tun, sondern mit Rassismus.
Diesen Unsinn, die Nazis als Sozialisten zu charakterisieren, hatte schon Franz Josef Strauß begonnen (vgl. SPIEGEL-Bericht von 1979). Bei den Libertären ist er Gemeingut und in der AfD z. B. (in indirekter Formulierung) auch bei Peter Boehringer anzutreffen.

Was die angeblich "sozialistische" Defizitfinanzierung angeht: Das konnte, für Kriegszwecke, bereits das kaiserliche Deutschland 1914 ff.). Das in den USA "Bürgerliche" wie Ronald Reagan, George W. Bush und selbstverständlich (in seiner ersten Amtsperiode, aber jetzt will er das fortsetzen - und bekommt vom Markt schon jetzt die Quittung präsentiert) auch Donald Trump kräftig die Staatsschulden gesteigert haben, damit sich die Reichen an Steuersenkungen delektieren konnte, stört Alice Weidel zweifellos nicht. Hauptsache, die Verschuldung dient nicht zur Finanzierung des bösen, bösen Sozialstaats! (Dort kritisiere, wohlgemerkt, zwar auch ich eine Kreditfinanzierung. Aber ebenso dann, wenn die entrechteten und geknechteten amerikanischen Multimilliardäre die Staatskasse ausplündern und die Staatsausgaben inflationierend auf Pump "bezahlen". Wobei es lediglich eine Frage der Perspektive ist, ob die amerikanischen Staatsschulden nun die Steuersenkungen oder den gigantischen Militärapparat finanzieren (wie das bereits die Nazis getan hatten).

Auf den ersten Blick möchte ich AW nickend zustimmen, wenn sie sagt:
Bei einer Staatsquote von rund 50 Prozent fällt es schwer, noch von
Marktwirtschaft zu sprechen. 'Halbsozialismus' nennt Ludwig von Mises
das treffend in den 'Untersuchungen über den Sozialismus', die er in seinem
Werk »Gemeinwirtschaft« unternommen hat. Der Mythos der »sozialen
Gerechtigkeit«, die angeblich nur durch Umverteilung herzustellen sei, weil
der Staat besser zu wissen glaubt als die Bürger, wie deren Geld auszugeben
sei, hat die Deutschen lange hilflos gemacht gegenüber immer dreisteren
staatlichen Eingriffen in Vermögen und Privateigentum. Hier tritt die dunkle
Seite ihres ambivalenten Verhältnisses zur Freiheit unheilvoll zutage.
Lese ich dann jedoch in der "SCHWÄBISCHEN" vom 18.05.24:
"Die Kernaufgabe des Staates ist laut Weidel, die innere Sicherheit zu gewährleisten. Seine Ausgaben müsse der Staat beschränken. Dann könne man die Einkommensteuer drastisch senken. Sie plädierte für einen Einheitssteuersatz von 20 Prozent",
dann höre ich gleich ein ganzes Heer von Nachtigallen trapsen. Das ist purer Libertarismus. Denn vor allem wünschen sich die Besitzenden einen Nachtwächterstaat, der ihr (wie es üblicher Weise in solchen Zusammenhängen heißt) "wohlerworbenes" Gut vor der Gier der Habenichtse beschützen soll. Die dennoch den gleichen Steuersatz tragen sollen. Das ist denkbar unerfreulich - wenn man nicht gerade zu den Profiteuren gehört.
Aber ganz abgesehen von der von AW geplanten "Umverteilung" der Steuerlast zu Gunsten der Begüterten ist schon der Satz "Die Kernaufgabe des Staates ist laut Weidel, die innere Sicherheit zu gewährleisten" skandalös - oder strunzdämlich. Selbst wenn man den Wohlfahrtsstaat einmal ausklammert (den die Libertären hassen wie die Pest und der leider tatsächlich zu einer Hypertrophierung tendiert), bleiben noch eine ganze Reihe weiterer Staatsaufgaben, deren Erfüllung nicht zuletzt im Interesse der Besitzenden selber liegt. Da ist zum einen die Gesetzgebung in den Bereichen Straf- und Zivilrecht sowie der gesamte juristische Durchsetzungsapparat (der allerdings größtenteils auf der Länderebene angesiedelt ist, weshalb man im Zusammenhang mit Staatsausgaben an diesen Bereich nicht immer gleich denkt). Weitere sehr kostenträchtige Aktionsfelder des Staates sind die Ausbildung (ebenfalls größtenteils auf Länderebene angesiedelt und zu finanzieren) und der Verkehr. Diesen würden Radikallibertäre gerne privatisieren; das gäbe aber ein totales Maut-Chaos, weil jegliche Wege- und Straßennutzung dann extra bezahlt werden müsste (und sich täglich ändern könnte).
Jedenfalls steckt die Weidel wohl doch sehr viel tiefer im libertären Gedankengut drin, als sie in ihrem Buch offenbart. Das zeigt sich auch daran, welche Personen sie in ihrem nicht allzu langen Buch (152 S.) zitiert bzw. erwähnt:
  • Achtmal den ziemlich radikalen (verstorbenen) deutschen Libertären Roland Baader
  • Siebenmal Friedrich August von Hayek und
  • Dreimal Ludwig von Mises.
Einige dieser Zitate werde ich unten behandeln. Aber schon jetzt steht für mich fest, dass AW von diesen Autoren stark geprägt worden sein muss. Und insbesondere Roland Baader ist ein Sozialstaatshasser übelster Sorte. 

Und die "Staatsquoteschließt eben diese Sozialleistungen mit ein:
"
Die Höhe der Staatsquote wird demnach maßgeblich nicht nur dadurch beeinflusst, wie viele Personen im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, welche Höhe die Verteidigungsausgaben aufweisen und welche Investitionen getätigt werden, sondern auch dadurch, ob die soziale Sicherung, und hier vor allem die Alterssicherung, über den Staat bzw. die Sozialversicherungsträger abgewickelt wird oder über private Versicherungsunternehmen. Obgleich die Rentenversicherung wie auch die private Lebensversicherung im Wesentlichen das Gleiche tun, nämlich die Organisierung einer Einkommensumverteilung zwischen den Generationen, führt der für die Wohlfahrtsstaaten charakteristische Weg einer Organisierung über die öffentliche Haushalte zu einer deutlichen Erhöhung der Staatsquote."
Aber beispielsweise die im Umlageverfahren organisierte staatliche Rentenversicherung in Deutschland ist (soweit sie auf echten Anwartschaften beruht) keine Umverteilung, sondern eine hoch effiziente Versicherung. Die arbeitet, im Vergleich zu privaten, mit dem Kapitaldeckungsverfahren arbeitenden Versicherungen, mit relativ geringen Verwaltungskosten. Wer die abschaffen will, der will nicht den Rentnern etwas Gutes tun, sondern sie den "Kapitalsammelstellen", also den privaten Versicherungen, zur Abzocke ausliefern. (Ausführlich zur zweckmäßigen Organisation der Altersvorsorge vgl. meine zahlreichen Blogposts mit dem Täg "Rentenfinanzierung", z. B. über den "Lug und Trug der KDV-Klinkenputzer". Auch Prof. Meuthen, den ich ansonsten als AfD-Vorsitzenden sehr geschätzt hatte, hat sich an einem - ausgesprochen dilettantischen - Raubzug gegen uns Rentner versucht.)
Im Übrigen bewegt sich die Staatsquote bei zahlreichen europäischen Ländern um die 50% und selbst in den USA um die 40%.


Einschub zu den Personenerwähnungen im Buch:

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel erscheint sogar siebzehnmal. Aber dort geht es um politische Fakten, während Baader, Hayek und Mises die ideologische Ebene bezeichnen.

Den Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann nennt sie dreimal. Doch nur als Gewährsmann, der ihre Überzeugungen bestätigt, nicht als ideologischen Guru. Alle Erwähnungen beziehen sich auf das Interview "Die EU wird sich von selbst erledigen" in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 22.04.2017:
  • Was die Gründerväter der EU beabsichtigt haben, hätte ich sofort unterschrieben: ein Europa der Vaterländer. Eine bessere Organisationsform als die Nation hat die Menschheit bisher noch nicht entwickelt, das gilt zumindest innenpolitisch, und darauf hätten de Gaulle und Adenauer Rücksicht genommen. Deren Enkel waren da weniger weise. [Weidel zitiert:] Eine bessere Organisationsform als die Nation hat die Menschheit bisher noch nicht entwickelt."     Das kann man so sehen und auch ich möchte die Interessen "meines" Deutschland besser gewahrt wissen. Doch angesichts der heutigen Globalisierung (womit ich nicht die Konzerninteressen meine, sondern ein durch die modernen Verkehrs- und Kommunikationsmittel bewirktes "natürliches Zusammenwachsen" der Völker oder "der Welt") muss die Nation nicht unbedingt das Ende der welthistorischen Fahnenstange sein. 
  • "Der [von den staatlichen Erziehungsinstitutionen produzierte] 'Toleranzler', wie der in Berlin lebende Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann spottet: 'Dieses Wesen ist areligiös, antifaschistisch, antikapitalistisch, ökofixiert, sozialistisch, homophil, feministisch, raucherfeindlich, ausländerfreundlich, multikulturell, aber der eigenen Kultur, der eigenen Geschichte gegenüber sterilisiert'."     Diese Einheitsmenschen sind real. Und sie beherrschen unsere Gesellschaft und Politik (die ich deshalb "konsensfaschistisch" genannt habe). [Mich erinnert das an Goethes Italienische Reise, wo er über Assisi schreibt: "Die ungeheueren Substruktionen der babylonisch übereinander getürmten Kirchen, wo der heilige Franziskus ruht, ließ ich links mit Abneigung, denn ich dachte mir, daß darin die Köpfe so wie mein Hauptmannskopf gestempelt würden."     Damals wurden die Köpfe der Menschen - z. B. jenes Hauptmanns der päpstlichen Armee, den Goethe als ausgesprochen unintellektuellen Kutschengefährten erlebt hatte - in den Kirchen "gestempelt"; heute in den Universitäten. Und der Rest vor der und durch die "Glotze".]
  • Auch bei ihrer Kritik an der Euro-Einführung (die ich teile!) zitiert Weidel den Hürlimann: "... ist die EU unserer Tage tatsächlich, in den Worten Thomas Hürlimanns, ein vom anationalen Denken geprägtes 'deutsches Projekt': 'Weil die Deutschen ihre nationale Geschichte auf den Holocaust reduziert haben, wollen sie nun von dieser Fixierung loskommen und sich jeglicher Nationalität entledigen. Die Einführung des Euro ist die Stunde null eines Verdrängungskomplexes'."
Ob es daran liegt, dass Hürlimann Schweizer ist, oder an seinem Alter (Geburtsjahr 1950, nur 5 Jahre jünger als ich): Jedenfalls schert er sich bewundernswert wenig um politische Korrektheit.
Andererseits haben freilich auch die Schweizer die Ehe für alle. Darüber freut sich, verständlicher Weise, Weidels "Ehefrau" Sarah Bossard. Aus meiner Sicht hätte das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft (mit gleichen Rechten wie in einer Ehe, nur eben nicht unter dieser Bezeichnung) für solche Fälle ausgereicht. Dagegen, dass man derartige Partnerschaften dann als "Familie" bezeichnet (Weidel und Bossard haben zwei Söhne), können sich nur "Hauptmannsköpfe" in der AfD ereifern.
Und auch in der Schweiz ist das gewünschte Geschlecht zum "Wünsch-dir-was" verkommen. (Eine Übersicht über die "Rechtslage in Europa" bietet die Wikipedia-Eintrag zum deutschen "Transsexuellengesetz".)


Fünfmal tritt der konservative Historiker Jörg Baberowski in Erscheinung. Auch er als Bestätiger, nicht als intellektueller Leithammel. Z. B. so:
  • »Der europäische Nationalstaat war nur deshalb ein erfolgreiches Projekt, weil sich seine Bewohner ungeachtet aller sozialen Konflikte auch in Übereinstimmung miteinander wussten, weil gemeinsam Erlebtes und Gefühltes dem Zusammenleben einen Grund gegeben haben« – so formuliert es der Berliner Historiker Jörg Baberowski. Davon sei »wenig geblieben, weil die liberalen Eliten vergessen haben, dass Gesellschaften ihre Konsistenz verlieren, wenn Menschen, die in ihnen leben, nichts mehr miteinander verbindet.«
Den folgenden längeren Passus gegen die Massenimmiggression (mein Ausdruck, AW würde niemals so reden!😁) reproduziere ich nicht wegen des Baberowski-Bezuges, sondern weil sie (nach meiner Einschätzung glaubhaft und ehrlich) kommunizieren, wie (realistisch) AW jenseits von Wahlkampfreden (die natürlich nicht entfernt so differenziert argumentieren können) WIRKLICH darüber denkt:
"Millionenfache Migration aus anderen Kulturen stellt die Grundlagen des Gemeinwesens, die ungeschriebenen Regeln des Zusammenlebens und damit die nationale Identität selbst infrage. Der tiefe Riss durch unser Land klafft nicht zwischen »Reichen« und »sozial Benachteiligten« und auch nicht zwischen »Demokraten« und »Ausländerfeinden«, sondern zwischen einer abgeschotteten, sich selbst privilegierenden politischen und medialen Elite auf der einen Seite und denen, die dafür nicht nur mit den Früchten ihrer Arbeit bezahlen, sondern mit dem gebrochenen Versprechen auf Sicherheit und Streben nach Wohlstand und Erfolg. Es ist der Konflikt, den der amerikanische Publizist David Goodhart etwas schematisch als den Interessengegensatz zwischen transnationalen Eliten (»anywheres«) und ortsgebundenen Mittel- und Unterschichten (»somewheres«) beschreibt, die nicht beliebig ausweichen und verlagern können. Oder, anders ausgedrückt, der Konflikt zwischen Bewahrern und Verschleuderern der Gemeingüter. Versöhnen lässt sich dieser Konflikt am ehesten durch eine an nationalen Interessen ausgerichtete Sicht auf Migration und durch eine republikanische Auffassung von Integration. Es ist nicht die Andersartigkeit von Hautfarbe, Abstammung oder Volkszugehörigkeit von Migranten, die Migration zum Problem, zur Bedrohung für den Zusammenhalt des Gemeinwesens macht, sondern das Gefälle von Zivilisations- und Entwicklungsstand. Dieses Gefälle zu überwinden ist ein langwieriger Prozess. Es verschwindet nicht durch den bloßen Akt der Zuwanderung und auch nicht durch ein paar »Integrationskurse«. »Gesellschaft wird nicht gestiftet, sondern erlebt«, stellt Jörg Baberowski fest. »Wenn Menschen einander nichts mehr zu sagen haben, weil sie sich jenseits des Milieus, in dem sie leben, gar nicht mehr verständlich machen können, ist es mit der offenen Gesellschaft bald vorbei.« Wir müssen daher verstehen, dass echte Integration nur gelingen kann, wenn Migranten den Wert der hier geschaffenen Gemeingüter kennen und schätzen und die Bereitschaft mitbringen, diese selbst zu bewahren und zu mehren. Wir müssen Fakten als Fakten akzeptieren und nicht als bloße Meinungen abtun – Hannah Arendt bezeichnete dies einmal als herausragendes Merkmal der deutschen Realitätsflucht."

Liest man gleich anschließend den Tagesschau-Kommentar der NDR-Journalistin Julie Kurz (aus dem Hauptstadtstudio der umstrittenen ARD) "Radikal mit bürgerlichem Anstrich" vom 24.01.2025 betritt man eine völlig andere "Bühne". 
Unter anderem schreibt Kurz: "In ihrem Buch 'Widerworte' beschreibt Weidel, wie ihre Lebenspartnerin sie mit den Worten 'Schimpfe nicht nur' ermutigte, in die Politik zu gehen." Danach darf man vermuten, dass sie das Buch gelesen hat. Wer es ebenfalls kennt versteht, warum die Staatsfunker mit ihrem Selbstverständnis als Kreuzritter gegen Rechts nicht daraus zitieren: Es würde ihre Hass- und Hetzpropaganda als solche entlarven! (Übrigens ist dieser taz-Bericht, allerdings von 2017, die pure Sachlichkeit im Vergleich zur NDR/ARD-Hetze! Und vor allem in einer Reihe von Punkten tatsächlich auch informativ!)

Zugegeben, Weidels im Tagesschau-Kommentar konstatierter "Schulterschluss mit Rechtsextremen", nämlich mit, (wie ich das Gespann von Björn Höcke und Götz Kubitschek nenne) "Höckitschek" irritiert in der Tat. Offenbar muss AW diesen Schulterschluss suchen, um in der AfD zu reüssieren. Das spricht freilich mehr gegen die Partei als gegen AW.

Auch ihre E-Mail von 2013 war in der Tat problematisch. Ursprünglich wurde er in der WELT AM SONNTAG thematisiert; am 09.09.2017 berichtete die WELT darüber. AWs anfängliches Bestreiten der Urheberschaft hielt nicht lange vor. Ich habe daran nicht den mindesten Zweifel. Das ZDF hat die Geschichte am 31.01.2023 noch einmal aufgewärmt; in diesem Bericht ist auch die vollständige Mail reproduziert.) 
[Nicht angeschaut habe ich mir das Weidel-Interview von N24 vom 04.09.2017, das ebenfalls in den "Mailkontext" gehört.]

Problematisch ist die Weidel-Mail für mich nicht deshalb, weil sie unsere Herrschenden als "Verfassungsfeinde, von denen wir regiert werden" bezeichnet hat: Das sehe ich, zumindest seit September 2015, ganz genau so. Und "Schweine" würde, in einer privaten Mail (um eine solche handelte es sich ja bei AW), vielleicht auch ich unsere Machthaber nennen.
Ebenso ist ihre Feststellung, dass wir 
"... von kulturfremden Völkern wie Arabern, Sinti und Roma etc. überschwemmt werden ...".
keineswegs rassistisch. Wenn sie (und davon gehe ich aus) mit "kulturfremd
nicht "kulturlos" gemeint hat, sondern "fremdkulturell" und/oder "der modernen Zivilisation ferner stehend". Das ist schlicht ein Faktum - auch wenn es die Immiggressionsfanatiker (wiederum MEIN Ausdruck!) nach Kräften wegzulügen suchen. 


Was mich jedoch WIRKLICH befremdet, und zwar ganz gewaltig, sind DREI andere Dinge.


Zunächst der Amerikahass, der dem "Schweine"-Ausdruck nachschwallt:
Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen.
"Siegermächte" werden gewöhnlich die Vier Mächte USA, SU, GB und F genannt. Dass sie (oder ihre anzunehmende Informationsquelle - dazu unten mehr) der Sowjetunion eine solche Einflussnahme auf Deutschlands Regierung unterstellen, ist höchst unwahrscheinlich. Und Großbritannien und Frankreich hätten gar nicht die Macht dazu. Somit ist die Annahme plausibel, dass mit den "Mächten" in Wirklichkeit einzig und allein die USA gemeint sind.
Dann aber indiziert diese Äußerung Maß von "Amihass", wie ich es zuvor unter den führenden AfD-Funktionären hauptsächlich von Björn Höcke kannte.
Dieser Amihass bestand bei AW wohl nicht nur zum Zeitpunkt der
E-Mail, also im Jahr 2013. Denn erst
 kürzlich bezeichnete AW in einem Interview mit einem amerikanischen Magazin (Original; es gibt auch eine deutsche Übersetzung) Deutschland als Sklaven:
"... wir Deutschen sind ein besiegtes Volk. ... Wir Deutschen haben lange in dieser Situation gelebt, durchaus zum Vorteil der USA. Aber auch wir als Individuen haben davon profitiert, das will ich nicht bestreiten. Ein Sklave zu sein hat auch Vorteile. Es ist das vornehmste Recht eines Dieners, nicht an den Kämpfen seines Herrn teilnehmen zu müssen, sondern den Frieden zu genießen."
(Auch) hier versteht sie, wie unter Ultrarechten allgemein üblich, die USA als jenes Land, das Deutschlands Souveränität unerträglich beeinträchtigt.

Natürlich müssen wir uns, als (weitaus) weniger mächtiges Land, "nach der Decke strecken" - wenn es irgendwo Interessengegensätze mit dem Hegemon gibt (hier also mit den USA) und dieser seine Interessen durchdrücken will.
Das müssen aber alle anderen Länder ganz genau so. Und wenn wir der amerikanischen Hegemonie entfleuchen wollten (und das auch könnten), dann kämen wir vom US-Regen in die Russen-Traufe. Denn auch die fühlen sich nicht als Wohltäter der Menschheit, oder gar spezifisch der deutschen Wieder-Großmacht-Träumer in der AfD, welche den Wladibär Putin als putziges Haustier wähnen.
Ich weiß also nicht, was insoweit in die Alice gefahren ist. Wer keine Weltmacht ist, der muss sich irgendwo anlehnen. Sogar Putin "lehnt" sich aktuell an China an, aber sogar an kleinere Länder wie Nordkorea und den Iran. Die Deutschen waren leider schon in der Kaiserzeit dumm und arrogant genug zu glauben, sie könnten ganz allein auf sich gestellt in der Welt bestehen. Das funktioniert nicht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Putin sich demnächst mit einigen Gebietsteilen der Ukraine zufrieden gibt, wird es früher oder später irgendwelche neuen Konflikte geben: Mit Russland um die Baltenländer, oder mit China um was auch immer. 
Die deutschnationalen Höckisten in der AfD wird die "Sklaven"-Äußerung natürlich beeindrucken. Es wäre auch nachvollziehbar, wenn AW das zu diesem Zweck gesagt hätte - ohne es wirklich ernst zu meinen. Aber ihre E-Mail von 2013 lässt leider vermuten, dass sich eine Aversion gegen den US-Hegemon ganz tief in ihr festgefressen hat.
Paradox ist das insbesondere deshalb, weil ihre libertäre Ideologie sich zwar auf die beiden Österreicher Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek beruft. Diese sie aber hauptsächlich im amerikanischen bzw. englischen Exil entwickelt haben. Emporgewachsen ist die libertäre Ideologie in den USA; von dort wurde sie nach Europa exportiert - genau wie in unserer Zeit der Wokeismus. Auf unterschiedliche Weise sind beide Ideologien Müll - wie überhaupt alle Ideologien. Die meist grundsätzlich gute und berechtigte Anliegen durch Übersteigerung pervertieren: Der Marxismus den sozialen Zusammenhalt; der Libertarismus die Freiheit der Individuen.


Der 2. und fast noch schlimmere Aspekt der Weidel-Mail ist die Bezugnahme auf die Webseite "Terra-Kurier". Die E-Mail schließt nämlich mit dem Hinweis: "Mehr dazu ein anderes Mal: http://terra-kurier.de/Deutschland.htm".
Heute erscheint dort nur noch die 404-Seite; klickt man jedoch eine Stufe aufwärts (bzw. entfernt man das /Deutschland.htm), dann gelangt man zu diesem Terra-Kurier (heutiger Untertitel: "Der terranische Beobachter"). Dass es sich nach wie vor um dieselbe Webseite bzw. denselben Seiteninhaber handelt, ists zu vermuten. Zwar sind dort, soweit ich das erkennen kann, heute nur noch Vorgänge ab 2022 abrufbar.
Doch der Artikel "Wie im Märchen: Statt Stroh zu Gold, wird CO2 zu Geld! oder Die CO2-Lüge" stand bereits 2013 dort (vgl. den Forenbeitrag von "Asuncion45" vom 24.07.2013. Und lt. einem Leserkommentar im (österreichischen) STANDARD sogar schon im Dezember 2008. (Hier von "paule1" auch für 2009 bezeugt.)
Im "Geopolitiker's Blog" hat der Forist "navy" am 23.09.2019 eine Übersicht von (tatsächlichen oder angeblichen?) US-Militärinterventionen gepostet, mit einem jetzt nicht mehr erreichbaren Link zum Terra-Kurier. Darunter folgt ein Text über angeblich von den USA (geplante) Atomwaffeneinsätze; unter diesem Text wird als Quelle "JKS – Terra-Kurier / 2013" genannt (ausweislich des Impressums ist JKS = Joachim K. Schmidt, 13469 Berlin, immer noch Seiteninhaber des Terra-Kurier).  
Die Liste und der "Atombomben"-Text sind jetzt noch auf der Webseite "Internetz-Zeitung" aufrufbar; die dafür das Copyright beansprucht: "© 2025 Internetz-Zeitung".

In der Waybackmachine finde ich diesen Eintrag vom 26.12.2012, also kurz vor der am 24.02.2013 verfassten Weidel-Mail (oben rechts das Datum):



Vergrößert, nur die Webseite:



Mit Ausnahme der beiden o. a. Fälle kann ich nicht sagen, welche Texte sich damals auf diesen Seiten befanden (vielleicht kennen andere sich da besser aus und fördern mehr zutage?) und insbesondere auch nicht im Internet-Archiv erkennen. Das obige Bild lässt freilich vermuten, dass das "Terra"-Portal damals (mindestens) genauso "schräg" gewesen sein muss wie heute. Jetzt jedenfalls geht es z. B. um "Flugscheiben" (die vermutlich von Echsenmenschen gesteuert werden und Chemtrails hinterlassen 😅😅😅) oder um Fakenews frisch aus der Propaganda-Bäckerei vom Wladibär, wonach Polizeibeamte in dem Haus, in dem der Kiewer Bürgermeister Witalij Klitschko wohnt, ein Bordell mit Sexsklaven entdeckt worden sein soll (auf der Nachrichten-Seite unter Verlinkung zu einem Eintrag auf dem telegram-Kanal der deutsch-russischen "Journalistin" - und Ex-Grünen - Alina Lipp).

Ich bin - geschockt.
Was etwa die Polemik gegen unsere germanophoben Machthaber angeht, bin ich selber ganz gewiss kein Kind von Traurigkeit. Aber meine diesen Polemiken (und überhaupt meinem Weltbild) zugrunde liegenden Informationen: Die lese ich ganz gewiss NICHT auf informationellen Müllkippen auf! In ihrem Buch hat das auch AW nicht getan: Darf man daher diesen alten Vorgang als einen (wie auch immer zustande gekommenen) "Ausrutscher" ansehen?
Allerdings: Dass AW der intellektuell eher simplen Ideologie des Libertarismus anhängt, und schrägen Vorstellung vom Geldwesen (s. u.), spricht für einen Hang zur geistigen Reduzierung komplexer politischer und sozialer Wirklichkeiten mittels ideologischer Schablonen. Der ganze Vorgang bleibt also befremdlich.


Für eine Tendenz zur Komplexitätsreduzierung mit untauglichen Mitteln bei A. W. spricht auch das dritte außerordentlich bedenkliche Element dieser E-Mail: Die verschwörungstheoretische Erklärung der Massenimmiggression. Sicherlich war die bereits in ihrer "Informations"quelle vorgegeben. Aber durch eigenständiges Denken hätte sie sich dieser Vorgabe entziehen können - und müssen.
Es geht hier noch einmal um den oben bereits unter "Amerikahass" untersuchten Satz
"Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen."
Damit unterstellt AW der (seinerzeitigen, aber wohl auch allen anderen) deutschen Regierung(en), dass sie die Massenimmiggression IM AUFTRAG DER SIEGERMÄCHTE (real meint sie sicherlich: im Auftrag der USA - s. o.) dulden oder fördern.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat das umfangreiche Buch "Das Bundesamt in Zahlen 2022" herausgegeben. Das präsentiert auf der S. 17 eine Übersicht "Asylantragszahlen seit dem Jahr 1995".
Weil die Tabelle auch wegen "2015/Merkel" interessant ist, ziehe ich eine längere Zeitreihe heraus, von 2005 bis 2016:
  1. 2005 -  42.908
  2. 2006 -  30.100
  3. 2007 -  30.303
  4. 2008 -  28.018
  5. 2009 -  33.033
  6. 2010 -  48.589
  7. 2011 -  53.347
  8. 2012 -  77.651
  9. 2013 - 127.023
  10. 2014 - 202.834
  11. 2015 - 476.649
  12. 2016 - 745.545
Die Weidel-Mail datiert vom 24.02.2013. Dass AW die o. a. Zahlen bis einschl. 2012 kannte, halte ich für unwahrscheinlich. Auf welchen Daten bzw. auf welchem Informationsstand baut ihr Wutausbruch also auf? Zweifellos auf Angaben im Terra-Kurier-Portal, die wir leider nicht kennen.
In der Zeit von 2005 bis 2010 schwanken die Asylanträge zwischen ca. 30.000 und 50.000. Größere Bewegungen gab es von 2005 zu 2006, allerdings als Rückgang (um ca. 30%). Von 2009 zu 2010 schnellen die Antragszahlen um knapp 50% in die Höhe. Sie bleiben allerdings mit knapp 50.000 in absoluten Werten auf einem relativ niedrigen Niveau.
Doch dieser Anstieg setzt sich in den beiden Folgejahren fort: von 2011 auf 2012 um knapp 50%, von 2012 auf 2013 sogar über 60%. Der absolute Wert für 2013 stand im Februar jenes Jahres natürlich noch nicht fest. Es wäre aber denkbar, dass damals auch die Monatszahlen (konkret für den Januar 2013) einen Sprung gegenüber dem Januar 2012 ausgewiesen haben und dass das, wie auch der steile Anstieg 2011 zu 2012, in den Medien kommuniziert wurde. Diese Sprünge haben vermutlich Teile der Öffentlichkeit - keineswegs nur den "Terraner" und seine Lesergefolgschaft - alarmiert und wurden damals wohl diskutiert. (Man könnte das im Internet nachrecherchieren, aber das ist mir zu mühsam und lohnt sich nicht.)
Vermutlich wurden in der öffentlichen Debatte (aber wohl nicht beim "Terra-Kurier") damals auch der wesentliche Grund für den Anstieg der Immiggressorenzahlen besprochen. Darüber informiert ein gut drei Jahre nach dem Urteil von einem gewissen Rainer Wehaus verfasster "Leitartikel zur Flüchtlingskrise: Liebe deinen Übernächsten", der am 24.09.2015 in den Stuttgarter Nachrichten erschien. Ich zitiere ihn hier ausführlicher, als es für mein Thema notwendig wäre. Denn dieser Kommentar zu diesem Thema ist ein rares Beispiele von Vernunft in den Mainstream Medien (MSM). Deshalb empfehle ich meinen Lesern dringend, den Volltext zu lesen.
Auch in diesem Textauszug stammen die Hervorhebungen natürlich von mir:
Müsste man eine Chronologie der Flüchtlingskrise schreiben, würde alles mit einer fast schon historischen Dummheit beginnen: Das Bundesverfassungsgericht kippte 2012 die Regeln zur Versorgung von Asylbewerbern und schuf in Deutschland eine Art Hartz-IV-Anspruch für alle Armen dieser Welt: 1500 Euro netto für eine fünfköpfige Familie, dazu kostenloses Wohnen – das ist das Angebot, das Deutschland seitdem der Welt macht. Kaum hatte sich das herumgesprochen, kamen die Armen vom Balkan, die bis heute fast 40 Prozent aller Asylbewerber ausmachen. Ein Drittel von ihnen kommt mehr als einmal, denn das Angebot ist zu attraktiv, um es ablehnen zu können.
Aber es war nicht nur der Balkan, wo sich das Angebot herumsprach. ..... auch andere[...] Arme[...] dieser Welt ..... kamen, machten Fotos vom reichen Deutschland und schickten sie zurück in ihre Heimat. ..... Und so zogen immer mehr Flüchtlinge immer mehr neue Flüchtlinge nach sich. .....
Die Flüchtlinge kamen in ein Land, das erstaunlich naiv ist. Liebe deinen Nächsten, heißt es in der Bibel, aber der Deutsche hebt seine Gefühle gern für den Übernächsten auf. Dass die Flüchtlingszahlen erst nach Erhöhung der Bargeldzahlungen in die Höhe schossen, wurde fast kollektiv vergessen. [Vgl. oben die Tabelle: Auch von 2013 auf 2014 stieg die Massenimmiggression um 60%! - br.] Stattdessen wurden in der öffentlichen Debatte Krieg und Gewalt als feste Gründe installiert, warum die Zahlen steigen. .....
Deutschland importiert mit dieser Politik Armut in großem Ausmaß und gefährdet sowohl seine Wettbewerbsfähigkeit als auch seinen Wohlstand. .....
Uns geht es zu gut: Anders lässt sich die Flüchtlingskrise nicht erklären. ..... Die Kanzlerin hat sich zur Schutzheiligen aller Flüchtlinge gemacht und damit die Krise verschärft. ..... Man darf gespannt sein, ob sie aus dieser Nummer wieder herausfindet. ..... Merkels Forderung, andere Staaten sollten mehr tun, sind ein Ablenkungsmanöver. Diese Flüchtlingskrise wird erst enden, wenn Deutschland sein großzügiges Angebot an die Armen dieser Welt wieder zurücknimmt.

Das Urteil erging am 18.07.2012; man darf vermuten, dass der Asylantenzustrom nicht lange danach stark anschwoll.

Der "Terra-Kurier" hat diesen rechtlichen Hintergrund wahrscheinlich nicht angesprochen, sondern die Regierung für das starke Anwachsen des Immiggressorenansturms verantwortlich gemacht und sie dafür beschimpft. Ich vermute, dass auch die an diese Fehleinschätzung anknüpfende Verschwörungstheorie ursprünglich von der Terra-Webseite stammt und nicht auf AWs eigenem Mist gewachsen ist. Was die Sache natürlich nicht besser macht.


Weiter mit der "Rezension":
Auf unserem Weg Seite für Seite durch das Buch waren wir oben bei der Passage
"Bei einer Staatsquote von rund 50 Prozent fällt es schwer, noch von
Marktwirtschaft zu sprechen. ... Hier tritt die dunkle Seite ihres ambivalenten Verhältnisses zur Freiheit unheilvoll zutage"
stehen geblieben. Bis zum Ende des 2. Kapitels ("Unser Verhältnis zu Freiheit, Eigentum und Recht") mache ich noch weiter. Danach werde ich ich zu Weidels wundersamer Geldtheorie springen.

Zitat (dem ich voll zustimme):
Die Vordenker der »Achtundsechziger«-Bewegung waren Marxisten. Die Schattenseite des gesellschaftlichen Siegeszugs der »Achtundsechziger« ist der von ihnen propagierte Kulturmarxismus, der unter dem Schlagwort der »Befreiung« einer Vielzahl freiheitsfeindlicher Ideologien den Weg vom exotischen Randphänomen in den politisch-gesellschaftlichen Mainstream bereitet hat. Die Ideologie des »Gender Mainstreaming« und des Multikulturalismus hat hier ebenso ihre Wurzeln wie die Diskreditierung des Leistungsgedankens in Schule und Bildung und eine weithin akzeptierte Technik- und Industriefeindlichkeit im Namen von Ökologie und »Klimaschutz«.
Alice Weidel identifiziert unsere gesellschaftliche (Abwärts-)Entwicklung völlig korrekt. Sie stellt aber diese Abläufe sozusagen geistesgeschichtlich dar; die Frage, WARUM sich die Kulturmarxisten durchsetzen konnten - also welche tieferen soziologischen oder kulturgeschichtlichen (im Spenglerschen Sinne) Entwicklungen wohl dafür verantwortlich sein könnten, beantwortet sie nicht.

Das sage ich nicht als Kritik; auch alle anderen Arbeiten zu diesem Thema bleiben auf dieser sozusagen "Vorderbühne". Und auch ich selber bin im Nachdenken über die EIGENTLICHEN Ursachen unserer (in Deutschland in mancher Hinsicht stärker ausgeprägten, aber grundsätzlich allgemein-westlichen) Schussfahrt ins Verderben nicht tiefer gedrungen. Ohnehin erwarte ich mir von der Lektüre eines Politiker-Buches keine tiefere Welterkenntnis, sondern lediglich Aufschlüsse über die Ansichten des/der Autor/s/in.
Meine Erwähnung wollte also lediglich in Erinnerung rufen, dass wir die soziokulturellen Hinter- oder Unter-Gründe der westlichen Selbst-Entwertung nicht kennen und dass alle diesbezüglichen Analysen an der Oberfläche herumkratzen. Das ist unbefriedigend; ob wir (Zeitgenossen; bei den Historikern mag das anders sein: aber das nützt uns dann leider nichts mehr!) überhaupt jemals bessere Erkenntnisse erlangen können, weiß ich nicht.
Doch so schmerzhaft es auch ist, sich eigenes Unwissen einzugestehen: Wir müssen uns diesem Problem wenigstens ehrlich stellen und dürfen es nicht verdrängen. Kurz: Unter der sichtbaren Schale gibt es noch einen Kern, der sich bislang unseren Blicken entziehen konnte.


Im Unterkapitel "Rechtsbruch und Staatskrise" identifiziert AW drei Rechtsbrüche unserer Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel:
  1. Die Euro-Rettung, welche "die Tür zum europäischen 'Superstaat' weit aufgestoßen" habe.
  2. "Die Energiewende", die "den Deutschen die höchsten Energiepreise Europas bei schwindender Versorgungssicherheit beschert" habe.
  3. "Und schließlich die unkontrollierte illegale Einwanderung von Millionen Menschen aus außereuropäischen Kulturkreisen, die das Land stärker und radikaler verändert als jede Fehlentscheidung zuvor, und das nicht zum Guten. Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der als 'Asylbewerber' Eingereisten ist tatsächlich verfolgt und damit asylberechtigt, nur ein Bruchteil wird je in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integrierbar sein."
Wer, der kein Blockparteien-Anhänger und gegenüber der Gesinnungsdiktatur des deutschen Cerebralavationsfunks hinreichend widerständig geblieben ist, würde AW nicht bei allen drei Punkte zustimmen?
Überhaupt ist das Buch in meinen Augen transparent gegliedert und argumentiert überzeugend und korrekt. 

A propos (Text-)Gliederung:
Alice Weidel hat an der Uni Bayreuth studiert, und zwar gleichzeitig VWL und BWL. Dort ist (oder war jedenfalls "zu ihrer Zeit") das vielleicht einzige akademische Zentrum der "österreichischen" Wirtschaftswissenschaft in Deutschland. Ihr Studium hat sie mit summa cum laude abgeschlossen, also mit der Bestnote. Danach war sie in China und hat auch Chinesisch gelernt. Deshalb konnte sie dortige Verhältnisse zum Thema ihrer Dissertation machen konnte: "Das Rentensystem der Volksrepublik China: Reformoptionen aus ordnungstheoretischer Sicht zur Erhöhung der Risikoresistenz". Das Buch selber ist anscheinend vergriffen, jedenfalls auf der Verlagsseite nicht mehr gelistet. Jedoch ist das Inhaltsverzeichnis auf verschiedenen Webseiten verfügbar. Ich vermute, dass sie im Text den Chinesen das Kapitaldeckungsverfahren als Methode der Rentenfinanzierung empfiehlt. Von diesem KDV halte ich rein gar nichts: vgl. meinen bereits oben erwähnten Blogpost "Rentendebatte: Lug und Trug der KDV-Klinkenputzer". Doch ist, soweit ich das nach dem Inhaltsverzeichnis beurteilen kann, die Gliederung ihrer Arbeit wunderbar logisch und transparent aufgebaut; beeindruckend ist auch die gedankliche Spannweite, mit der sie das Thema Rentenfinanzierung in den Blick nimmt. Und schließlich auch der Umfang des Literaturverzeichnisses, das offenbar ca. 30 S. umfasst.
[Meine eigenen "Bücher" sind eher nach dem Kraut-und-Rüben-Prinzip organisiert, z. B. mein eigenes voluminöses (Internet)-"Rentenreich": "Sinn substituiert die Konjunktion: rettet er die Renten durch ökonomische Akzeleration?".
(Dennoch denke ich, dass ich, was die ökonomischen Zusammenhänge der alternativen Rentenfinanzierungsarten Umlageverfahren -UV- und Kapitaldeckungsverfahren -KDV- angeht, einen besseren Überblick habe als so ziemlich alle Wirtschaftswissenschaftler. Einschl. AW, die vermutlich das KDV präferiert.)
Sowie leider auch der vorliegende Text.]


Nun reiße ich mich aber los und mache endlich, wie oben angekündigt, den großen Sprung nach vorn: zum "Geld-Kapitel".
Um meinen Lesern dennoch eine gewisse Orientierung über weitere Teile des Buches zu geben, teile ich zuvor noch die Titel der Kapitel und Unterkapitel mit. Eines Tages werde ich vielleicht auch diese Kapitel noch rezensieren: Jetzt schwinden meine Zeit und meine Motivation dafür:



"3. REPUBLIK AUS DEN FUGEN
  • Das »Zeitalter der Hypermoral«
  • Politische Romantik und grüne Ideologie
  • Der »antifaschistische« Totalitarismus
  • Sozialismus funktioniert nicht – nie und nirgends
  • Flucht aus der Nation

4. LAND DER WIDERSPRÜCHE
  • Europäische Sackgassen
  • Der Euro – das gescheiterte Experiment
  • Euro-Legenden und Papiergeld-Schwindel
  • Was ist »sozial«, was ist »gerecht«?
  • Sozialpolitik und die Ordnung der Wirtschaft
  • Die Herrschaft des Rechts wiederherstellen
  • Kriminalität und Staatsversagen
  • Freiheit oder Islamisierung
  • Migration, Integration und die Republik

5. MEHR REPUBLIK WAGEN - WIE WIR DEUTSCHLAND WIEDER NACH VORNE BRINGEN"



Nun zurück zu meiner (quasi-)Buchbesprechung, zum Kapitel

"4. LAND DER WIDERSPRÜCHE",  Unterkapitel: "Euro-Legenden und Papiergeld-Schwindel"

Hier weist AW zunächst nach, dass Deutschland NICHT vom Euro profitiert, sondern dass dieser uns sogar massiv geschadet hat:
..... seit 1995, dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Euro-Zeitplans, sanken die Zinsen für sie ["die südeuropäischen Hochschuldenstaaten"] kontinuierlich – und sich beispielsweise ... Griechenland, Spanien und Italien Lohn- und Gehaltssteigerungen um ein Drittel und mehr gönnten, stiegen im ersten Euro-Jahrzehnt die Einkommen im privaten und öffentlichen Sektor in Deutschland gerade mal um vier Prozent. Seit 1995 verzeichnet das deutsche Bruttoinlandsprodukt das zweitniedrigste Wachstum aller Euro-Länder überhaupt – nur Italien steht noch schlechter da.

Keinen Austritt aus der EU, wohl aber einen solchen aus der EWU, der Europäischen Währungsunion, fordert AW: 
Deutschland muss aus dem Euroverbund austreten, den »Euro-Dexit« vollziehen. Durch die vielfältigen und fortdauernden Verletzungen der Europäischen Verträge und die stetige Auflösung institutioneller Strukturen sowie die Aushebelung des parlamentarischen Budgetrechts ist der Austritt sogar geboten, weil die Geschäftsgrundlage einer angeblichen Stabilitätsgemeinschaft fortgefallen ist.
Ich möchte ihr da gerne zustimmen; auf jeden Fall teile ich ihre Meinung, dass die babylonische Gefangenschaft Deutschlands in der EWU uns massive Wohlstandsverluste "beschert" hat. Indes bin ich unsicher, ob das überhaupt noch möglich ist, bzw. welche anderen (politischen) Gefahren daraus für Deutschland resultieren könnten.
Eines freilich ist gewiss (sage ich nicht zu AW, sondern zum Kuchen-Esser-Behalter-Künstler Björn Höcke und zu seinen Trabanten und Stichwortgebern, wie auch zu einem Autor der JUNGE FREIHEIT, die allesamt glauben, Deutschland könne einerseits wieder total souverän werden, doch andererseits in einem lockeren Bündnis mit den anderen europäischen Staaten gegen die USA anstinken): DAS funktioniert todsicher NICHT, Freunde der Sonne! (Das funktioniert freilich nicht einmal dann, wenn man die EU zu einem Bundesstaat umwandeln würde.) Und ohnehin sind die anderen Europäer nicht derart dämlich, dass sie sich von depperten deutschnationalen Fossilien, welche die europäische Ukraine skrupellos an das "raumfremde" (Höcke!)  Russland verraten, damit der Wladibär uns lieb hat und uns hilft, groß und stark zu werden, für deren Zwecke einspannen lassen.

Weiterhin setzt sich AW mit der häufig vorgetragenen Behauptung auseinander, dass eine wiederhergestellte DM (nach einem deutschen Ausstieg aus dem Euro) so stark aufwerten würde, dass unser Export kollabieren würde: 
Eine Währung unter Aufwertungsdruck zu stabilisieren ist für Notenbanken eine recht triviale Angelegenheit: Sie kaufen einfach Devisen und tätigen dagegen Verkäufe der eigenen Währung, wobei sie durch eine »Sterilisierungspolitik« die inländische Geldmenge konstant halten. Der Vorteil bei dieser Devisenaufkaufpolitik ist, dass die Notenbanken Devisenreserven aufbauen können, so wie das beispielsweise die chinesische Notenbank in der zurückliegenden Zeit getan hat.
Was könnte man mit diesen Reserven nicht alles finanzieren! Man könnte beispielsweise einen Staatsfonds gründen, der die Gelder zweckgebunden treuhänderisch verwaltet.
Ganz so trivial ist das mitnichten. Die Aufwertung der eigenen Währung durch Ankauf der hereinströmenden Devisen zu stoppen ist in der Tat saueinfach. Die Folge ist aber - was AW auch richtig sieht - ein Anstieg der Geldmenge  im Inland. Die kann man zwar im Prinzip tatsächlich durch eine "Sterilisierungspolitik" wieder reduzieren; jedoch ist diese nicht frei von "Risiken und Nebenwirkungen". Möglich wären z. B. Zinserhöhungen für Zentralbankkredite. Das verteuert jedoch die Kapitalbeschaffung für die Unternehmen und beeinträchtigt dadurch deren Wettbewerbsposition gegenüber der Auslandskonkurrenz.
Allerdings hat die Schweiz, der ja sehr viele Auslandsgelder zuströmen, die Geldmengenstabilisierung anscheinend ganz gut hinbekommen.

Nicht gründlich nachgedacht hat AW allerdings, wenn sie eine Sterilisierung der durch Devisenankäufe gesteigerten inländischen Geldmenge quasi empfiehlt (oder fordert) und im gleichen Atemzug die Devisen (bzw. deren Äquivalent in inländischer Währung) munter wieder raushauen will ("Staatsfonds"). Das würde die Sterilisierung der Geldmengensteigerung nämlich wieder aufheben.

Anders wäre es nur dann, wenn die Notenbank mit den Devisen ausländische Werte aufkaufen würde. Das ist in der Tat international üblich. Aber normaler Weise kaufen die Notenbanken mit ihren Devisenreserven nur ausländische (Staats-)Anleihen auf, keine Unternehmen. Das scheint eine Art stillschweigender Konvention zu sein. Wollte dagegen (beispielsweise) die Bundesbank US-Aktien kaufen, würde Donald Trump im Dreieck springen - und ebenso die amerikanischen Bürger und Wähler. Sofort wäre von einem "Ausverkauf Amerikas" an Deutschland die Rede; die Amerikaner, aber auch alle anderen Länder (außer allenfalls Dummland Deutschland) würden unverzüglich die Notbremse ziehen. Diese Reaktion könnte ich auch sehr gut verstehen. 

AWs wenig später geäußerte, scheinbar geniale Idee
Durch den 'EuroDexit' – den Austritt Deutschlands aus dem Euro – könnte auch Deutschland den nötigen Spielraum gewinnen, um in Zukunft sein Rentensystem über einen solchen Staatsfonds zu stabilisieren
ist also illusorisch.

Am Rande:
Kurioser Weise ventiliert das Rentenprogramm (das "Rentenpapier" der Thüringer AfD-Fraktion mit dem Titel "Produktivitätsrente. Es geht um Wertschätzung") dieselbe untaugliche Idee (S. 48):
"Statt dabei zuzusehen, wie der deutsche Kapitalexport zur Finanzierung von mal mehr und mal weniger guten Projekten in der Welt beiträgt, werden wir das Kapital in Straßen, Schulen, Universitäten, Forschung und Entwicklung investieren. Der Rentenstabilisierungsfonds wird zu einem Staatsfonds für Deutschland erweitert."
Auch dieses Papier wurde m. W. von einem Volkswirt verfasst. Aber die Volkswirtschaftslehre hat es ganz allgemein nicht so mit der Geldtheorie. Die modelliert sich den Handel als Tauschgeschäfte, bei denen das Geld lediglich der Vereinfachung des, würde es naturalwirtschaftlich betrieben, allzu komplizierten Tauschens dient. Das Geld wird also als Schleier verstanden, hinter dem sich die (vermeintlich) "eigentlichen" realwirtschaftlichen Vorgänge vollziehen. Damit kann man die VWL einerseits mathematisieren und dadurch den Anstrich einer exakten Wissenschaft geben, was sie natürlich nicht ist. (Könnte sie alles berechnen, bräuchten wir keine Marktwirtschaft: Man könnte dann ja alles wissenschaftlich steuern - wie es der Marxismus imaginiert!) Der andere Vorteil ist, dass auf diese Weise die unterschiedlichen Interessen der Wirtschaftssubjekte (scheinbar) verschwinden; dadurch lassen sich die Interessen der Eigentümer zu/als gesetzmäßige(n) Notwendigkeiten (v)erklären. 
Tatsächlich ist jedoch die eigentumsbasierte, geldgesteuerte Marktwirtschaft (meist "Kapitalismus" genannt, häufig mit antikapitalistischer Tendenz, die ich aber nicht teile, auch wenn es manchmal so aussehen mag) keineswegs ein vollständiges Tauschsystem.
Dass das Geldsystem auch ein Eigenleben entfaltet und dadurch in Konflikt mit dem realwirtschaftlich Erwünschten geraten kann, ist der Mainstream-VWL Hekuba. Oder genauer: Dieses Faktum wird zwar gelegentlich (besonders in Krisenzeiten) erkannt und zugegeben, aber gleich wieder vergessen.


Nun aber kommen wir endlich zu jener Textstelle, welche den Hintergrund für das "Wunderland der Geldtheorie" in meinem Blogtitel bildet:
Die Wurzel der Krise ist jedoch nicht der Euro allein, sondern das System des aus dem Nichts geschöpften Papiergelds, des »Fiat Money« selbst, das mit ihm auf die Spitze getrieben worden ist. Anders als solide mit realen Werten, zum Beispiel Gold, abgesichertes Geld wird Papiergeld nämlich von Banken und Zentralbanken quasi aus der Luft geschaffen: in früheren Tagen mit der Notenpresse, heute auf Knopfdruck, indem Zentralbanken den Geschäftsbanken und Geschäftsbanken ihren Kunden Kredite ausreichen, die nur zu einem winzigen Bruchteil mit vorhandenem Eigenkapital abgesichert sein müssen. Seinen »Wert« bezieht das Papiergeld aus dem Versprechen einer politischen Macht, die ein Monopol auf die Ausgabe von Geld beansprucht, dass das bedruckte Papier oder die Serie digitaler Nullen und Einsen auf dem Girokonto einen Wert habe.

Im Weiteren behauptet sie, dass bereits Johann Wolfgang von Goethe in seinem "Faust", Teil 2, dieses Prinzip beschrieben habe:
»Es fehlt das Geld. Nun gut, so schaff es denn!«, fordert der Kaiser, und Mephistopheles schafft: Er lässt bedrucktes Papier mit der vervielfältigten Unterschrift des Kaisers herstellen, das dem Besitzer einen Anteil an der »Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland« als »gewisses Pfand« verspricht. Der Kaiser und sein Schatzmeister sind ... hocherfreut, dass ihre finanziellen Engpässe so einfach gelöst erscheinen ... . 

Die erste Behauptung, dass das "Papiergeld" [ebenso wie oft auch bei mir steht dieses Wort bei AW zugleich für - heute elektronisches - Buchgeld] seinen Wert aus einem Versprechen des Staates beziehe, ist ebenso falsch wie die Zweite, dass Goethe die Methoden der aktuellen Geldschöpfung beschrieben habe.

AW bezieht ihre Geldweisheit offenbar nicht direkt aus der geldtheoretischen Arbeit "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel" des "Österreichers" ("Austrians") Ludwig von Mises (hier kann man das Werk gratis in der maßgeblichen Ausgabe - neubearbeitete Auflage von 1924 - herunterladen), den sie zwar dreimal erwähnt (s. o.), aber nicht im Zusammenhang mit dem Geldwesen. 
Es ist in der Tat einigermaßen anstrengend, Mises' Werk heute zu lesen. Seine Terminologie ist nicht nur veraltet (die "Umlaufsmittel" z. B. sind ganz grob gesprochen das, was man heute als "Bankengeld", engl. "inside money" - im Gegensatz zum Zentralbankengeld oder Basisgeld, engl. "high powered money" oder "outside money" - bezeichnen würde). Sondern er verwendet den Geldbegriff auch ziemlich unmethodisch einerseits für das, was er für das einzig wahre Geld hält: Edelmetallgeld. Und andererseits für die Summe des vom "Staat" (konkret heute wie schon damals von den Zentralbanken) geschöpften Geldes.

Vielmehr bedient sich AW an Mises' homöopathisch "potenzierter" Geldlehre, wie sie sich in der ideologieversifften Gedankenwelt des Radikallibertären Roland Baader widerspiegelt, auf dessen Buch "Geldsozialismus" sie sich bezieht.
Baader hat sich aber nicht im Mindestens bemüht, LvM zu verstehen, sondern unterstellt ihm kurzerhand sein eigenes Verständnis der Geld-Welt, wenn er behauptet, LVM habe die folgenden vier Geldarten unterschieden:
  1. Basismetall-Münzen, 
  2. Warengeld
  3. Kreditgeld und
  4. fiat money (ungedecktes Papiergeld). 

VIER Arten von "Geld" unterscheidet LvM tatsächlich, aber anders, als Baader sich zusammenfantasiert (S. 35 LvM):
  1. "Wir wollen jenes Geld, das zugleich eine Ware im Sinne der Warenkunde ist, SACHGELD [i. w. S. gehören dazu auch die "Geldsurrogate"], 
  2. jenes Geld hingegen, das aus juristisch besonders qualifizierten Stücken hergestellt, keine technologischen Besonderheiten aufweist, ZEICHENGELD nennen.
  3. Als dritte Kategorie wollen wir mit der Benennung KREDITGELD jenes Geld bezeichnen, welches ein Forderungsrecht gegen irgendeine physische oder juristische Person enthält." An anderer Stelle bezeichnet LvM Kreditgeld als "künftig fällig werdende Forderung, welche als allgemeines Tauschmittel verwendet wird" (S. 36) oder als "nicht fällige Forderungen, die als allgemeines Tauschmittel dienen" (S. 344). Der Übergang vom Sachgeld zum Kreditgeld habe sich nach LVM "regelmäßig in der Weise vollzogen, daß der Staat nicht fällige Geldforderungen als dem Gelde gleichberechtigte Zahlungsmittel erklärte (S. 53). Welche historischen Vorgänge LvM dabei im Blick hat, weiß ich nicht, insbesondere auch nicht, ob er Kredite an Private dabei einbezieht. Das wäre eigentlich korrekt, ist aber deshalb unwahrscheinlich, weil diese Kredite von Privatbanken vergeben werden. Was daraus entsteht, bezeichnet LvM aber noch nicht einmal als "Geld", sondern nennt das "Umlaufsmittel" (siehe nachfolgend). RICHTIG muss jedoch jegliches im Kreditwege geschöpftes Geld als "Kreditgeld" bezeichnet werden: sowohl das von der Zentralbank geschöpfte, wie das bei der Kreditvergabe der Privatbanken entstehende Geld. (LvMs Unterscheidung zwischen "Geld" und "Umlaufsmitteln" hat keinen Erkenntniswert; weit informationshaltiger ist diejenige zwischen Basisgeld und Bankengeld.)
Die vierte Art dessen, was wir heute ebenfalls unter unseren Geldbegriff subsumieren (und die Baader gar nicht kennt, weil er LvMs idiosynkratischen Begriff dafür nicht versteht!), nennt LvM "UMLAUFSMITTEL". Ganz, ganz grob gesprochen entspricht dieser Begriff dem, was wir heute "Bankengeld" nennen (im Gegensatz zum "Basisgeld" oder "Zentralbankgeld").
Anmerkung: Tatsächlich unterscheidet LvM bei den Banken noch zwischen einer Kreditvergabe aus Geldeinlagen von Kunden und einer darüber hinausgehenden geldschöpfenden Kreditgewährung. So jedenfalls interpretiere ich, seine Darstellung S. 264 a. a. O.: "Die Banktätigkeit ... zerfällt in zwei verschiedene Arbeitszweige: die Vermittlung von Kredit durch das Verleihen fremder Gelder und die Kreditgewährung durch Ausgabe von Umlaufsmitteln, das sind Noten und Kassenführungsguthaben, die nicht durch Geld gedeckt sind." Wie sich das buchhalterisch manifestieren könnte, ist mir unklar. Vermutlich entspricht das heutzutage in etwa dem durch die (freilich schwankenden!) Basisgeldbestände der Geschäftsbank "gedeckten" Teil und der darüber hinausgehenden (großen Masse) der Kredite.

Obwohl Roland Baader die Arbeit von LvM als das "noch immer ... 
bedeutendste wissenschaftliche Werk der Geldtheorie" bezeichnet (S. 12), schert er sich einen Dreck um dessen Ergebnisse. Oder er versteht nur "Bahnhof" bzw. das, was er sich vorher schon in den Kopf gesetzt hat. Denn wenn er (in der Sache zutreffend!) formuliert (S. 19): "Gäbe es keine Schulden, gäbe es also auch kein Geld, jedenfalls nicht im Papiergeldsystem", dann setzt er Kreditgeld mit fiat money gleich, obwohl doch Mises nach Baaders eigener Angabe zwischen beiden unterschieden hat (tatsächlich ist die hier relevante Trennung bei Mises diejenige zwischen "Kreditgeld" und "Zeichengeld"). Da wäre eine Gleichsetzung zumindest begründungsbedürftig - aber nicht für den libertären Wüterich Baader. Dass er heftig agitiert (z. B. "Ozeane von Papiergeld") ist an sich noch nicht zwangsläufig ein Negativkriterium: Das tue ich, wie meine Leser bereits bemerkt haben werden, ebenfalls. Dass er aber dem LvM seine eigenen Vorstellungen vom Geldwesen unterschiebt und sich im Fortgang noch nicht einmal um seine eigenen Kategorienbildungen schert: Das weist ihn als sektiererischen, unseriösen Proselytenmacher aus.
Auch hier müssen wir also bedauernd feststellen, dass AW im Sumpf gesüffelt und die Mühe gescheut hat, "ad fontes" zu gehen. (Von einer modernen, KORREKTEN Geldtheorie ganz zu schweigen: Die gibt es auch nirgends in zusammenhängender Form - außer bei mir.😛)
Das einzige mir bekannte Werk, das einer Einsicht in die tatsächlichen Mechanismen des Geldwesens wenigstens nahe kommt, hat der Schweizer Professor Mathias Binswanger verfasst: "Geld aus dem Nichts: Wie Banken Wachstum ermöglichen und Krisen verursachen". (Amazon) Weil er aber kein Marktschreier ist und keine Sensationen und Agitation bietet, blieb es bei der 1. Auflage von 2015. Ich selbst habe mich in meinem Blogpost "Geld aus dem Nichts: Skandal oder banal? Überlegungen zu Mathias Binswangers Darstellung der Geld(schöpfungs)mechanismen und ihrer Zusammenhänge mit der Realwirtschaft" vom 10.02.2017 ausführlich mit dem Buch auseinandergesetzt. 
Aber auch Binswanger versteht nicht, dass im Kreditwege geschöpftes Geld (im Prinzip) durch Güter gedeckt ist.


Wenn man nicht gerade Dagobert Duck heißt, sammelt man Geld, um sich irgend etwas damit zu kaufen. Die Ärmeren mehr oder weniger ausschließlich Konsumgüter, die Besitzenden mit zunehmendem Reichtum immer mehr Sachwerte, die bzw. deren Produktionsergebnis sie verkaufen oder vermieten können - und dadurch noch reicher werden. DAS, also die Möglichkeit, mit seinem Geld Güter (bzw. Dienstleistungen) zu kaufen, ist die volkswirtschaftlich einzig und allein relevante "Gelddeckung".
Plappern wir nicht irgendwelchen Gurus und Forenhelden nach, sondern tasten wir uns Schritt für Schritt vor um zu klären, ob und ggf. auf welche Weise ein Kreditgeldsystem das leisten kann.

Zunächst einmal ist es wahr, dass Kreditgeld "aus dem Nichts" (oft auch auf Lateinisch formuliert: "ex nihilo") geschöpft wird. (Genauer: NEUES Kreditgeld. Private Kredite oder solche von Versicherungen sind dagegen NICHT mit einer Geldschöpfung verbunden. Merksatz: Geldschöpfung erfolgt im Kreditwege; aber nicht jede Kreditvergabe ist mit einer Geldschöpfung verbunden!) 
Geldschöpfung aus dem Nichts erscheint uns spontan als eine ungute Sache, insbesondere dann, wenn wir die Volkswirtschaft (und letztlich die Weltwirtschaft) für ein reines Tauschsystem halten.

Nun muss ich einen Begriff einführen, den die Wirtschaftswissenschaft (zu ihrem eigenen Schaden) nicht kennt: Denjenigen des "Erstgeldempfängers". Dessen ökonomische Rolle unterscheidet sich in zwei Punkten vom "Zweitgeldempfänger" bzw. von allen anderen "Folgegeldempfängern"
  1. Wenn man (was für ein einfaches Basismodell zunächst einmal okay ist) davon ausgeht, dass die Volkswirtschaft ein Tauschsystem ist, dann ist jeder einzelne in der güterwirtschaftlichen Dimension zugleich fortwährend ein "Geber" (Anbieter, Verkäufer) und ein "Nehmer", also Käufer. In der geldwirtschaftlichen Dimension ist er das ebenso, nur "gegenläufig": Wo er realwirtschaftlich etwas abgibt (verkauft), nimmt er geldwirtschaftlich etwas in Empfang: Die Bezahlung. Damit es reibungslos funktioniert, unterstellen wir für unser Denkmodell die Gleichwertigkeit aller angebotenen Waren und die Äquivalenz von einer Geldeinheit zu einer Wareneinheit.)
  2. Aus diesem kreislaufartigen System fällt der "Erstgeldempfänger" heraus: Der nimmt (kauft) nur. Zwar gibt er auch Geld dafür; aber das ist (dem ersten Anschein nach) "Falschgeld". Weil er es eben nicht im Tausch gegen eine Ware oder seine Arbeitskraft empfangen hat, sondern einfach nur auf Antrag "ausgedruckt" bekam. Anders als die "Folgegeldempfänger" darf er also etwas aus dem gemeinschaftlichen "Gütertopf" herausnehmen, ohne selber etwas hineingelegt zu haben. Dieses Vergnügen bekommt er (in unserem Modell, aber praktisch immer auch in der Realität) allerdings nicht für lau: Dafür muss er Zinsen bezahlen. 
  3. Zweitens fällt der "Erstgeldempfänger" auch insoweit aus dem Raster, als er eine Rückzahlungspflicht auf dem Buckel hat (und die Zinsen, die ich hier aber weitgehend unter den Tisch fallen lasse). Diese Last, und die Ungewissheit, ob er zwischenzeitlich selber genug Geld verdienen kann, um seinen Kredit bei Fälligkeit zu tilgen, schleppt er exklusiv mit sich herum; die "Folgegeldempfänger" haben solche Sorgen nicht.
  4. Aber, Zinsen hin oder her: Der "Gauner" namens Erstgeldempfänger hat unser schönes Tauschsystem aus dem Gleichgewicht gebracht! Dort zirkuliert hat nunmehr eine Geldeinheit "zu viel" und eine Gütereinheit "zu wenig". Das wäre der klassische inflationäre Systemzustand - gäbe es nicht auch manche (in unserem Modell darf es nur einer sein), die manchmal gar nicht in Kauflaune sind, sondern ihr Geld lieber in der Tasche behalten (beispielsweise, um in der nächsten "Runde" zwei Dinge kaufen zu können). Es ist also der Kauf-Vverzicht der (Geld-)Sparer, die das System wieder ins Lot bringen. Jetzt müssen wir unserem "Gauner" sogar regelrecht dankbar sein: Hätte er nicht zusätzliches Geld ins System hineingetragen, wäre es auf die genau entgegengesetzte Weise aus der Balance geraten: Es hätte ein Käufer gefehlt, entsprechend wäre ein Anbieter auf seiner Ware sitzen geblieben. Das wiederum ist die klassische deflationäre Situation und führt, bei entsprechendem Gleichverhalten großer Gruppen von Marktteilnehmern, zur Rezession und ggf. sogar zu einer furchtbaren (ökonomischen) Depression (Stichwort "Weltwirtschaftskrise"). Genau dieses Szenario hat John Maynard Keynes umgetrieben und er hat das heilende Gegenmittel erfunden: Deficit spending! [Dass auch dieses übertrieben werden kann und wurde, ist ihm nicht anzulasten! Dass ihn die "Austrians" regelrecht hassen, beweist deren quasi-religiösen Sektencharakter und ist wahrhaftig kein Ausweis von Intelligenz. Bei AW erscheint er nicht; dafür erwähnt bzw. beschimpft ihn - z. B. auf S. 103 als Geldspinner - der Meister Baader gleich hundertvier mal - auf ganzen 169 Buchseiten! ]
  5. In der Zeit vor der nächsten "Spielrunde" (oder dem nächsten Markttag) musste auch unser "Gauner" etwas produzieren, um seine Schulden zurückzahlen zu können. Das hat er getan (wie alle anderen auch, die freilich keine Schulden damit tilgen müssen) und bietet es nunmehr zum Verkauf an. Folglich haben wir in unserer nächsten "Runde" wieder eine Gütermenge, die der Teilnehmerzahl entspricht. Dasselbe gilt (und galt aber auch schon in der vorigen "Runde") für die Geldmenge.
  6. Dennoch haben wir nach wie vor ein potentielles Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage: Einer der Teilnehmer hatte sein Geld in der Vorrunde ja gebunkert und fragt jetzt ZWEI Güter nach. Wenn jeder andere "Spielteilnehmer" ebenfalls ein Produkt würde erwerben wollen, wäre eines zu wenig im System. Also muss wiederum ein anderer Teilnehmer "eine Runde aussetzen". Das ist der "Erstgeldempfänger": Dieser verkauft zwar sein Produkt und könnte mit dem dafür empfangenen Geld sofort selber etwas kaufen wollen. Daran hindert ihn aber der Umstand, dass er seinen Kredit tilgen muss. Damit können wir auch diese "Runde" ohne Gleichgewichtsstörungen durchziehen: Einer bekommt zwei Güter, einer gar nichts, alle anderen je eines. Und eine Geldeinheit verschwindet wieder aus dem System.
  7. Vor der nächsten Runde produziert jeder Teilnehmer erneut eine Ware; jetzt haben wir freilich eine Geldeinheit zu wenig im System. Also muss sich jemand "opfern" und wiederum einen Kredit aufnehmen. Wenn sich niemand findet, muss, wie Keynes richtig erkannt hat, der Staat "ran". Sonst kommt es zur Krise.
Roland Schlaumeier hat natürlich eine Antwort, warum Keynes Kokolores sein soll (S. 101):
"Ludwig von Mises hatte erkannt, dass Geld die am meisten marktgängige Ware ist - und dass deshalb die Anbieter von Gütern und Diensten in einer Rezession oder Depression auch zu viel tieferen Preisen verkaufen werden, weil sie das Geld brauchen, um in einer arbeitsteiligen Wirtschaft zu überleben. Sie kaufen Geld, indem sie Produkte verkaufen, und der Markt wird schließlich für den Ausgleich sorgen, sodass die Depression ihr Ende findet."
Was der geistige Riesen-Roland nicht bedacht hat ist neben anderem, dass viele der anbietenden Marktteilnehmer verschuldet sind. Der "Preis" der Kredittilgungen sinkt jedoch auch in einer Rezession NICHT. Ebenso sind viele Preise "sticky" (klebrig), z. B. die Mieten, oder auch die Tariflöhne und können nicht über Nacht geändert werden. IRGENDWANN passen auch die sich an; aber in der Zwischenzeit herrschen NOT UND ELEND. Die "Austrians" sind ökonomische Sadisten, die beim Brettspiel mit ihren Begriffen die realen Menschen vergessen. Ohnehin sind denen die Armen komplett gleichgültig: Das sind A'lecker der Reichen, die sich einbilden, mit dieser Aktivität irgendwie selber dazu zu gehören.
(Aber Rezessionen sind gar nicht schlimm, "beweist" ein deutscher Libertärer, der es in Spanien zum Professor gebracht hat. Und Prof. Philipp Bagus hat sogar Recht: Wenn die Außerirdischen erst einmal das Navigationssystem der Reichsflugscheiben beherrschen, werden sie hernieder gerauscht kommen und uns aus jeglichem ökonomischen Elend erretten!)

Auf welche Weise die starren Schulden die Rezession verschärfen, hat Irving Fisher (lt. Geldspinner Baader, S. 103, ebenfalls ein Geldspinner) in seinem (später auch zum Buch erweiterten) Aufsatz "The debt deflation theory of great depressions" beschrieben. (Ich glaube übrigens, dass dieses in der öffentlichen Debatte eher unbeachtete Buch der wichtigste Leitfaden war, nach welchem die Notenbanken in der Finanzkrise 2007 ff. gehandelt haben!) Mir hat, was Fisher darin erzählt, heftig missfallen; ich habe mich mit Händen und Füßen gesträubt, seine Einsichten zu akzeptieren. Und musste mich doch am Ende geschlagen geben: Fisher hat Recht!
Das hat nach meiner Einschätzung eine höchst unerfreuliche Folge für unser Geldwesen: Die Notenbanken MÜSSEN dieses beständig "unter Dampf halten", damit die große Masse der Schuldner ihre Kredite tilgen kann. Meine Vermutung geht dahin, dass diese Konstellation wiederum Spekulationsgeschäfte ermöglicht, bei denen WIRKLICHE "Gauner" profitieren. Das systembedingt notwendige (um eine Rezession zu verhindern) permanente "Aufblasen" des Geldsystems durch die Notenbanken ermöglicht wahrscheinlich "Gewinne", die für die Gewinner selber real sind, denen aber keinerlei Leistung der "Gewinner" für die Volkswirtschaft, also keinerlei Güterproduktion (usw.) für den "Markt-Topf", gegenübersteht. Anders als unser o. a. "Erstgeldempfänger", der nur am Anfang unseres Modelldurchgangs wie ein "Gauner" aussah, könnten diese Schmarotzer tatsächlich ohne Gegenleistung reich werden.
Überhaupt vermute ich, dass die Kapitalbesitzer einen Teil ihres Einkommens der Realwirtschaft entziehen und damit in rein finanzwirtschaftlichen Sphären "herumspielen". Wir hätten also eine vermutlich systembedingte "Überakkumulation" von Geld und einen "Unterkonsum" (und/oder "Unterinvestition").

Das alles müsste wissenschaftlich untersucht werden; bereits vor über 10 Jahren hatte ich dafür ein " 'Manhattan Project' für die Wirtschaftswissenschaften!" gefordert. Weil aber nicht nur Simpel wie der Roland Baader glauben, die Menschheit (oder zumindest sie selber) wüssten schon alles, was man über das Geldsystem wissen könne, wird es dazu nicht kommen. Dafür wäre ein Paradigmenwechsel von der intellektuellen Arroganz auch der Mainstream-VWL zur geistigen Bescheidenheit nötig. Der kommt ganz gewiss - am St.-Nimmerleins-Tag.


Wenn ich Sie mit meiner Erzählung über die Güterdeckung von Kreditgeld überzeugt habe, muss ich Ihnen jetzt eine herbe Enttäuschung bereiten.
Zwar habe ich die reine Wahrheit erzählt - aber nicht die GANZE Wahrheit.
Das werden Sie allerdings auch selbst schon gemerkt haben, denn mein Denkmodell steht ja doch im Widerspruch zu der uns allen wohlbekannten Tatsache, dass es durchaus schon Inflationen gegeben hat - und manchmal sogar Hyperinflationen. Inflation ist die Folge von (ich sage mal untechnisch) zu viel Geld im System (präzise müsste es heißen: zu viel NACHFRAGEWIRKSAMES Geld im System!) und zu wenig Güter. Wie kann es dazu kommen, wenn doch die kreditäre Geldschöpfung, jedenfalls im Modell, quasi im Selbstregelmechanismus für ein Geld-Güter-Gleichgewicht sorgt?
Nun, unser Geld-Güter-System folgt zwar einer Tauschlogik. Es ist aber kein Tauschsystem; vielmehr kann das Geldwesen ein verdammt unangenehmes Eigenleben entfalten.

Insbesondere kann der Vater Staat (dem auch ich nicht gar so kindlich-gläubig ergeben bin, wie mancher vermutet haben mag) den in unserem Denkmodell perfekten Gleichgewichtsautomatismus zwischen Geld und Gütern aushebeln. Der Staat muss nicht zwingend Güter verkaufen, um seine Schulden zu tilgen. Das tut er sowieso nur selten; aber wenn er anständig verwaltet wird, finanziert er seine Schuldentilgungen wenigstens aus Steuergeldern. Dadurch wird das Systemgleichgewicht wieder hergestellt, weil die, sozusagen, "Stilllegung" des diesen Steuergeldern entsprechenden Nachfragepotentials ein Äquivalent zum Güterverkauf des "Erstgeldempfängers" im Denkmodell ist. Indem die Steuerzahler ihr (eingenommenes oder meinetwegen auch "eingetauschtes") Geld an den Staat abdrücken, üben sie (unfreiwillig, aber das ist für unsere Fragestellung egal) Konsumverzicht. Sie treten ihre "Konsumrechte" insoweit an den Staat ab. Wenn der daraus Schulden tilgt, ist das geld-güterwirtschaftliche Resultat dasselbe wie oben bei der Schuldentilgung des "Erstgeldempfängers".
Vater Staat (im Prinzip auch jeder private Schuldner) kann aber auch anders: Er kann sich einfach frisches Geld leihen, und die alten Schulden mit neuen Schulden tilgen!
Auch das ist so lange nicht schlimm, wie er sich von seinen Bürgern Spargelder leiht. Kritisch wird die Geschichte dann, wenn die Notenbank ran muss, um den Geldbedarf des Staates (ganz oder zu einem großen Teil) zu decken. Die kann das Geld nur "drucken", d. h. sie schafft (auf dem Papier) neue Ansprüche an den Markt, denen keine Einspeisung von Gütern (und kein Konsumverzicht von Steuerzahlern) gegenübersteht. DANN rappelt's im Karton: 1923 und 1948 lassen grüßen! Die linksgrünen Deutschland-Destruenten arbeiten bereits an einer Neuauflage. Dass sie der Quoten-Friedrich (Merz) aus der immer noch in weiten Teilen merkelistisch versifften CDhUr davon abhalten will bzw. kann, halte ich für unwahrscheinlich.

Summa summarum: Alice Weidel, wie auch der Libertarismus, haben grundsätzlich schon Recht, dem Staat nicht blind zu vertrauen. 
Aber "österreichischen" "monetary cranks" (Hayeks englischsprachiger Ausdruck für Geldspinner) und libertären Sozialstaatshassern möchte ich mein Land ebenso wenig ausgeliefert sehen, wie derzeit den linksgrünen Immiggressionsfanatikern und Spendierhosen (bzw. Spendierröcken). Die Baader-Begeisterte AW macht mir leider nicht den Eindruck, dass sie von dieser sektiererischen Gedankenwelt den nötigen geistigen Abstand hat oder hält.
Was den Sozialstaat angeht, könnte AW den natürlich nicht einfach so abbauen - selbst wenn sie das (was sie natürlich nicht verraten würde) überhaupt wollen sollte. Es gibt ja noch die Strömung des "solidarischen Patriotismus" in der AfD, den nicht zuletzt der innerparteilich sehr einflussreiche Björn Höcke immer wieder anpreist. Aber auch der Beamten-Björn möchte den Reichen nichts wegnehmen, um es den Armen zu geben. Auch er hat einen Dreh gefunden, um die Armen mit Illusionen abzuspeisen: Nämlich, genau wie die Libertären, das Geldsystem! (Vgl. in meinem Blogpost "Wackelkontakte zur Wirklichkeit: Die Worte des Vorsitzenden Muhammad Ali Höcke" das Kapitel "X-GELDSYSTEM".)

Höcke (der ebenfalls von Roland Baader ausgeht, den ihm irgendein/e AfD-Libertäre/r als Floh ins Ohr gesetzt haben muss!) behauptet, dass das Geldsystem die Armen arm mache. Also auf gar keinen Fall das Eigentumssystem, welches in Wahrheit dafür sorgt, dass der Teufel immer auf den größten Haufen ..... . Gläubige jeglicher Couleur machen sich ideologisch passend, was in der Realität NICHT passt. Zum Wohle Deutschlands erfolgreich regieren kann man mit derartiger Realitätsferne freilich nicht.

Die Geldsystemphantasterei der "Austrians" hat eine psychologische Entlastungsfunktion. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, darf auch bei diesen Goldkalb-Tänzern ums Verrecken nicht das Eigentumssystem daran Schuld sein, dass sie selber nicht zu den Reichen gehören. (Für die Armen interessieren sich diese Kreise sowieso nicht bzw. wollen sie möglichst noch tiefer herabdrücken.) Angeblich sind die Reichen hauptsächlich deshalb reich, weil sie als Erste Zugang zu frischem Geld haben.
Auch AW verbreitet diesen Mythos (S. 80, natürlich wiederum unter Berufung auf Roland Baader):
Wer sich wundert, dass einige »Superreiche« immer reicher werden, während die Mittelschicht verarmt, der muss die Ursachen im Geldsystem suchen, das auf der von Roland Baader konstatierten unseligen »Komplizenschaft zwischen Staat und Zentralbank« beruht.
Das gilt freilich stets nur für abstrakte Reiche (was den Ideologie- und Propagandacharakter solcher Weisheiten bestätigt); jeweils spezifische Multimilliardäre - evtl. mit Ausnahme von George Soros - verdanken ihren Reichtum allesamt ihrer eigenen Tüchtigkeit. Also weder irgendeinem Geldsystem noch ihren Arbeitnehmern. (Ich plädiere nicht für Enteignung oder für Marxismus. Doch lasse ich mich andererseits auch höchst ungern an der Nase herumführen; zumal von Seiten einer Partei, die den entrechteten und geknechteten Multimilliardären auch noch von der grausamen Bedrückung durch die Erbschaftssteuer befreien will. Deren Ausfall dann anderweitig finanziert werden müsste: von wem wohl???)

Angeblich bewirkt das Geldsystem eine Umverteilung von arm zu reich durch den Cantillon-Effekt, den auch AW (ohne diesen Fachausdruck zu erwähnen) beschreibt:
"An Goethes Kaiserhof sind die Diener und Narren des Kaisers, die das neue Papiergeld als Erste in die Hand bekommen, auch die ersten Profiteure. Den ersten Zugriff auf das »Fiatgeld« (von lateinisch »fiat« – »es werde!«) haben Staaten und institutionelle Anleger. Letztere können damit reale Werte günstig erwerben, während die Staaten sich billig verschulden können, um Wohltaten zu verteilen und damit Klientelgruppen zu kaufen und die Bürger immer stärker von sich abhängig zu machen. ...." (usw. über einen ganzen langen Absatz hinweg).
Allerdings unterscheiden die "Austrians" dabei nie, ob die Geldinjektionen der Zentralbanken die NACHFRAGEWIRKSAME Geldmenge steigern, oder nur die statisch "umlaufende" Geldmenge: Staatliche Geldschöpfung ist böse, basta!

Besonders perfide argumentiert (auch hier verfügbar) in diesem Zusammenhang Roland Baader. Ihm zufolge gibt das Geldsystem nicht nur den Reichen, sondern sogar auch die Armen: Und das ist für ihn etwas ungeheuer Verwerfliches!
"Es gibt bekanntlich nur drei Wege, das Dasein zu fristen: 1) arbeiten, 2) betteln und 3) rauben. Der Wohlfahrtsstaat kultiviert Variante 3 und erhebt sie zum quasimoralischen Standard. Die systematische Eigentumsverletzung durch Umverteilung macht die Bürger bestenfalls zu „Schmarotzern“, schlimmstenfalls zu Verbrechern. Die Regierungen erfüllen hierbei — in einer Art „Vorbildfunktion“ — den Tatbestand des Auftragsdiebstahls, wie das in der ironischen Neuformulierung des 7. biblischen Gebots durch den amerikanischen Think-Tank „Ludwig von Mises Institute“ zum Ausdruck kommt: „Du sollst nicht stehlen, es sei denn, du bedienst dich dazu der Regierung als deiner Beauftragten. In diesem Fall ist es nicht Diebstahl, sondern soziale Gerechtigkeit.

Tod und Teufel invoziert Baader für sein Treten nach unten, ganze 'Liebesverbände' werden reihenweise vernichtet durch den Wohlfahrtsstaat:
"Wird die Abhängigkeit der Kinder und Alten, der Kranken und Behinderten vom Liebesverband und von der gewachsenen Verantwortungs- und Solidargemeinschaft der Familie auf das „kälteste aller Ungeheuer“ (Nietzsche), den Staat, übertragen, erlöschen die Lichter der Zivilisation und der Freiheit. Das Heer der Verwalter der Abhängigkeit, die Wohlfahrtsbürokratie, übernimmt die Herrschaft.
Letztlich ist der Wohlfahrtsstaat eine Ersatzreligion, die verkündet, dass der Staat den Menschen Heil und Gerechtigkeit bringe. In Wahrheit bewirkt er das genaue Gegenteil. Oder in religiöser Rhetorik, in Anlehnung an die Thesen des Theologen Peter Ruch: der Wohlfahrtsstaat erstickt die christlich gebotene Nächstenliebe, erodiert die in der Gotteskindschaft des Menschen angelegte Freiheit, verletzt das in den 10 Geboten doppelt gebotene Eigentumsrecht, und zerstört die in der Bibel vierhundertfach geforderte Moral."
Es ist ja richtig, dass dem Wohlfahrtsstaat eine Tendenz zur Übersteigerung innewohnt und dass wir Bürger gut beraten sind, nicht immer nur die Hand aufzuhalten, sondern Kosten und Nutzen sozialer Maßnahmen sorgfältig abzuwägen.
Aber wenn ich solche HASSREDEN wie die vom Baader höre, dann kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.

Ich weiß nicht, welche sozio- oder ideologischen Zusammenhänge dahinter stehen, dass viele libertär-"österreichischen" Ideologen und Adepten im deutschen Sprachraum katholisch sind. Ebenso bekannt wie intellektuell rabiat sind Roland Baader und Dr. Markus Krall. Auch der ehemalige AfD-Vorsitzende Prof. Jörg Meuthen (der die Rentner ausräubern wollte) geht in Richtung Libertarismus und hat jetzt, als Mitglied der Werteunion, mit Hans-Georg Maaßen einen ebenfalls tendenziell libertären Parteivorsitzenden.
Alice Weidel ringt zwar um die Gottesfrage (ich fand es, obwohl eingefleischter Agnostiker, durchaus sympathisch, dass sie das im Gespräch mit Elon Musk ansprach), doch kommt auch sie aus einer katholischen Familie.

Auch was die Idee für ein vermeintlich besseres Geldsystem angeht, bezieht sich AW nicht etwa auf den Urheber Friedrich August von Hayek (s. u.), sondern dackelt dem Epigonen Roland Baader hinterher. Auch auf diesem Gebiet süffelt sie also aus der Sekundärquelle, anstatt "ad fontes" zu gehen:
»Der Staat ist ein unersättliches Geldfressmonster, und die Zentralbanken sind seine unermüdlichen Inflationsmaschinen«, begründet Roland Baader in seinem Werk über den »Geldsozialismus« sein Plädoyer für die Abschaffung des Zentralbankwesens. Der Abschied vom Staatsmonopol auf Geld und die Zulassung konkurrierender Währungen, die um das Vertrauen der Bürger auf Geldwertstabilität werben können, darf auf der Suche nach besseren Alternativen daher kein Tabu sein.

Baader seinerseits bezieht sich auf das "Alterswerk ,Denationalisation of Money' " (dt.: "Die Entstaatlichung des Geldes"), verfasst vom Wirtschaftswissenschaftler Friedrich August von Hayek. Dass er den er als "einen der bedeutendsten Ökonomen aller Zeiten" bezeichnet, ist Mumpitz. Hayek hat den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften nicht für eine spezifische wissenschaftliche Leistung erhalten, sondern für sein (freiheitliches, antikommunistisches bzw. antitotalitäres*) Lebenswerk. Dieser Nobelpreis war also ein politischer, ähnlich wie später die Verleihung der Friedensnobelpreise an Barack Obama und an die EU.
Die Ideen Hayeks habe ich in meinem Blogpost "Nobelpreis schützt vor Torheit nicht: Warum Friedrich August von Hayeks 'Denationalisation of Money' ein ‚Design for Disaster‘ ist" buchlang auseinandergenommen; auch von bekannten Experten und sogar von anderen "Austrians" gab es Kritik (hier umfangreich von Ottmar Issing). Eine unbedingt zu empfehlende, weil außerordentlich einsichtsvolle Analyse von Hayeks Denken (insgesamt, nicht zur Geldtheorie) bietet der Artikel "John Gray: The Friedrich Hayek I knew, and what he got right – and wrong" im NEW STATESMAN vom 30.07.2015.
Doch Kritik nehmen Gläubige wie Roland Baader - und offenbar auch AW - sowieso nicht zur Kenntnis: Wer nichts wissen will und weiß, glaubt den ganzen Austrian Sch.!
[* Real war der Meister Hayek so freiheitlich nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Vgl. z. B. die Untersuchung "Der Hayek-Schmitt-Nexus. Neoliberalismus und Neue Rechte im antidemokratischen Konsens" oder auch die Dissertation "Friedrich Hayek: An Unrepentant Old Whig".
In dem Arbeitspapier "CARL SCHMITT AND FRIEDRICH HAYEK ON DEMOCRACY: ELECTIVE AFFINITIES?" von 2022 lesen wir: "Schmitt’s model of an emergency dictatorship and Hayek’s nomocracy are two different responses and attacks to the Left’s attempt to construct a democratic welfare state in the Weimar Republic and postwar Europe. Schmitt advocates the concentration of political power in a totalitarian state as the sole “remedy” to the democratic contamination of liberalism induced by the politicization of civil society. Similarly, Hayek castigates any state intervention taking the form of the welfare state but endorses a powerful state entrusted with the role of securing the conditions of market competition."]

Doch zurück zu Hayeks Wettbewerbs-Währungen: Ganz unabhängig davon, ob dieses Konzept real umsetzbar wäre oder nicht, ist es in sich widersprüchlich, wenn Baader und AW gegen Geldschöpfung aus dem Nichts wettern (bzw. ihre Leser dagegen "aufheizen"), aber mit genau diesem Fiatgeld dann keinerlei Problem mehr haben, wenn es von Privaten geschöpft wird. (Was übrigens jetzt schon, durch die Schöpfung von Bankengeld; in riesigem Ausmaß passiert. Allerdings nur jeweils innerhalb einer Währung.)

Grundsätzlich ist aus mehreren Gründen die Vorstellung naiv, dass eine Geldschöpfung durch konkurrierende Privatbanken ein besseres Geld als der Staat schaffen werde (und überhaupt könne):
  1. Wird das Geld bei solchen Ideen implizit als Ware verstanden, die man, wie z. B. Unterhosen, in besserer oder schlechterer Qualität produzieren kann. Indes waren 100 Reichsmark 1913 solides Geld; 1923 nicht mehr. Das war zwar die eigene Schuld der Reichsbank (und der Reichsregierungen ab 1914 ff.). Aber es zeigt eben, dass Fiatgeld keine absolute "Produktqualität" hat, die ihm bis in alle Ewigkeit verbleiben würde, nachdem es "hergestellt" wurde.
  2. Ich vermute, dass in einem Konkurrenzwährungssystem der jeweilige Geldemittent gar keine Wertkontrolle über seine eigene Währung ausüben kann. Wahrscheinlich würden eventuelle inflationäre Tendenzen auf alle Währungen überschwappen. Ich bezweifele also, dass sich in einem Konkurrenzwährungssystem eine oder mehrere Währungen inflationären Entwicklungen anderer entziehen könnten: Letztlich dürfte die Summe der Einzelwährungen wiederum ein Geldsystem mit seinen Eigengesetzlichkeiten konstituieren.
  3. Die "Quantität-Qualität-Paradoxie": Für Hayek ist, drastisch gesagt, das beste Geld jenes, dass man nicht bekommen kann. Weil es der Emittent zwecks Kaufkraftstabilisierung extrem knapp hält. Das wird der aber nicht tun, denn dann verdient er nichts. Außer allenfalls Ruhm und Ehre bringt es ihm nichts, wenn alle Welt sein Geld wertschätzt, er aber nur wenig davon (kreditär) emittiert. Täte er es aber doch, würde das den Wirtschaftssubjekten, deren Freiheit dem Hayek doch so sehr am Herzen liegt, die freie Währungswahl wegnehmen. Somit möchte der Geldsystemklempner Hayek die Geldverwender mit einem System beglücken, wo sie das beste Geld nutzen dürfen - aber nicht bekommen können. 
  4. Anders, als uns die Austrians (die als reale Personen am liebsten deflationäres Geld hätten und dafür sie eine Umstellung auf Goldgeld fordern) und Hayek weismachen wollen, ist das für alle Menschen "beste Geld" eine Fiktion: Tatsächlich würden Schuldner (Kreditnehmer) inflationäres Geld bevorzugen, Gläubiger (Kreditgeber) deflationäres. Wenn jeder von beiden auf der Verwendung der für ihn günstigen Währung bestehen würde, wären gar keine Geschäfte mehr möglich!
  5. Doch haben die Marktteilnehmer schon deshalb gar nicht die von Hayek imaginierte freie Geld-Wahl, weil an Geschäften (mindestens) ZWEI Parteien beteiligt sind: Der Geld"käufer" (= Warenverkäufer) und der Geld"verkäufer" (= Warenkäufer). Welches Geld in konkreten Transaktionen verwendet wird, würde in der Lebenswirklichkeit derjenige bestimmen, der jeweils die "besseren Karten hat". Und ansonsten werden beide, wenn anders kein Geschäft zustande käme, jenes Geld wählen (müssen), das sie überhaupt bekommen können. Aldi z. B. müsste so ziemlich jede Währung akzeptieren, mit der die Kunden an der Kasse zahlen können oder wollen. Weist der Laden viele Kunden zurück, verliert er Umsätze und damit auch Rentabilität.
  6. Allerdings zeigt sich am Beispiel "Aldi" eine andere Schwierigkeit: Welches Wechselgeld gibt der Laden heraus? Der kann nicht beispielsweise zehn gleichzeitig umlaufende Währungen gleichzeitig in der Ladenkasse aufbewahren. (Ökonomisch nicht, wg. Zinskosten bzw. Zinsverlusten. Technisch wäre das, mit einer schrankgroßen Speichermaschine, natürlich möglich.)
  7. Stichwort "zehn gleichzeitig umlaufende Währungen": Ich vermute, dass es in einem mehr oder weniger geschlossenen Wirtschaftsgebiet (in früheren Zeiten: Territorium) historisch immer nur eine, maximal zwei Währungen gab. (Ein Beispiel für Doppelwährungssystem wäre die "Zigarettenwährung" nach dem 2. Weltkrieg. Was aber natürlich keine normale Zeit war. Bis zu einem gewissen Grade kann man vielleicht auch bimetallische Systeme, also den gleichzeitigen Umlauf von Gold- und Silbergeld, als "Doppelwährung" ansprechen. Jedenfalls wird an deren relativ zueinander schwankenden Werten ein Problem von "Mehrwährungssystemen" sichtbar. 
  8. Beim Verfassen seines Buches hatte Hayeks anscheinend ausschließlich unmittelbare "Tauschvorgänge" Geld gg. Ware im Sinn, gewissermaßen "Aldi-Transaktionen". Denn LANGFRISTIGE Geschäfte werden in seinem System konkurrierender (privater) Währungen EXTREM KOMPLIZIERT: Will ein Investor eine große Fabrik oder einen Wolkenkratzer usw. bauen lassen, geht es um Vertragsschlüsse, bei denen Leistung und Bezahlung großenteils erst in vielen Monaten fällig sind. In welcher Währung schließt man die ab? Geht der Währungsemittent bis zur Fälligkeit pleite, kann sich der Zahlungspflichtige die vereinbarte Währung überhaupt nicht mehr beschaffen. Große Kursänderungen bescheren entweder dem Auftraggeber (Zahlungspflichtigen) oder dem Auftragnehmer (Zahlungsempfänger) Verluste, die zur Insolvenz führen können.
  9. In diesem Zusammenhang muss die Frage schwankender Preisrelationen zwischen den verschiedenen Währungen auch ganz allgemein angesprochen werden. Hayek geht offenbar (bewusst oder unbewusst) naiv davon aus, dass sich die Wechselkurse im Markt aufgrund objektiver Faktoren oder "echter" Wertrelationen bilden (also je nach relativer Preisstabilität der einzelnen Währung). Damit blendet indes der große Markt-Fan Hayek den realen Markt komplett aus, wo es durch Herdenverhalten (z. B. durch Fakten oder bloße Gerüchte / Propaganda ausgelöste Massenverkäufe oder ~ankäufe) oder durch Großspekulanten (vgl. Soros vs. Bank of England!) zu enormen Kursausschlägen kommen kann, die nichts mit irgendwelchen "objektiven" Wertrelationen zu tun haben. Besonders bei vertraglich vereinbarten Zukunftsgeschäften wäre das für beide Vertragspartner ein völlig unkalkulierbares Risiko. Hayek würde vermutlich entgegenhalten, dass der Markt dann entsprechende Versicherungen hervorbringen würde. Was in der Tat anzunehmen ist - jedoch die Transaktionskosten für Zukunftsgeschäfte je nach Zeitdauer u. U. exorbitant erhöhen würde!
  10. Das von vielen "Austrians" beklagte angebliche Fettfüttern der bösen Geschäftsbanken durch Geldschöpfung aus dem Nichts (bei dem sich viele unbewusst zweifellos vorstellen, dass die Bank dieses Geld insgesamt als Profit einsackt) würde ersetzt durch einen Selbstbedienungs"markt" für einige wenige Konzerne, die höchstwahrscheinlich früher oder später den Markt (oligopolistisch) beherrschen würden. Freiheitlich wäre nur ein Geld, welches jeder Einzelne emittieren darf. Doch würde das niemand akzeptieren. (Diesen Aspekt hat übrigens auch der Libertäre Murray Rothbard 1962 in seinem Buch "The Case for a 100 Percent Gold Dollar" thematisiert, S. 58 ff. Rothbard fordert ein einziges allgemein gültiges Geld; für ihn ist das Goldgeld, das aber mangels ausreichender Goldmenge heute - genau wie schon damals! - gar nicht realisierbar ist. Diejenigen, die eine "Golddeckung" fordern, meinen meist eine Bruchteilsdeckung der umlaufenden Banknoten nach Art der kaiserzeitlichen Goldstandardwährung. Manche behaupten sogar, dass dafür jede beliebige - also insbesondere beliebig geringe! - Goldmenge ausreichend wäre. Dass die allergrößte Menge des umlaufenden Geldes aus Bankengeld besteht (sicherlich schon zu Kaisers Zeiten, aber heute noch in weitaus größerem Umfang) und nur elektronisch "vorhanden" ist: Daran denkt so gut wie keiner der Geldgurus, die Bücherschreiber ebenso wenig wie die Forenhelden.)
  11. Auch im täglichen Leben  würden Kosten für den ggf. erforderlichen Umtausch von einer Währung in die andere anfallen (genau wie heute beim Devisentausch).
  12. Zu den Geld-Kosten kämen, mit steigender Währungszahl exponentiell steigende Informationskosten hinzu: Alle Wirtschaftssubjekte müssten jederzeit einen vollständigen Überblick über alle Kursbewegungen zwischen diesen Währungen haben. Profitieren würden die Großen (Unternehmen und Privatpersonen), die mittels entsprechender Computerprogramme jeweils automatisch darüber informiert wären, welche Währung ihren Interessen am besten dient.
  13. Die Preise würden u. U. schwanken, wie 1923 zur Zeit der Hyperinflation, wo die Händler die Preise stündlich (oder noch häufiger?) anpassen mussten. Nur müssten sie Preisauszeichnungen dann in, beispielsweise, 10 Währungen gleichzeitig erfolgen. Technisch wäre das, für Handelsketten (anders für selbständige Einzelhändler!) kein Problem. Aber mit Kosten verbunden: Fortlaufend zeitaktuelle Informationsbeschaffung über die Wechselkurse, Rechner, Programme, Programmierer, elektronische Preisauszeichnung am Regal - ggf. in 10 Währungen!
  14. Die Spekulation würde in einem solchen System einen enormen Raum einnehmen - zu Lasten der Realwirtschaft.
  15. Ein solches System würde, falls irgend eine politische Richtung das überhaupt einführen könnte, mangels Akzeptanz in kürzester Zeit wieder verschwinden.
Interessant ist AWs Eintreten für konkurrierende Währungen in ein und derselben Volkswirtschaft auch deshalb, weil die AfD selber ein anderes Geldsystem fordert, aber nicht genau weiß, ob sie lieber Währungskonkurrenz oder goldgedecktes Geld hätte (wofür es, wie gesagt, gar nicht genügend Gold gäbe!):
  • Grundsatzprogramm 2016, S. 77: "Aus Sorge um unser Geld werden wir auch darüber nachdenken müssen, ob grundsätzliche Reformen am Geldsystem und dem Kartell aus Zentral- und Geschäftsbanken notwendig sind."
  • BT-Wahlprogramm 2017, S. 16: "Das im Ausland gelagerte Gold der Bundesbank muss vollständig und umgehend nach Deutschland überführt werden. Bei der Wiedereinführung der Deutschen Mark könnte Deutschland das Gold als temporäre Deckungsoption benötigen."
  • Europawahlprogramm 2019, S. 35: "Bei der Wiedereinführung der Deutschen Mark könnte Deutschland das teilweise im Ausland gelagerte Staatsgold als temporäre Deckungsoption benötigen. Die AfD fordert die Bundesregierung und die Deutsche Bundesbank auf, das im Ausland gelagerte Gold vollständig und umgehend nach Deutschland zu überführen."
  • Bundestagswahlprogramm 2021, S. : "Langfristig halten wir eine grundsätzliche Reform des Geldsystems für notwendig, hin zu einem freien Währungswettbewerb oder einem goldgedeckten Währungssystem"   [Der Tenor ist also: Wir wissen wir nicht, was wir wollen; nur ändern wollen wir was - auch immer!]
  • EU-Wahlprogramm 2024, S. 22: "Langfristig halten wir eine grundsätzliche Reform des Geldsystems für notwendig, hin zu einem freien Währungswettbewerb oder einer goldgedeckten Währung".
  • ENTWURF BT-Wahlprogramm 2025, S. 35 (die auf dem Bundesparteitag beschlossene endgültige Version ist per 28.01.25, 01:10 h noch nicht auf der Partei-Webseite verfügbar.): "Langfristig halten wir eine grundsätzliche Reform des Geldsystems für notwendig, hin zu freiem Währungswettbewerb beziehungsweise einem goldgedeckten Währungssystem."

Hier schließe ich. Zugegebenermaßen abrupt; doch auch meine Leser werden mir, sofern Sie mir überhaupt bis hierhin gefolgt sind, dankbar sein!😇


Nachtrag 02.02.2025
Zur Information verlinke ich hier einen FAZ-Bericht vom 02.03.2017: "Alice Weidel im Porträt: Alternative zu Höcke". Verfasst wurde er von Marc Felix Serrao, heute Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Damals war er lt. Wikipedia "Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".



ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand 02.02.2025

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