Sonntag, 19. August 2012

Wegzensierter Kommentar zur Kolumne "Dann fragt mal das Volk" von Thomas Fricke, Chefredakteur Financial Times Deutschland


In seinem FTD-Artikel (17.08.12), der parallel im FTD-Blog "Wirtschaftswunder" veröffentlicht wurde  "Dann fragt mal das Volk"  und dort kommentiert werden kann, hält Euhaftungs-Chefpropagandist (seines Zeichens Chefökonom, also Chefredakteur, der Financial Times Deutschland) Thomas Fricke den Deutschen die Karotte einer Volksbefragung vor den Mund:
"In der Krise rächt sich, dass die Deutschen den Eintritt in die Euro-Schicksalsunion nie absegnen durften. ..... Wenn bei der Volksbefragung die Mehrheit am Ende dagegenstimmt, ist es so. Dann werden wir sehen, wie gut es uns danach geht."

Aber abstimmen sollen wir erst dann dürfen (und auch dann überhaupt erst eine Abstimmung einleiten!), wenn der ESM installiert und damit die Euhaftungsunion unumkehrbar geworden ist. Diese eigentliche (hinterhältige) Zielsetzung versteckt Fricke hinter wohltönenden Worten und Absichten (meine Hervorhebung): "..... geht es ... um Volksbefragung zu einer Frage, die Generationen bindet. So etwas wäre ein Großereignis, bei dem es vorher monatelang hin- und herginge ... . In so einer Kampagne könnte auch mal jemand nüchterner erklären, was der ESM im Kern soll: nicht Freischein für kriselnde Länder sein, ..... sondern ein Mechanismus, den man braucht, um gegen gefährliche Finanzpaniken geschützt zu sein. So wie wir in Deutschland auch einen Einlagensicherungsfonds gegen Bankpaniken haben. ..... Weise wäre nur, das Ganze nicht sofort zu machen, wo an den Finanzmärkten jeder Hauch eines Zweifels zu neuer Panik führt. Da gilt, dass man entweder den Euro garantiert, wie es EZB-Chef Mario Draghi zurecht versucht – oder es ganz sein lässt. Alles dazwischen erhöht nur die Absturzgefahr. In so einem Moment ein Referendum in Deutschland anzukündigen würde die Krise sehr wahrscheinlich eskalieren lassen, bevor die Deutschen überhaupt Wahlbescheinigungen im Briefkasten haben. Und da wäre es ja schade, wenn am Ende rauskommt, dass wir den zwischenzeitlich implodierten Euro doch mehrheitlich gewollt hätten. Wählen wir lieber, wenn das Feuer aus ist."


 Dazu hatte ich zwei Leserkommentare eingegeben.

Der 2. wurde veröffentlicht:
"Schlaue Idee übrigens, das Volk erst später zu fragen. Wenn die Transferunion unumkehrbar ist. Das wollen ja auch viele Politiker – auch, um das Bundesverfassungsgericht auszutricksen."


Mein erster Leserkommentar, den ich später noch einmal leicht revidiert hatte (auf die u. a. Form), ist per heute, 19.08.12, 14.30 h., nicht freigegeben. Ich muss also davon ausgehen, dass er wegzensiert wurde und publiziere den Text deshalb hier:


“... was der ESM im Kern soll: nicht Freischein für kriselnde Länder sein, wie es bei uns zur Standarderklärung geworden ist, sondern ein Mechanismus, den man braucht, um gegen gefährliche Finanzpaniken geschützt zu sein.

Was der ESM aus unserer Sicht sein SOLL, ist absolut gleichgültig. Entscheidend ist, was voraussichtlich draus wird.
Nämlich ein Transfermechanismus; angefangen bei der Bankschuldenunion (der Rest folgt in bewährter Scheibchentaktik später). Mit Auflagen so weich wie Butter auf dem Balkon im Sommer.

Und das überschuldete Ungarn und das deindustrialisierte Großbritannien als Negativbeispiele rauszugreifen, ist ja wohl lächerlich, Herr Fricke.

Wie wär’s denn mit Schweden oder Dänemark (Norwegen lasse ich bewusst außen vor)? Passt nicht in Ihre Narrative, gelle?
Ach ja, und wenn Sie von deutschen Träumern sprechen: Warum nicht auch mal die Finnen erwähnen? Sind ja gerade aktuell wieder als (rationale) Euroskeptiker in allen Medien.


Nachtrag 22.50 h: Jetzt ist auch der 2. Kommentar online - und auch eine Antwort von Herrn Fricke dazu.


Nachtrag 20.08.2012, 17.30 h:

Dafür fehlen jetzt meine -2- späteren Kommentare.

1. Eine Antwort auf einen Einwand von Thomas Fricke ("Herr Brinkmann, ich denke, da haben Sie mein Argument nicht verstanden. Es ging ja um das gängige Argument, dass Länder mit Finanzproblemen ohne den Euro angeblich ganz einfach ihre Probleme durch Abwertung lösen könnten. Die Beispiele Ungarns und Großbritanniens zeigen, dass das offenbar nicht so einfach ist. Dass es in wie außerhalb der Euro-Zone auch Länder ohne Akute Finanzprobleme gibt, hat damit ja wenig zu tun. Finnland ist gerade übrigens dabei, in eine Rezessiom zu rutschen, ähnlich wie die Niederlande es schon sind. TF"):

 " 'Oder die, dass alles prima wäre, wenn jeder wieder seine Währung hätte, wie es Ökonomen in Mondmodellen vorgaukeln. Den Briten hat die Abwertung erschreckend wenig gebracht, die Wirtschaft ist weiter in der Rezession. Ähnliches gilt für die Ungarn, die trotz Abwertung und eigener Währung dauerkriseln.'
Ja, bei erneutem Durchlesen muss ich Ihnen Recht geben, Herr Fricke: Das war keine sorgfältige Lektüre von mir.
Gleichwohl lässt sich Ihr 1. Satz auch zwanglos mit anderen Ländern - wie eben Schweden oder Dänemark - in Verbindung bringen: Die haben ihre eigene Währung behalten - und keine Probleme damit.
"Big is beautiful" stimmt also nicht (das sagen Sie an dieser Stelle zwar auch nicht, wird aber allgemein von den Euhaftungsfetischisten behauptet.)
Und auch der von Ihnen konstruierte Kausalzusammenhang - "Probleme trotz Abwertung = Abwertung hilft nicht" - ist nicht schlüssig. Ungarn und Großbritannien haben deutlich geringere Schwierigkeiten als Griechenland. Niemand weiß, wie sie innerhalb der Eurozone dastehen würden.
Großbritannien mit ziemlicher Sicherheit äußerst schlecht, denn aktuell profitiert es noch von der (vermeintlichen) Funktion als sicherer Hafen für mediterrane Euroflüchtlinge.
Also: Die Lage in diesen Ländern taugt nicht als Gegenbeweis, dass Griechenland (Portugal, Spanien) nicht außerhalb der Eurozone besser fahren würden als innerhalb.
Und dass Finnland in eine Rezession abrutscht, scheinen ja zumindest die Finnen selber dem Euro anzulasten. Insofern ist Ihre Aussage ohne Zusammenhang mit meiner (am Beispiel Finnlands verdeutlichter) Feststellung, dass es auch außerhalb Deutschlands Menschen gibt, die die Eurozone überhaupt oder jedenfalls in ihrer aktuellen Zusammensetzung für fragwürdig halten.
"


2. Einen weiteren Kommentar ohne unmittelbare Bezugnahme (es geht aber um den Sprachgebrauch von Fricke und von einigen Leserkommentatoren):

"Notenbanken als "lender of last resort" für Staaten zu bezeichnen, sehe ich als einen Begriffsmissbrauch an. Die ökonomische Raison d'être für Notenbank ist es, dem BANKSYSTEM einen letzten Rückhalt zu geben, nicht den Staaten.
Denen haben sie Geld, und der Währung den Rest, gegeben in Deutschland 1914 ff., in Ungarn nach dem 2. Weltkrieg, in jüngster Zeit im Zimbabwe. Ist dort nicht gut ausgegangen.
Dann in Japan seit ca. 1990, in GB und in den USA seit 2007 ff.
Geht momentan noch gut; Frage ist nur, ob wegen der Weisheit von Ben Bernanke usw. - oder wegen spezifischer Bedingungen:
- Japan: Patriotische Binnenfinanzierung der Staatsschulden.
- USA + GB: Internationales Fluchtkapital bzw. USD als internationale Reservewährung.
Quod licet Bernanke muss bei Mario Draghi noch lange nicht klappen! Und wird nach meiner Überzeugung hier auch in die Hose gehen.
Haben wir wirklich Dysfunktionen, wenn die Märkte die Risiken in Italien und Spanien endlich (wieder) einpreisen?
Post-bubble-shock oder Publikumstäuschung über Probleme, welche die Finanzfüchse am Markt sehr klar sehen? Selbst die EZB ist, war jetzt in der FTD zu lesen, mit den spanischen "Reformen" unzufrieden; auch in Italien wurden die Reformen verwässert. Ist es da irratiional, wenn Investoren Zinsen von 6 oder 7% verlangen - wie sie doch früher üblich waren für diese Länder?
Wir haben es eben, gegen die Trommelei der Euhaftungsfans, NICHT mit "der" Krise (oder deren Nachwirkungen) zu tun. Sondern mit ganz spezifischen Problemen in Griechenland, Italien, Spanien usw.
Wie es ja in den 90er Jahren auch in Schweden eine Immobilienkrise gab: nichts Neues, hätten Spanien und Irland auch durchaus davon lernen können. War aber nicht gewollt, weil: Blödmichel blecht ja. Und wird ständig desinformiert. Cui bono, Herr Fricke?
"



ceterum censeo
Auf dem Brüsseler Gipfel 28./29.06.2012 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel folgende Änderungen des ESM-Vertrages zugesagt:
a) Auflagenerleichterungen für Länder, die Finanzhilfen des ESM erhalten und
b) eine Entlassung der Staaten aus der Haftung bei der Sanierung von Banken in ihren Ländern. Damit finanzieren deutsche Steuerzahler Bankschulden in anderen Ländern, z. B. Spanien, Irland, Zypern, Slowenien.
Diese weitere a) Aufweichung und b) Ausweitung des ESM zu unseren Lasten, die nach meiner Einschätzung im Herbst 2012 und jedenfalls vor Jahresende vor den Bundestag kommt, müssen wir verhindern. WIR sind das Volk! Schreibt massenhaft in Foren, Leserbriefen und vor allem an die Bundestagsabgeordneten, dass sie eine bankschuldenunion ablehnen sollen! (Und eine Auflagenaufweichung natürlich ebenso.)

Textstand vom 20.08.2012. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm.
Eine vorzügliche, laufend aktualisierte Übersicht über die Internet-Debatte zur Eurozonenkrise bietet der Blog von Robert M. Wuner. Für diesen „Service“ ihm herzlichen Dank!
Für Paperblog-Leser: Die Original-Artikel in meinem Blog werden später z. T. aktualisiert bzw. geändert.

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