Samstag, 17. September 2011

Frontmeldungen aus dem Haftungskrieg: Rösler liefert heiße Luft; Deutschland haftet mit bis zu 1,5 Bundeshaushalten; Juncker lügt wie gewohnt; Spanien + Italien pleiter als bekannt


Dass der FDP-Bundesvorsitzende Philipp Rösler eine Ablehnung der Schuldturmverhaftung der deutschen Steuerzahler nur vorgetäuscht hat (leider erfolgreich: die Zustimmung zur FDP stieg gleich von 3 auf 5 % - es gibt halt doch viele dumme Schafe in der Wählerherde), war mir (und anderen kritischen Beobachtern) von vornherein klar.
Wahrscheinlich hat Angela Merkel ihn überhaupt nur deshalb angegriffen, um der FDP zu helfen: abgekartetes Spiel also. In Mailand hat Rösler jetzt gesagt, dass er auch zur Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone steht.
Rösler hat mit seinen Gedankenspielen geliefert - heiße Luft! Wer dieser Partei in der gegenwärtigen Konstellation noch eine Wählerstimme gibt, ist selber Schuld. Aber vielleicht reißt FDP-MdB Frank Schäffler das Steuer mit seiner Mitgliederbefragung ja noch herum und die Partei aus der Bedeutungslosigkeit wieder empor. Den Rettungsirrsinn wird die FDP allerdings auch dann nicht verhindern, wenn sie einen entsprechenden Parteitagsbeschluss fassen sollte. Die Abgeordneten sind daran nicht gebunden und werden trotzdem für den (momentan:) ESFS stimmen; und im Übrigen garantieren die Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen eine überwältigende Stimmenmehrheit der Politiker gegen das eigene Volk.

(Artikel: "FDP. Euro-skeptische Parteifreunde setzen Rösler zu" von Jan Hildebrand, Die Welt, 15.09.11; Handelsblatt-Interview "Interview zur Euro-Krise: 'Wir können den Rettungswahnsinn verhindern' " vom 14.09.11 mit Frank Schäffler. CSU-Chef Seehofer betätigt sich als Trittbrettfahrer und redet wie gewohnt dem Volk nach dem Maul. Bei der Abstimmung werden die CSU-Abgeordneten aber selbstverständlich - mit wenigen Ausnahmen: MdB Peter Gauweiler! - pro Haftungsunion, also eindeutig gegen den Volkswillen, stimmen.)


2) Die FAZ beziffert (auf der Grundlage einer Studie der Deutschen Bank) das hypothetische maximale deutsche Haftungsrisiko aus dem ESFS-Fonds mit 400 Mrd. €; die Abweichung gegenüber den sonst genannten Zahlen (gut 200 Mrd., oder maximal ca. 250 Mrd. €) ergibt sich aus dem Einschluss von Zinsen. Das Münchener ifo-Institut von Prof. Dr. Hans Werner Sinn hat auch die EZB-Anleihekäufe einbezogen und kommt auf eine maximale Haftungssumme von 465 Mrd. €; das ist etwa das Anderthalbfache des deutschen Bundeshaushalts (300 Mrd. €).

(Artikel: "Finanzexperten.  Krise könnte Steuerzahler 465 Milliarden kosten", WELT von heute 17.09.11  und "Schuldenkrise. Deutschland haftet mit 400 Milliarden", FAZ vom 16.09.2011.
 Vgl. auch FAZ-Artikel " „Insolvenz Griechenlands in Betracht ziehen“. Ökonomen unterstützen Wirtschaftsminister Rösler" von Philip Plickert vom 16.09.11.
Die ganze Verlogenheit unserer Bundesregierung enthüllt Holger Steltzner, Mitherausgeber der FAZ, in seinem  Kommentar "Rettungspolitik. Merkels Geheimnis" vom 16.09.11, wo er die Bundeskanzlerin verdächtigt, Deutschland ganz bewusst in eine europäische Transferunion zu führen, das Volk aber über ihr Ziel zu täuschen. Bedeutsam im Hinblick auf die Desinformationspolitik der deutschen Regierung ist auch ein Zitat von Wolfgang Schäuble aus dem FAZ-Bericht "Europas Finanzminister. Griechenland-Hilfe verzögert sich" vom 17.09.11: "„Wir haben keine Eurokrise“, bekräftigte der Minister. „Wir haben eine Krise in einigen Mitgliedsländern“." Wenn wir keine Euro-Krise haben, kann es auch nicht um eine Euro-Rettung gehen, wie die Politiker sonst gerne behaupten!).


3) Für die FAZ meldet Werner Mussler aus Breslau, dass der luxemburgische Ministerpräsident (und bekennende Gewohnheitslügner) Jean-Claude Juncker  "Griechenland „erhebliche Fortschritte“ bescheinigt habe. In Wahrheit haben sie wieder einmal hauptsächlich Versprechungen geliefert, die sie nicht einhalten werden und mangels Mitwirkung der Verwaltung selbst bei bestem Willen gar nicht einhalten können: die Regierung hat das Land nicht mehr (bzw. noch weniger als früher) im Griff! Dass Juncker lediglich die transferkritische Öffentlichkeit, insbesondere die deutsche, täuschen will, kann man schon aus der (ebenfalls von Mussler referierten) völlig anders gearteten Äußerung des EU-Währungskommissars Olli Rehn sehen: „Der Ball liegt jetzt im Feld der Griechen.“ Mit anderen Worten: nach dem gegenwärtigen Stand ist Griechenland noch weit entfernt von der Erfüllung der Troika-Auflagen.
Ausnahmsweise sagt uns in diesem Falle ein ZEIT-Artikel noch viel deutlicher, wie die europäischen Politiker die griechischen 'Anstrengungen' in Wahrheit beurteilen:
"Zuvor war die eigentlich für Montag erwartete Ankunft der Experten von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) in Athen ein zweites Mal aufgeschoben worden. Derzeit gebe es noch kein Datum für ihre Rückkehr nach Athen, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Breslau. ..... Griechische Medien berichteten, die Regierung mache sich nun große Sorgen um die nächste Tranche der Finanzhilfe. Venizelos habe ein "äußerst negatives Klima" beim jüngsten Finanzministertreffen der EU in Breslau festgestellt."
(Artikel: "Euro-Gruppen-Chef Juncker. Griechenland macht erhebliche Fortschritte", ein FAZ-Bericht von Werner Mussler vom Treffen der Euro-Finanzminister in Breslau vom 16.09.11. "Griechenland-Krise Papandreou sagt USA-Besuch ab", Die ZEIT 17.09.11).
(Erg. 18.09.11: Dass Griechenland derzeit in keinster Weise im Plan ist zeigt sich auch daran, dass sogar unser Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble "Griechenland aufgefordert [hat], sich über seinen Verbleib in der Euro-Zone klarzuwerden. ..... Seiner Darstellung nach hängt es nun ganz allein von dem Land selbst ab, ob es weitere Hilfen von Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF) bekommt." - "Schäuble droht Griechenland mit Zahlungsstopp", WELTOnline von heute. Entsprechend auch "Schäuble knöpft sich Griechenland vor" bei SPON. Noch deutlicher wird der heutige WELT-Bericht "Schäuble duldet keine Ausrede bei Griechen-Sparkurs" von Florian Eder (meine Hervorhebungen): "Die Finanzminister hätten deutlich gemacht, dass sie keine Versprechungen mehr hören wollten, hieß es aus der griechischen Delegation. Man werde nur noch klare, vom Parlament gebilligte und sofort haushaltswirksame Maßnahmen zur Kenntnis nehmen – sonst werde kein mehr Geld überwiesen. Diese Schlüsse aus dem Treffen in Breslau erreichten den griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou am Samstag auf dem Weg nach London, von wo aus er in die USA weiterfliegen wollte. Er entschloss sich, nach Griechenland zurückkehren – weil die kommende Woche „für die Initiativen, die Griechenland in Angriff nehmen muss, von entscheidender Bedeutung“ seien, wie sein Büro mitteilte. In Angriff nehmen hätte Griechenland die Maßnahmen längst müssen. Aber beim Abbau der Staatsausgaben, bei der Liberalisierung bislang abgeschotteter Berufszweige, beim Erschließen neuer Einnahmen gab es zu wenige Fortschritte – deswegen hatte die Troika ihre Mission vor zwei Wochen unterbrochen. Die Beispiele Irland und Portugal zeigten, dass die Hilfe für hoch verschuldete Länder greife, sagte Schäuble – und verband damit wieder eine Warnung: In Griechenland sei das noch nicht der Fall.")


4) Die wichtigste Information versteckt sich aber ganz unvermutet in einem Spiegel-Artikel über die gigantischen (grundsätzlich aber bekannten) Zahlungsrückstände griechischer Krankenhäuser. Wenn man die Berichte der Medien über die Schuldensituation in Portugal, Spanien und Italien liest, kann man eigentlich nicht verstehen, weshalb die Finanzmärkte diese Schuldner ebenfalls sehr kritisch beäugen. Dadurch hat die Politik (und haben deren Helfershelfer in einigen Medien) leichtes Spiel dem deutschen Volk einzureden, dass lediglich die bösen Spekulanten an der Misere dieser Länder Schuld seien:
  • Von Portugal liest man immer, dass man dort dabei sei, die Auflagen umzusetzen;
  • Über Spanien erfährt man, dass zwar die Wirtschaft nicht so recht in Schwung kommt, der Schuldenstand aber niedriger sei als selbst in Deutschland und
  • Italien habe zwar sehr hohe Schulden, aber das sei ja schon immer so gewesen, das Land habe seine Verbindlichkeiten immer tilgen können und nehme ohnehin hauptsächlich Kredit im eigenen Land auf.
Wie kritisch die Lage in diesen Ländern aber wirklich ist, bzw. dass es dort anscheinend noch versteckte Schulden gibt, zeigt eine Information im Rahmen eines Berichts über den Schweizer Pharmakonzern Roche, der seine Lieferungen an griechische Krankenhäuser (wegen Zahlungsrückständen von 3 - 4 Jahren!) gestoppt hat.
"Andere Krisenländer könnten bald ähnliche Probleme bekommen. Ein Lieferstopp komme auch für Spanien in Frage, sagte Schwan. Auch seien einzelne staatliche Krankenhäuser in Portugal und Italien mit Zahlungen im Rückstand."
Diese Länder, ganz speziell Spanien, haben sich also zusätzlich zu ihrer Verschuldung am Anleihemarkt noch bei ihren Lieferanten verschuldet (und vielleicht sogar auch außerhalb des Krankenhaussektors?). Die Trader an den Bondmärkten wissen sicherlich darüber Bescheid.
 Da wundert man sich dann nicht mehr, wenn man in den Deutschen Mittelstands Nachrichten erfährt (was die anderen Medien verschweigen!), dass nur noch die EZB die Anleihen Spaniens und Italiens aufkauft.

(Artikel: "Zahlungsprobleme. Pharmakonzern stoppt Lieferung an griechische Krankenhäuser", SpiegelOnline 17.09.11; "Italien und China: Niemand außer der EZB kauft Anleihen", DMN 13.09.2011. Die Deutsche Mittelstands Nachrichten brachten am 16.09.2011 auch eine Negativ-Information über Portugal, die ich in anderen Medien nicht gesehen habe: "Auch Portugal findet ein Milliardenloch".)


ceterum censeo
Der Wundbrand zerfrisst das alte Europa,
weil es zu feige ist ein krankes Glied zu amputieren!


POPULISTISCHES MANIFEST
(für die Rettung von zwei Billionen Steuereuronen!):
Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst einer europäischen Transferunion und Haftungsunion.
Im Herzland des alten Europa haben sich die Finanzinteressen mit sämtlichen Parteien des Bundestages zu einer unheiligen Hatz auf die Geldbörsen des Volkes verbündet:
·        Die Schwarzen Wendehälse (die unserem Bundesadler den Hals zum Pleitegeier wenden werden),
·        Die Roten Schafsnasen (vertrauensvoll-gutgläubig, wie wir Proletarier halt sind),
·        Die Grünen Postmaterialisten (Entmaterialisierer unserer Steuergelder wie unserer Wirtschaftskraft),
·        Die machtbesoffenen Blauen (gelb vor Feigheit und griechisch vor Klientelismus), und selbstverständlich auch
·        Die Blutroten (welch letztere die Steuergroschen unserer Witwen, Waisen und Arbeiter gerne auflagenlos, also in noch größerer Menge, gen Süden senden möchten).

Textstand vom 18.09.2011

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