Sonntag, 12. August 2012

Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages betr. ESM und Bankenhaftung (Bankenunion, Bankschuldenunion)


Sehr geehrte Dame,
Sehr geehrter Herr,

Es gibt in Ihren Reihen bei der “Euro-Rettung” drei Parteien:

1) Die kleine Schar der “Vorausdenker“, MdBs wie Bosbach, Gauweiler, Schaeffler und Willsch. Diese müssen sich von dem vorliegenden Brief nicht angesprochen fühlen, bzw. allenfalls insoweit, als sie dessen sachlichen Inhalt (den sie vermutlich teilen) ihren Parteifreunden und der deutschen Öffentlichkeit auch weiterhin mit vollem Nachdruck vor Augen führen sollten.
Allerdings empfehle ich im Hinblick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden meine Berichtigung im Anhang dringend zur Lektüre, weil die dort geschilderten Fakten von erheblicher Bedeutung für das Verfahren in Karlsruhe sein dürften.
 
2) Eine stattliche Menge an „Vorauszahlern“, denen das Verfüttern deutscher Steuermittel und/oder das Gelddrucken der Zentralbank gar nicht schnell genug gehen kann. Die Forderungen der „Vorauszahler“ harmonieren perfekt mit den Interessen der Mittelmeerländer, und in vielen Fällen auch mit den Wünschen der Finanzmärkte.
Insofern überrascht es, dass die „Vorauszahler“ ausschließlich jenen Parteien angehören, welche in besonderem Maße die Interessen der „kleinen Leute“ vertreten - oder zu vertreten vorgeben. Hier ist auch die Linke zu nennen, welche die ‚Eurettungspakete‘ lediglich deshalb ablehnt, weil sie die Druckmaschinen der Notenbank gerne noch schneller rotieren sähe.
Jedenfalls sind bei allen „Vorauszahlern“ Reue und Umkehr unwahrscheinlich. Diese (Zeit)genossen dürfen sich mithin von der Lektüre dieses Briefes dispensiert fühlen.

3) In der Mitte marschiert in Massen das Fußvolk der Regierungstruppen.
Angela Merkel ist es gelungen, die hellrote und die grüne sog. „Oppositionsparteien“ dermaßen zu domestizieren, dass sie noch feuriger als die eigenen Leute durch die flammenden Reifen der Steuergeldverbrennung springen: Chapeau!
 
Warum aber schwimmen Sie, das Regierungsstimmvolk, in den tobenden Kaskaden des Euhaftungsstromes mit, obwohl Sie dessen Gefahren durchaus erkennen?
Nicht wenige von Ihnen werden es mit Bauchschmerzen tun.
Fast alle werden Sie hoffen, dass sich die Risiken nicht materialisieren.
 
In jener Version des ESM-Vertrages, welcher Sie am Abend des 29.06.2012 zugestimmt haben, konnte man eine solche Erwartung noch für realistisch halten. Klientelistische Fettlebe und Verantwortungslosigkeit sind in Italien (wenigstens im Norden und in der Mitte) und in Spanien nicht ganz so ausgeprägt wie in Griechenland. Insoweit kann man (mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad auch immer) Gründe für die Annahme vorbringen, dass sich eine Staatspleite dieser Staaten vermeiden lässt. Und nur an Staaten darf der ESM nach der (noch) geltenden Vertragsversion (Art. 3 Satz 1) Geld verleihen - auch wenn die Mittel für die Bankensanierung bestimmt sind.
 
Am 26.06.2012 hatte die Bundeskanzlerin in einer Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion gesagt, "eine gesamtschuldnerische Haftung - zum Beispiel über Euro-Bonds - werde es nicht geben, solange sie lebe" (d. h. nicht unter ihrer Regierung).
Doch wie versprochen - so gebrochen. Denn bereits wenige Tage später, in der Brüsseler Gipfelnacht vom 28./29.06.2012, hat Angela Merkel einer Direktfinanzierung von Bankenhilfen zugestimmt. In der offiziellen Gipfelerklärung EURO AREA SUMMIT STATEMENT - 29 June 2012 heißt es insoweit (meine Hervorhebung): „When an effective single supervisory mechanism is established, involving the ECB, for banks in the euro area the ESM could, following a regular decision, have the possibility to recapitalize banks directly.“
Das bedeutet, dass die jeweiligen Heimatstaaten NICHT mehr für diese Gelder haften sollen.
Diese Zielsetzung ergibt sich auch aus dem einleitenden Satz „We affirm that it is imperative to break the vicious circle between banks and sovereigns.“
Damit hat die Bundeskanzlerin die Erwartungen der FDP-Fraktion, des deutschen Volkes und der Euhaftungsskeptiker in ihrer eigenen Fraktion brutal enttäuscht.
Wir haben es hier mit einem exemplarischen Beispiel jener hinterhältigen Europapolitik zu tun, die der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker vor langer Zeit so beschrieben hatte:
"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."
Insofern ist es nicht erstaunlich, wenn weite Kreise der deutschen Bevölkerung in allen Schichten jegliches Vertrauen verloren haben, dass die deutsche Politik die vitalen und legitimen Interessen unseres Landes in der ‚Eurettungspolitik‘ vertritt.
 
Der deutsche Steuerzahler hat einen Anspruch darauf, dass seine Gelder nicht für die Zahlung von Verbindlichkeiten fremder Länder missbraucht werden.
Eine derartige Veruntreuung deutscher Steuereinnahmen delegitimiert den Steueranspruch des deutschen Staates an seine Bürger, und wird auch faktisch die Besteuerungsakzeptanz erodieren lassen.
Eben diese Steuergeldveruntreuung tritt ein, wenn Sie der ESM-Vertragsänderung zustimmen, die Ihnen vielleicht schon bald nach dem 12.09.2012 vorgelegt werden wird. Nach dem Bericht "Eurokrise wirft langen Schatten auf die Sommerferien in der EU. Ausnahmezustand. Kommission feilt unter Hochdruck an Eurobankenaufsicht – Griechenland, Spanien, Italien im Fokus" im österreichischen Wirtschaftsblatt vom 05.08.12 arbeitet die EU-Kommission mit Hochdruck an den Planungen für eine gemeinsame Bankenaufsicht. Es ist klar, dass diese Gemeinschaftsaufsicht vor allem deshalb dermaßen forciert wird, weil sie die Voraussetzung für die unmittelbare Haftungsübernahme des ESM für Bankensanierungen ist.
Sofern das Bundesverfassungsgericht am 12.09.2012 die Eilanträge abweist, und damit faktisch die Ratifikation des Vertrages durch den Bundespräsidenten freigibt, wird nicht viel später auch die Änderung des ESM-Vertrages bei Ihnen auf dem Tisch kommen. Wahrscheinlich sogar gemeinsam mit dem Vertrag über die Bankenaufsicht, denn diese will man uns - Ihnen - ja als „Zugeständnis“ unserer Partnerländer verkaufen, damit wir unser Geld rausrücken.
 
Und das wird nicht wenig werden. Aktuell steht die Sanierung von Banken in Spanien, Zypern und Slowenien an. Für Irland soll die Gemeinschaftshaftung offenbar sogar rückwirkend eingeführt werden („The Eurogroup will examine the situation of the Irish financial sector with the view of further improving the sustainability of the well-performing adjustment programme. Similar cases will be treated equally.“). Realistisch ist zu erwarten, dass diese Bankensanierung die Steuerzahler am Ende mehrere hundert Milliarden Euro kosten wird. Damit ist Annahme keineswegs unwahrscheinlich, dass die Kosten das Volumen des Bundeshaushalts, also ca. 300 Mrd. €, erreichen oder gar übersteigen werden. Einen Anhaltspunkt für die zu erwartenden Verluste bietet etwa der FAZ-Bericht Steht Spanien wie Irland vor dem Offenbarungseid? vom 05.06.2012:
Insgesamt haben spanische Banken Kredite über 1,9 Billionen Euro vergeben, davon mehr als 60 Prozent für Immobilien. Der IIF unterstellt für Spanien so hohe Ausfallraten der Immobilienkredite wie in Irland. Dementsprechend kommt der IIF für spanische Banken auf einen Vorsorgebedarf von 218 bis 260 Milliarden Euro.
Das kann letztlich weniger, aber sehr leicht auch sehr viel mehr werden. Wer derartige Risikoschätzungen für übertrieben hält sollte sich fragen, warum Spanien wohl ein so ausgeprägtes Interesse an einer Bankschuldenvergemeinschaftung hat?
 
Wenn einige deutsche Ökonomen unter Hinweis auf das US-amerikanische „TARP“-Programm die Kosten für eine europäische Bankenrettung herunterspielen, kann ich das nur als den Versuch einer vorsätzlichen Täuschung der deutschen Öffentlichkeit werten. Im Gegensatz zu den USA geht es bei den europäischen Bankenrettungen nicht um weltweit operierende Großbanken, die aufgrund ihrer breiten Aufstellung Verluste in einzelnen Bereichen leichter kompensieren können. Hierher fließt auch kein internationales Fluchtkapital, das eine Rekapitalisierung ‚am Markt‘ ermöglichen würde.
 
Da der ESM keine nennenswerten Gewinne machen soll (Ziff. 15 der Vorbemerkungen bzw. Art. 20 des Vertrages), müssen die für Bankensanierungen vorhersehbaren Verluste i. H. v. mehreren hundert Mrd. € in voller Höhe von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer durch Nachzahlung auf die Stammeinlagen getragen werden. Also mit gut 27% von uns Deutschen.
Wahrscheinlich ist, dass auch der ESM (wie bislang die Banken) das Ausmaß der Verluste anfänglich durch Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen verschleiern wird. Dadurch kann es später zu gigantischen Nachforderungen an die Gesellschafter kommen, und zwar sozusagen ‚von heute auf morgen‘ (Art. 9., insbes. Abs. 2 + 3 ESM-Vertrag!). Mit solchen Haushalts’überraschungen‘ werden Sie noch viel „Vergnügen“ haben, wenn Sie nicht jetzt ein Stoppschild aufstellen!
 
Die Gipfelzusage der Kanzlerin bindet Deutschland nicht und bindet Sie nicht persönlich in Ihrem Abstimmungsverhalten (auch wenn Mario Monti Sie gerne zu Regierungsmarionetten erziehen“ möchte).
Es ist im Gegenteil eine bodenlose, und in Friedenszeiten wohl beispiellose Unverschämtheit, mit welcher Selbstverständlichkeit unsere mediterranen „Freunde“ Anspruch auf die Einnahmen des deutschen Fiskus erheben. Unsere Regierung hat es (unabhängig von den Gipfelvorgängen) bedauerlicher Weise versäumt, derartige dreiste Anmaßungen mit aller gebotenen Würde und Festigkeit in öffentlichen Erklärungen abzuweisen.
Umso weniger ist die Kanzlerin berechtigt, nach Belieben über UNSER Geld zu verfügen, und erst Recht ist es eine Ungeheuerlichkeit, dass die Krisenländer (vorerst) bei den Bankenschulden eine Vergemeinschaftung anstreben, um sich mit ungenierter Frechheit aus der deutschen Staatskasse bedienen zu können.
Der logisch zwingende Folgeschritt ist eine (Teil-)Vergemeinschaftung der Staatsschulden. Mit welcher überzeugenden Begründung könnten Sie denn schlussendlich Italien mit einem Schuldenstand 120% Schulden vom BIP verwehren, was Sie Spanien mit weniger als 80% Verschuldung (also im Verhältnis über 50% weniger Schuldenlast!) ggf. zugebilligt haben?
 
Zeigen Sie zu gegebener Zeit IHREM Volke, dass Sie sich nicht von mediterranen Schlitzohren über den Tisch ziehen lassen!
UNSEREN Nutzen zu mehren ist Ihre Pflicht: Nicht den Nutzen fremder Völker (deren wohlhabende Steuerhinterzieher zum Dank für unsere Hilfe auch noch die Immobilienpreise bei uns hochtreiben).
 
LEHNEN SIE EINE ÄNDERUNG DES ESM-VERTRAGES AB!

Wer jetzt kein Rückgrat zeigt, der zeigt es nimmermehr.
Wer jetzt sein Haus nicht gegen Diebe sichert, steht bald ohne Dachziegel im Regen.
 
Die Verachtung, der Zorn und, sobald Verluste zu bezahlen sind, der Hass Ihres Volkes werden Sie treffen, wenn Sie den Abstimmungslemmingen nachdackeln, statt Ihrem Gewissen zu folgen!
 
Berichtigung:
 
Nach Abfassung des o. a. Textes kam mir die Mitschrift Pressekonferenz. Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Europäischen Rat vom 29.06.2012 in Brüssel“ zu Gesicht.
Aufgrund der dort von der Kanzlerin gemachten Ausführungen muss ich meine Meinung für falsch halten, dass der ESM-Vertrag in der vorliegenden Form eine Kreditgewährung lediglich an (bzw. mit Haftung der begünstigten) Staaten erlaubt. Zu dieser Frage erfahren wir dort (Hervorhebungen von mir):
 
Der erste Punkt ist einer, der mittelfristiger Natur ist. Dieser Punkt hat mit dem, was jetzt zum Beispiel im Bundestag abgestimmt wird, nämlich dem ESM, nichts zu tun, aber er ist dann von Relevanz, wenn die entsprechenden Arbeiten vorangegangen sind. Da geht es um die Frage: Wie soll in Zukunft eine bessere Aufsicht über Banken in Europa aussehen? ….. Wenn diese Überwachungsinstitution [gemeinsame Bankenaufsicht] dann einmal existiert, kann es eine wiederum einstimmige Entscheidung im Gouverneursrat des ESM geben, dass mit Hilfe dieser Institution eine direkte Kapitalisierung von Banken möglich ist, nachdem das Land, in dem die jeweilige Bank ist, einen Antrag gestellt hat. ….. Die Verknüpfung dieser Aufsichtsbehörde mit der Möglichkeit der Kapitalisierung von Banken haben wir heute zum ersten Mal beschlossen. Das ist richtig. Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Das ESM-Volumen bleibt dann völlig unangetastet. Es ist nur so, dass es vom ESM direkt an die Banken geht. Das kann man akzeptieren, wenn man eine gute, intensive und verlässliche Aufsichtsbehörde hat, die die Funktion übernimmt, die heute der jeweilige Staat hat.“
Frage: Frau Bundeskanzlerin, wer haftet denn am Ende bei der Rekapitalisierung von Banken? Wird der Staat, da er ja jeweils den Antrag stellt, am Ende auch dafür bürgen? Oder ist es letztendlich tatsächlich der ESM?
Antwort: Die Details im Zusammenhang mit den Haftungen deshalb gibt es auch den Passus, dass die Finanzminister daran weiter arbeiten müssen im Einzelnen verhandelt werden. Das werden das kann ich jetzt schon voraussagen noch einmal ziemlich schwierige Verhandlungen. Wir befinden uns in einem sehr neuen Bereich, und deshalb wird das nicht nur zehn Tage dauern.
„Wenn es eines Tages eine Überwachungsbehörde in Form der EZB geben sollte und der ESM dann im Hinblick auf die Bankenrekapitalisierung im Zusammenhang mit dieser Überwachungsbehörde aktiv werden sollte, dann wird es ja im ESM einen Gouverneursrat geben. Dieser Gouverneursrat kann darüber entscheiden, ob sich etwas verändert. Im deutschen Durchführungsgesetz für den ESM ist festgelegt, dass jede Veränderung der Tätigkeit des ESM dann noch einmal vom Deutschen Bundestag genehmigt werden muss. Wir haben also für die jetzt ja noch gar nicht auf der Tagesordnung stehende Möglichkeit schon heute einen Weg, aber das würde dann mit einer erneuten Beschlussfassung verbunden sein. Aber das wird in Monaten oder was weiß ich wann stattfinden. Heute ist der ESM sozusagen die Voraussetzung dafür, dass wir all das, was wir vereinbart haben, dann auch tun können.“

Zusammenfassend:
1.     Die Regierungen legen selbst eindeutige Vertragspassagen (Art. 3) nach ihrem Gutdünken aus.
2.     Die Kanzlerin ist der Haftungsfrage ausgewichen. Es ist aber natürlich klar, dass es gerade Sinn und Zweck einer „direkten“ Bankenrekapitalisierung ist, die jeweiligen Sitzstaaten der Banken aus der Haftung herauszunehmen. Das hat sie auch nicht bestritten.
3.     Die Regierung (und offensichtlich auch die Partnerländer der Eurozone) erkennen dem Art. 3 offenbar lediglich eine deklaratorische Funktion zu. Die direkte Bankenrekapitalisierung soll ohne Vertragsänderung eingeführt werden, allein über eine Ausweitung des Maßnahmenkataloges nach Art. 19. Damit ist aber auch die Aussage von Frau Merkel falsch: „Dieser Punkt hat mit dem, was jetzt zum Beispiel im Bundestag abgestimmt wird, nämlich dem ESM, nichts zu tun“. Der ESM erlaubt die Ent-Haftung der Staaten bereits in seiner vom Bundestag verabschiedeten Fassung insofern, als der Vertragstext nach regierungsamtlicher Auslegung keiner Änderung bedarf. Es ist lediglich ein Beschluss im Rahmen des Vertrages zu fassen, dann sind die Heimatstaaten (bei der Bankenhaftung) aus dem Schneider! Natürlich werden Sie daran erneut beteiligt sein, aber die rechtliche Grundlage haben Sie bereits mit der Zustimmung zum Vertrag gelegt! Es wird eine „Low-profile“-Abstimmung werden, d. h. die Regierung wird Ihnen diesen wahren Quantensprung in der Haftungsvergemeinschaftung als Petitesse verkaufen. Und das Verfassungsgericht hat, wenn es den Vertrag nicht JETZT in Bausch und Bogen ablehnt, bei einer scheinbar niedrigschwelligen Zustimmung des Bundestages zu einem Beschluss des Gouverneursrates keine Möglichkeit mehr, den Zug in die Haftungsunion zu bremsen.
4.     Die Aussage „Das ESM-Volumen bleibt dann völlig unangetastet“ ist logisch korrekt, jedoch grob irreführend. Natürlich macht es für das ‚Hilfevolumen‘ keinen Unterschied, ob das Geld an den Heimatstaat geht, oder direkt in die Bankensanierungen fließt. ABER: Bei der Bankensanierung kommt es (wie Deutschland selber schmerzlich erfahren hat) zwingend zu Verlusten. Wenn für diese das Heimatland ‚enthaftet‘ wird, mindern sie das eingezahlte Gesellschaftskapital. Als Folge einer ‚Bankschuldenunion‘ sind also schon jetzt massive Geldabflüsse aus dem deutschen Staatshaushalt in den ESM mit tödlicher Gewissheit vorhersehbar. Dafür haben Sie die erste Grundlage bereits gelegt. Wenn Sie den zu erwartenden Gouverneursbeschluss nicht verhindern, haben Sie der Schaffung von „Eurobonds“ zugestimmt. Dann gnade uns Gott!

Unterstützt wird meine Lesart (von „Auslegung“ kann man nicht reden, weil der Wortlaut ja völlig eindeutig ist!) der Presseerklärung auch von dem "Eurogroup Statement on the follow-up of the 29 June Euro Summit" vom 09.07.2012, welches das Ergebnis der Gipfelbeschlüsse etwas präziser bzw. technischer fasst. Dort heißt es im letzten Absatz (meine Hervorhebung):
In order to break the vicious circle between banks and sovereigns, technical discussions on the future ESM direct bank recapitalisation instrument will also start in September so that the ESM could, following a regular decision, have the possibility to recapitalise banks directly once an effective single supervisory mechanism is established.“

following a regular decision“ heißt: Ohne Vertragsänderung, allein auf einen Beschluss des Gouverneursrats gestützt.
 
In ihrer Regierungserklärung am 29.06.12 vor dem Bundestag hat die Kanzlerin die Planung einer gemeinsamen Bankenaufsicht mitgeteilt und zur „direkte[n] Kapitalisierung von Banken aus dem ESM“ ausgeführt (meine Hervorhebung):
Jetzt gibt es eine breite Diskussion: Will man das, oder will man das nicht? Unsere schwedischen Kollegen zum Beispiel sagen: Wenn es um Restrukturierung von Banken geht, dann kann es für einen Staat sehr sinnvoll sein, selbst auch eine direkte Kapitalisierung zu machen. Wir haben davon Abstand genommen, weil wir bis jetzt keine europäische Kontrollbehörde hatten. Wenn wir aber einmal eine europäische Kontrollbehörde haben, stellt sich diese Frage anderweitig. Dies sind die Beschlüsse, die wir für die Maßnahmen in kurzer bzw. mittlerer Frist gefasst haben. Die betreffen in keiner Weise die heute zu bestätigende Beschlussfassung. Jeder der Schritte, die zusätzlich entwickelt werden müssen, bedarf einer erneuten Befassung des Deutschen Bundestages und ist völlig getrennt davon zu verstehen. Ich glaube, dass wir damit unser Instrumentarium erweitert haben.“
Mit anderen Worten: Der von Ihnen abgenickte Vertrag ermöglicht es (vorbehaltlich Ihrer Zustimmung) dem Gouverneursrat des ESM, Banken statt Staaten als Hilfeempfänger einzusetzen.
Die Kanzlerin hat Sie eingewickelt, und Sie haben wirklich eine Glanzleistung hingelegt, die Ihnen kein blutiger Anfänger so schnell nachmacht!
 
Wenn sie nicht doch noch die Notbremse ziehen, wird das Volk Sie dafür zur Rechenschaft ziehen!


Zusatz für MdB Lothar Binding:
Betr. Ihre Rundmail sehen Sie nun: Ich kann auch anders, als nur Massenmails der Zivilen Koalition zu unterschreiben.
Diese Aktion halte ich aber selbstverständlich für legitim und notwendig, und werde auch diese Mails weiterhin versenden.


Nachtrag 30.09.2012
Die Unternehmensberatung Oliver Wyman hat aktuell die spanischen Banken angeblich auf Herz und Nieren geprüft. Und, oh Wunder, als Rekapitalisierungsbedarf wurde justament jener Betrag genannt, der schon lange im Gespräch war: 60 Mrd. € (genau sogar nur 59,3 Mrd.). Dass und auf welche Weise der Bericht getürkt ist, hat Tyler Durden am 28.09.12 im Detail in seinem Blog Zerohedge belegt: "How Oliver Wyman Manipulated The Spanish Bank Bailout Analysis" (meine Hervorhebungen): "the real funding needs of Spain's banks will be far greater, even absent future deterioration. ..... if someone were to sit down and think through the logic of the OW bailout schematic, the real capital needs for Spain's banks would far, far, greater, which in turn would crush any residual confidence in the system, which in turn would send the bank runs into overdrive, which in turn would guarantee the imminent collapse of the entire Spanish system, and with it the state of Spain, and thus the ECB and the Eurozone. ..... Of course, all of the above has to be avoided at all costs, which is precisely why OW did what it did, why it fudged the numbers the way it did, and why the Eurozone, the IMF and the ECB rushed to give their seals of approval to an analysis which cracks after 15 seconds of critical thinking. But at the end of the day it is all about confidence, and the last thing the people of an entire insolvent world continent can afford is the truth."
Das dürfte in den USA kaum anders sein. Aber hier geht es um UNSERE Steuergelder, die ggf. in der spanischen Bankenrettung versenkt werden!
 

Nachträge 25.01.2013

Am 28.09.2012 erschien in der WELT der Artikel "Wachsende Kritik. Bundestag baut Hürden für EZB-Bankenaufsicht". Darin enthalten folgende sehr wichtige Information, an die wir uns nicht nur selber erinnern, sondern die wir ggf. zukünftig auch den Politikern wieder in Erinnerung rufen wollen, falls sie dort in Vergessenheit geraten sollte:

"Der Bundestag hat hohe Hürden für eine neue europäische Bankenaufsicht aufgebaut. Mit den Stimmen von Union und FDP wurde ein Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen verabschiedet, der sich unter anderem dagegen ausspricht, dass Banken-Altlasten auf die Euro-Ebene abgeschoben werden.
So wird gefordert, dass nur Geldhäuser mit "besenreinen" Bilanzen unter die Aufsicht der Europäische Zentralbank (EZB) gestellt werden dürfen. Institute, von denen systemische Risiken ausgingen, müssten zuvor einem Stresstest unterworfen und zulasten der nationalen Bankenrettungsfonds restrukturiert oder abgewickelt werden, bevor sie in den neuen Aufsichtsmechanismus einbezogen werden dürften. [Zwischentitel:] Schäuble gegen Übernahme von Altlasten."
 
Über die aktuell den deutschen Steuerzahlern von der famosen Bankenhaftungsunion drohenden Gefahren haben die Wirtschaftswissenschaftler Harald Hau und Hans-Werner Sinn am 22.01.2013 einen Artikel in der FAZ (Druckausgabe) veröffentlicht, der unter der Überschrift "Die gefährliche Dimension der Bankenunion" auch auf der Webseite des ifo-Instituts nachlesbar ist. Auszüge:
"Der Kommissionsvorschlag zur Bankenabwicklung wird in der Öffentlichkeit als ein Mittel dargestellt, eine Brandmauer zum Schutz der südlichen Euroländer zu errichten, doch in Wahrheit eröffnet er einen Brandkanal, der es den Flammen ermöglicht, sich in die Budgets der noch gesunden Euroländer hineinzufressen.  ..... Drittens wird die Schonung der Gläubiger der Banken dramatische Umverteilungswirkungen haben. Typischerweise konzentriert sich der Besitz der europäischen Bankaktien und der der Bankenschulden auf die reichsten 5 Prozent der Haushalte, und diese Haushalte befinden sich zu einem großen Teil auch außerhalb der Eurozone. Sie nicht an den Verlusten zu beteiligen kommt einer riesigen negativen Vermögensteuer gleich. Der Reichtum der Vermögenden wird zu Lasten der Steuerzahler, Rentner und Sozialhilfeempfänger der Eurozone gesichert. ..... Ohne Zweifel ist die Einrichtung einer zentralen Aufsicht notwendig, um die europäische Bankenkrise einzudämmen und neuen Krisen vorzubeugen. Aber die Aufsichtsbehörde braucht dafür kein Geld. Ihr sollten vielmehr bindende Regeln zur Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger an den Verlusten an die Hand gegeben werden. Ohne eine effektive und substantielle Beteiligung des Privatsektors wird man die europäische Schuldenkrise auch weiterhin nicht in den Griff bekommen. Nötig ist eine klare Regel zur Beteiligung der Gläubiger im Umfang des negativen Eigenkapitals, das sich errechnet, wenn man alle Bilanzpositionen zu Marktpreisen bewertet. Sollte die Politik stattdessen den Lobbys der Banken und Gläubiger nachgeben und der Kommissionsvorschlag vom Europäischen Parlament ohne grundlegende Änderung akzeptiert werden, werden sich die Steuerzahler und Bürger Europas einem immer weiter wachsenden öffentlichen Schuldenberg gegenübersehen und eine Dekade der wirtschaftlichen Stagnation durchleben. Nur ein starker öffentlicher Druck auf die Europaparlamentarier kann diese Gefahr noch abwenden."
 
In einem Bericht vom aktuell stattfindenden Weltwirtschaftsforum in Davos schreibt Tim Rahman heute in der Wirtschaftswoche unter "Weltwirtschaftsforum: 'Ohne das Geld der Deutschen geht es nicht' "  u. a.:
"Bankenunion und Schuldenschnitt? Die Bundesregierung lehnt diese Schritte bisher ab. Griechenland mache Fortschritte, heißt es aus Berlin. Und ehe man über Haftungs- und Garantiefragen spricht, müsse eine wirksame Kontrollinstanz aufgebaut werden. Alles Wahlkampf, glaubt Barry Eichengreen. „Vor der Bundestagswahl wird es wohl keine Entscheidungen geben. Aber: Je länger Deutschland zögert, desto teurer wird es“, so der US-Ökonom. Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, macht Druck. Die europäische Wirtschaft stehe von enormen Herausforderungen, die gemeinsam angegangen werden müssten. „Wir brauchen eine vertiefte Bankenunion und eine Haushaltsunion“, erklärte sie unmissverständlich. ..... Auf Hilfe, sprich auf deutsches Geld, hofft auch Italiens Ministerpräsident Mario Monti. Er beklagte sich bei einer Podiumsdiskussion, mit den Problemen der hohen Arbeitslosigkeit alleine gelassen zu werden. „Wir brauchen Programme für die Jugendlichen. Wir brauchen Steuererleichterung für Unternehmen, die Jugendlichen einstellen.“ Das gehe nicht, wenn gleichzeitig gespart werden soll und der Zinsdruck das Land weiter lähme. Deutschland müsse seiner Verantwortung gerecht werden und eingreifen, so Monti weiter. ..... Bleibt ... die Frage, warum Griechenland (oder ein anderer PIIGS-Staat) freiwillig ausscheiden sollte, sofern die Geberländer wie Deutschland zuvor auch so die Rechnung zahlen."
Offenbar müssen immer erst Ausländer kommen, um den Germanenpennern die Wahrheit ('Alles nur Wahlkampf - Nach dem Wahltag kommt Michels Zahltag') ins Gesicht zu sagen. Dieses Volk lässt sich leider ALLES bieten von den Polit-Psychopathen unserer Berliner Blockparteien!


Eine vorzügliche, laufend aktualisierte Übersicht über die Internet-Debatte zur Eurozonenkrise bietet der Blog von Robert M. Wuner. Für diesen „Service“ ihm herzlichen Dank!

 
ceterum censeo
Auf dem Brüsseler Gipfel 28./29.06.2012 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel folgende Änderungen des ESM-Vertrages zugesagt:
a) Auflagenerleichterungen für Länder, die Finanzhilfen des ESM erhalten und
b) eine Entlassung der Staaten aus der Haftung bei der Sanierung von Banken in ihren Ländern. Damit finanzieren deutsche Steuerzahler Bankschulden in anderen Ländern, z. B. Spanien, Irland, Zypern, Slowenien.
Diese weitere a) Aufweichung und b) Ausweitung des ESM zu unseren Lasten, die nach meiner Einschätzung in 2 - 3 Monaten vor den Bundestag kommt, müssen wir verhindern. WIR sind das Volk! Schreibt massenhaft in Foren, Leserbriefen und vor allem an die Bundestagsabgeordneten, dass sie eine Bankschuldenunion ablehnen sollen!
 
Textstand vom 25.01.2013

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