Freitag, 10. August 2012

Die Eurozone ist ein Gebäude aus Lug und Trug - also ein Irrenhaus. Vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit ist z. B. auch der FTD-Artikel "Gefahr des Bank-Runs 1931 darf sich nicht wiederholen" von Prof. Adalbert Winkler


Adalbert Winkler ist Professor für International and Development Finance an der Frankfurt School of Finance & Management. Diese Hochschule (Homepage) ist eine private Einrichtung, wird also offenbar von der Finanz"industrie" finanziert (Wikipedia-Artikel).
Das ist vielleicht keine unwichtige Hintergrund-Information, wenn man den Artikel
"Gefahr des Bank-Runs 1931 darf sich nicht wiederholen" von Prof. Winkler in der Financial Times Deutschland vom 08.08.2012 liest (Hervorhebungen jeweils von mir, auch in den Wikipedia-Textauszügen).
"Zur Bekämpfung der Euro-Krise wird derzeit über einen unlimitierten Rettungsschirm diskutiert, der stets auf den Märkten eingreifen könnte, weil er sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB) refinanzieren dürfte. Die Reaktion der Bundesregierung und der Bundesbank auf diesen Vorschlag fällt negativ aus. In diversen Blogs [z. B. bei mir!] ist gar vom Irrenhaus die Rede, das schleunigst zu verlassen sei. Diese Positionen sind angesichts der herrschenden Meinung der deutschen Wirtschaftswissenschaft verständlich. Aber sind sie auch berechtigt?"
Halten wir - neben dem Begriff "Irrenhaus" - fest, wovon Prof. Winkler hier spricht. Bei dem unlimitierten Rettungsschirm geht es um die Staatsfinanzierung, nicht (und das ist wegen der von mir unterstellten vorsätzlichen Täuschungsabsicht von Winkler wichtig) um die Finanzierung von illiquiden Banken.

"... im Jahr 1931, war Deutschland mit den gleichen Problemen konfrontiert wie die europäischen Krisenstaaten heute: Ein auf ausländischem Kredit basierender Wirtschaftsaufschwung war als Folge der globalen Finanzkrise und der Umkehr der Kapitalflüsse in eine tiefe Rezession umgeschlagen. Politische und ökonomische Ereignisse hatten die Kapitalflucht weiter verstärkt. Und wie die Krisenländer heute war Deutschland Teil eines Systems fester Wechselkurse, des Goldstandards."
Hier verschweigt er etwas Entscheidendes: Damals ging es um die (Kredit-)Beziehungen von Ländern mit eigenen Notenbanken (USA, Frankreich, Großbritannien und auf der anderen Seite Deutschland). Heute geht es um das Verhältnis von Ländern mit einer gemeinsamen Notenbank, nämlich der EZB. Dieser Unterschied ist, wie ich nachfolgend aufzeigen werde, eminent wichtig. Ich habe nicht die geringsten Zweifel daran, dass Prof. Winkler das sehr wohl weiß, und dass er in seinem Euhaftungs-Propagandaartikel diesen entscheidenden Unterschied vorsätzlich unterschlägt.


Der ganze Sachverhalt, auf den Winkler in seinem FTD-Artikel abstellt, ist in dem Wikipedia-Stichwort "Deutsche Bankenkrise" ausführlich und, soweit ich das beurteilen kann, auch zutreffend, und in den Beurteilungen sehr abgewogen, beschrieben. (Ebenfalls sehr detailliert der ZEIT-Artikel "Luthers letztes Aufgebot" von Karl Erich Born; Teil 4 der Reihe "Als Deutschlands Banken krachten" vom 21.04.1967.)


Winkler fährt fort:
"Reichsbank-Präsident Hans Luther, vormals jener Finanzminister, der nach der Hyperinflation 1923/24 die Reichsmark stabilisierte und sich dann in seinem ganzen Denken der auch heute in Deutschland herrschenden ökonomischen Meinung verpflichtet sah, versuchte daher, Notkredite der Partnerzentralbanken innerhalb des Goldstandards zu erhalten."
Hier ist zunächst einmal der Hinweis auf das angebliche ökonomische Denken des Reichsbankpräsidenten so überflüssig wie ein Kropf. Hans Luther hat um einen Kredit gebeten, Punkt. Dass er den nicht bekommen hat, hat mit seinem angeblichen (wie Winkler insinuiert: Austeritäts-)Denken rein gar nichts zu tun. Im Übrigen ist in der Wikipedia-Darstellung an keiner Stelle von einem unbegrenzten Kredit die Rede. Eine der fraglichen Passagen lautet: "... scheiterte die Reichsbank in ihren wiederholten Versuchen, durch einen umfangreichen Rediskontkredit von den ausländischen Notenbanken ihren Devisenbestand zu erhöhen. Nach Verhandlungen mit der Bank of England, der Federal Reserve Bank und der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel wurden ihr am 24. Juni lediglich 100 Mio. Dollar zugesagt, so dass das Devisenportefeuille der Reichsbank weiterhin nur geringfügig über der gesetzlich vorgeschriebenen Deckungspflicht verharrte."

Winklers Aussage: "Gegenüber dem Gouverneur der Bank of England sprach er von der Notwendigkeit eines unbegrenzten Kredits. Andernfalls würde Deutschland zusammenbrechen" mag als Sachinformation über die fragliche Unterredung zutreffen. Das bedeutet aber in keiner Weise, dass Deutschland tatsächlich einen unbegrenzten Kredit benötigte.

Dass Winklers Formulierung zutrifft "...kam es zu einem Notkredit in Höhe von 100 Mio. Dollar. Das war viel Geld, aber bereits nach drei Wochen stand die Reichsbank wieder vor der Frage: Zusammenbruch des deutschen Finanzsystems oder Austritt aus dem Goldstandard?" darf man wohl unterstellen. Für den uninformierten Leser (also für mutmaßlich 90% selbst bei der FTD-Leserschaft) verschleiert sie aber, zumal im Zusammenhang mit dem o. a. Anfang und mit der Behauptung "dass auch Deutschland einmal um unbegrenzten Kredit bat" am Schluss, worum es eigentlich geht. Das Geld war nicht im Haushalt des Deutschen Reiches versickert, sondern durch Kapitalabflüsse aus Deutschland verschwunden.

 Darüber erfahren wir im Wikipedia-Artikel: "Insgesamt hatte die Reichsbank in der Zeit vom 1. bis zum 17. Juni ca. 1,4 Milliarden RM verloren, das waren mehr als die Hälfte ihres Gold- und Devisenbestandes. Dadurch geriet sie in gefährliche Nähe zu der durch den Young-Plan vorgeschriebenen Deckungsgrenze von 40 %."
Warum war das ein Problem? Weil die Reichsbank dadurch nicht mehr als "Lender of last resort"  ( Kreditgeber letzter Instanz) fungieren konnte. Auch diesen Hintergrund, und die Entstehung der Lage, beleuchtet der Wikipedia-Eintrag:
"Die Kreditinstitute refinanzierten sich bei Liquiditätsengpässen über die Reichsbank. Deshalb schmälerten Kündigungen von ausländischen (Fremdwährungs-) Krediten auch die zur gesetzlich vorgeschriebenen Währungsdeckung vorgesehene Devisenreserven der Reichsbank. Verlor die Reichsbank Devisen, durfte sie also weniger Kredite an die Banken geben – eine Welle von Kreditabzügen würde also die Zahlungseinstellung der betreffenden Institute erzwingen und damit eine Vernichtung des deutschen Kredites im Ausland herbeiführen."
Der Begriff "Liquidität(sengpass)" ist wichtig und deshalb von mir hervorgehoben. Es ging nicht darum, dass die Banken pleite im Sinne von überschuldet gewesen wären. Vielmehr zogen die Einleger ihr Kapital ab.
Genau so läuft das aktuell (und schon seit längerem) auch in Südeuropa. Dort gibt es einen "Bank-Run" schon längst, der 1931 in Deutschland (auch schon vorher lief, aber) sich (letztlich) durch die Verweigerung von Hilfskrediten seitens der anderen Notenbanken dramatisch verstärkte.
Warum gibt es in den Mittelmeerländer der Eurozone keine Bankzusammenbrüche?
Ganz einfach: Weil die EZB durch eine Fülle von Liquiditätszufuhr die Geldabzüge der Einleger ausgleicht.
UM GENAU DENSELBEN SACHVERHALT GING ES ABER 1931 IN DER BANKENKRISE - nur dass damals die Reichsbank ihrer Funktion als "Lender of last resort" nicht nachkommen konnte - ganz im Gegensatz zur EZB heute, die das Geld einfach druckt.

Damals ging es um einen DEVISENKREDIT, weil eben das Fehlen von Devisen bzw. Gold die Möglichkeit der Reichsbank einschränkte, den Banken die benötigte Liquidität zuzuführen.

Entgegen dem von Prof. Winkler in seinem Artikel erweckten Eindruck ging es NICHT um einen Kredit für den deutschen Staat!

Aber selbst dann, wenn man diesen Unterschied einmal beiseite lassen wollte: Die Reichsbank konnte damals keinen ausländischen Kredit bekommen.
Spanien und Italien bekommen durchaus Kredite am freien Markt. Nur mögen sie jene Zinsen heute nicht mehr zahlen, die in den Zeiten vor Einführung des Euro für diese Länder völlig normal waren.
Ein Eurettungsschirm, der sich unbegrenzt bei der EZB finanzieren dürfte, hätte aus Sicht der Krisenländer denn auch genau diesen Zweck: Die Kreditzinsen herunterzusubventionieren, in die Nähe des deutschen Niveaus. (Vgl. auch meinen Blott "EZB-Finanzierung des ESM: Wie geht das - und was geht dann ab?".)

Vor allem kann, wer unbegrenzte Kredite fordert, es nicht sauber begründen, dass diese Forderung auf Spanien und Italien beschränkt bleiben soll. Das gilt dann auch für Frankreich, Griechenland oder Portugal, denn mit welcher Begründung kann man den einen Ländern verweigern, was man den anderen zugesteht?
Aber vielleicht hat Winkler ja auch genau das im Sinn: Den großen Honigtopf der EZB-Gelddruckerei aufzustellen, wo jeder unbegrenzt reinlangen darf. Seinem FTD-Artikel jedenfalls ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.



Was die Financial Times Deutschland angeht: Bei diesem Kampfblatt für eine Verhaftung der deutschen Steuerzahler und/oder der Geldbesitzer (Inflation!) zu Gunsten der Kapitalinteressen in der sog. "Euro-Rettung" kann es nicht überraschen, dass es einen derartigen fachlich haarsträubenden Artikel veröffentlicht, um die deutschen Bürger zu manipulieren.


Aber von einem Wirtschafts- bzw. Finanzprofessor wie Ihnen, lieber Herr Prof. Dr. Winkler, hätte ich erwartet, dass Ihr wissenschaftliches Ethos Sie davon abhält, Fakten vorsätzlich verzerrt darzustellen. Falls es Ihnen entgangen ist: eine "venia legendi" ist keine Lizenz zum Legendenerzählen! Sie sollten sich schämen, dass Sie die deutsche Öffentlichkeit derart schamlos über die entscheidenden Unterschiede der damaligen und der heutigen Lage täuschen.
In Zeiten des Internets haben Lügen noch kürzere Beine als jemals zuvor!

Und wie schlecht müssen die Argumente für eine Fortsetzung der irren Euhaftungspolitik sein, wenn ein Finanzprofessor die Forderung nach einer Ausweitung des Eurettungswahnsinns gegen der Öffentlichkeit nur mit einen derartigen Schwindel begründen zu können glaubt, wie ihn der Herr Prof. Dr. Adalbert Winkler den Deutschen hier auftischt?


 
ceterum censeo
Auf dem Brüsseler Gipfel 28./29.06.2012 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel folgende Änderungen des ESM-Vertrages zugesagt:
a) Auflagenerleichterungen für Länder, die Finanzhilfen des ESM erhalten und
b) eine Entlassung der Staaten aus der Haftung bei der Sanierung von Banken in ihren Ländern. Damit finanzieren deutsche Steuerzahler Bankschulden in anderen Ländern, z. B. Spanien, Irland, Zypern, Slowenien.
Diese weitere a) Aufweichung und b) Ausweitung des ESM zu unseren Lasten, die nach meiner Einschätzung in 2 - 3 Monaten vor den Bundestag kommt, müssen wir verhindern. WIR sind das Volk! Schreibt massenhaft in Foren, Leserbriefen und vor allem an die Bundestagsabgeordneten, dass sie eine Vertragsänderung des ESM ablehnen sollen!

Textstand vom 10.08.2012. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm.
Eine vorzügliche, laufend aktualisierte Übersicht über die Internet-Debatte zur Eurozonenkrise bietet der Blog von Robert M. Wuner. Für diesen „Service“ ihm herzlichen Dank!
Hinweis für Paperblog-Leser: Die Original-Artikel in meinem Blog werden teilweise aktualisiert bzw. geändert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen