Freitag, 22. Mai 2009

Kein Hessischer Kulturpreis für Navid Kermani. Kochte Hessens Ministerpräsident Roland Kusch-Koch ein Opfermahl für symbolische Anthropophagen?

Es begab sich aber zu der Zeit, da Johannes Dyba Bischof war in Fulda, einer alten Stadt im Hessischen Lande. Da kam an jenem Tage, an welchem derjenige, welchen die Christen als ihren Herrn bezeichnen, gen Himmel gefahren ist, der Referent mit seinem (staatlich) angetrauten Weibe daher. Sie durchquerten den schönen Schlosspark der einstigen Fürstäbte (zeitweise dann Fürstbischöfe) von Fulda (den er mittlerweile auch von oben angeschaut hat) und beendeten ihren Gang am barocken Dom, welcher geheißen wird "Dom St. Salvator zu Fulda". "Salvator" aber ist nicht, wie manche irrenden Schäfchen unserer glaubenslosen Zeit vielleicht glauben mögen, als Name einer Biermarke in die Welt getreten. Heiland heißt es, weil Jesus Christus uns gerettet hat vor dem (derzeit allerdings noch nicht vor: den) Bösen.


Dorten fanden die beiden Pilger eine Menge des Volkes versammelt und es waren darunter nicht wenige in wunderlichen bunten Gewändern. Auch hatten sie (mutmaßlich) Myrrhen und Weihrauch dabei, und einige Geräte, welche der Blick unseres Ethnographen unmittelbar und intuitiv als Gegenstände kultischer Gebräuche qualifizierte. Nicht unterschlagen darf der Chronist auch das Faktum, dass unser reisender Anthropologe zwar nicht unbedingt fett, jedoch ebenso wenig von magerer Körperbeschaffenheit ist. So werden meine Leser verstehen, dass kein geringer Schrecken unseren Observanten des Volkslebens erfasste, als er aus dem Munde des frommen Dr. jur. Johannes Dyba Worte vernahm, welche er als Ausdruck kannibalischer Bräuche deuten zu müssen glaubte:
"Dessen Leib wir essen, dessen Blut wir trinken ... ".


Dieses Ereignisses, welches sein sensibles Seelchen damals tiefinnerlich erschüttert haben mochte, erinnerte sich sein Backup-Memory, als er heute, verführt von finsteren ZEIT-GEISTERN, das Breve eines leibhaftigen Muselmanen las, in jener Zeitung, welche da kommt aus der Stadt der Gnome und wird genennet "Neue Zürcher Zeitung".
Navid Kermani heißt der Heide, welcher in diesem Blatt aus dem bergigen Lande lästerliche Meinungsäußerungen über den Herrn abgelassen hat: "Bildansichten: Warum hast du uns verlassen?"
Kermani meditierte (bereits am 14.03.09) über ein Bild, nämlich eines des italienischen Barockmalers Guido Reni: «Kreuzigung» ("Gesù crocifisso"), 1637/38, Altarbild in der Basilika San Lorenzo in Lucina, Rom, auf einer Webseite der Stadtverwaltung leider sehr verwackelt dargestellt. (Hier eine Abbildung und ein italienischsprachiger Artikelauszug über ein anderes Kreuzigungsbild von Guido Reni.) (Dort eine weitere Abbildung und diese aus den Wikimedia Commons ist leider auch etwas unscharf).

Schon immer war es ja mein Reden, dass die Künstler gefährlich seien für die Kirche.
Und ist es außerdem auch meine tiefinnerliche Überzeugung, dass das Unterhalten eines Kunststipendientourismushotels in Rom, Villa Massimo mit Namen, eine bourgeoise Erblast des (jedenfalls in Deutschland) letztlich doch recht banausischen 19. Jahrhunderts ist, welche schnellstens abgeschafft gehört (und durch Stipendien für Aufenthalte nach Wahl der Künstler ersetzt).
Diesen Kermani also hatte man dort hingeschickt, und der machte natürlich gleich einen Artikel aus seinen Erlebnissen. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum man die Leute nach dort unten disloziert, aber warum konnte der Mann nicht schreiben wie z. B. Rolf-Dieter Brinkmann? Das war ein ehrlicher Mensch, denke ich mal, wenn ich über ihn lese:
"Brinkmann mag Rom, mag Italien, mag die ihn umgebenden Menschen nicht – das 10monatige Stipendium, so wird in „Rom, Blicke“ immer wieder deutlich, hat er nur angenommen, weil die finanzielle Situation unerträglich war."
Aber nein, der Kermani muss was Klerikales observieren und einen entsprechenden Text produzieren. Anstatt ein schönes Gedicht zu machen, etwa "... am toten Fluss verkohlte Feuerstellen, und Kondome im Unkraut, zwischen den Ritzen ...", wie unser braver Brinkmann ("Roma di notte") das Großstadtleben so trefflich beobachtet, schleicht sich dieser Muselmann an gemalte Kreuze in Kirchen ran!

Kein Wunder wenn Navid Kermani sodann mit intellektueller Perfidie dem Christentum ein unscheinbares Personalpronomen voll ins Gesicht klatscht . Mit ketzerischen Künsten transformiert er das wiewohl erschütternde doch gleichwohl strikt subjektive Lamento unseres großen Dulders "Eli, Eli, lama asabtani?" (Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?) in ein kollektives "uns". Uns habe der Herr verlassen? Welche Blasphemie, hat er uns doch gerade gerettet (wiewohl wir hardly verstehen, dass uns der Allweise, Allgüte und Allmächtige zuvörderst in die Niederungen von Sünd und Tod habe herabfallen lassen, um uns erst anschließend auf einem rather tortuos path aus der Schiete wieder rauszuholen. Doch bannt die Theologie dies Problem als "Theodizee").


Viele Arglose mögen gerne glauben, dass dieses der Grund gewesen sei für jenes hinterhältige Entsetzen, mit welchem der hochwürdige Erzbischof und Kardinal Karl Lehmann (justament aus meinem geliebten Mainz) mit dem ehemaligen evangelischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker, seinem ketzerischen Bruder in Christo im Schlepptau, die Vergabe des Hessischen Kulturpreises, oder genauer: eines Viertels eines solchen, an den persischen Moslem Navid Kermani hintertrieben hat.
Da rauschen heftig die Blätter, und ihre Links hat der Inkriminierte selber gesammelt (sie dürften ihm zumeist auch gewogen sein).


Ich wittere hier (un)heimlichere Hintergründe als angeblich despektierliche Äußerungen des Rompreisträgers über Kruzifixe und christliche Kruzifixologie: Entdeckungsfurcht nämlich der symbolischen Anthropophagen.

Nach einem zugegebenermaßen nur kursorischen Streifzug durch die Kommentare, wie auch durch die Debatte in den Medien, habe ich den Eindruck, dass niemand versteht woran die Kirchenfürsten hier in Wahrheit Anstoß nehmen (und die werden sich hüten, der Öffentlichkeit ihr wahres Gravamen auf die Nase zu binden). Zentrale Stelle des Anstoßes für das schwarze Lehmännchen und seinen häretischen Bruder in Christo dürften nämlich weniger Kermanis Meditationen über das Kreuz Christi als vielmehr seine folgende Textpassage sein:

"Eingegriffen habe ich nur bei der Messe zur Einschulung, als die Kinder Hostien essen sollten, gleich welchen Glaubens."

Warum hat Kermani seine Tochter vom Genuss der Hostien abgehalten? Klar: Hostien sind Menschenfleisch! (Die Passage fällt auch der katholischen Webseite kreuz.net besonders auf.)
Nicht vergessen: "seinen Leib essen, sein Blut trinken ..." Eine jegliche Religion, welche eine wenn auch nur symbolische Menschenfresserei praktiziert (mehr dazu z. B. hier), ist schon ein wenig 'merkwürdig' (um meine diesbezügliche Denkungsart in einer von sozusagen christlicher Liebe schallgedämmten oder auch geknebelten Verbalverpackung darzubringen). Und Kermani nimmt ja, seinem eigenen Bekunden nach, die religiösen Riten und Vorstellungen des Christentums ernst ("Wenn solche Vorgänge für mich nur Kindereien wären, ..."). Da ist Horror vor dem Genuss einer Hostie durchaus verständlich (ich dagegen hätte keinen: für ein Agnostiker können diese Scheiben nur - laffes - Gebäck sein).
Jedenfalls ist eine Theologie des Gott-Verspeisens dermaßen merkwürdig, dass wir uns damit behelfen müssen diesen Aspekt des Christentums weitestgehend aus unserem Bewusstsein zu verbannen.

Und wenn dann doch einer hervortritt, und gar ein Anhänger des Propheten (ich bin, nebenbei, alles andere als ein Advokat der rückständigen islamischen Kulturen), und richtet das helle Licht der Scheinwerfer auf solch rituellen Kannibalismus: dann spielt man halt nicht mehr mit dem Schmuddelkind.
Sondern ordert bei Roland Kusch-Koch ein christenpolitisch korrektes Opfermahl. Der macht einen Diener und lässt dem Lästerer die schon versprochene Zuteilung des Hessischen Kulturpreis-Vierteles (11.250,- € für einen; ist eh' nicht die Welt) wieder wegnehmen.


Es hat freilich einer der Amtsvorgänger vom Mainzer Erzbischof Lehmann einen Kardinalfehler gemacht, indem er dem Gutenberg gutgläubig das Drucken erlaubte. Dessen schwarze Magie hat der christlichen Kirche mählich das Blut aus den Adern gesogen. [Merkwürdig allerdings, dass das bei den Islamisten nicht funktioniert. Andererseits: bei den Evangelikalen klappt's auch nicht. Dort evtl. wg. Fernsehen?]

So rauschet nun der Blätterwald
Und Roland Koch der fühlt sich kalt.


Einstens hatte unser aufmerksamer Beobachter, nachdem er wieder einmal in der Würde seines Magens beleidigt worden, ein kleines Spottgedicht verfasst, welches da lautet:

In Hessen Kassel saßen Grafen
Die konnten meistens Nachts nicht schlafen.
Und das lag nicht an den Mätressen
(Denn die gab es nicht nur in Hessen):
Das lag allein am schlechten Essen:
Davon gibt es genug in Hessen!


Jetzund hat in freilich anderer Weise der kruzitürkische chattische Landesfürst einen Brei zusammengeköchelt, der ihm noch übel aufstoßen wird (und auch nach meinem Wunsche bös bekommen soll).

Mit welcher Schlussformel mag unser Roland Koch den Klerikern Vollzug gemeldet haben? Vielleicht mit einer barocken wie
"In tiefster Ehrfurcht ersterbe ich als Euer hochwürdigen Exzellenzen stets beflisstentlichst gehorsamer Diener Roland Koch-Komparse"?


Sofern gewünscht, kann ich meine Meinung über den hessischen Ministerpräsident und CDU-Mitglied Roland Koch auch etwas volkstümlicher formulieren:
Dieser kirchenhörige Hampelmann hat bei mir gründlich verschissen!


Hören wir nun zum (zumindest momentanen) Abschluss noch eine anglophone Stimme der Webseite "Catholic Church Conservation", Unter der Überschrift "Cardinal Lehmann puts borders an religious dialogue" heißt es dort u. a.:
"Rapid decision.
Why did the Board, after Lehmann and Steinacker refused their agreement to Kermani decide also not to award it at least to these two intended recipients? The Board of Trustees deems it "unacceptable", to withdraw the "already publicly expressed honour for their undisputed major life's work in the interaction of religion and culture to the personalities of Cardinal Karl Lehmann, Peter Steinacker and Salomon Korn." The Regional Government is obviously striving to accept Lehmann and Steinacker’s interpretation of Kermani’s understanding of the image and to make the evil verdict of irreconcilability their own. But the latest contribution of the two clerics to the interaction of religion and culture is for the time being the most striking part of their life’s work.
One is amazed by the sudden determination of the ecclesiastical figures. Not least because even last Easter, the terms used by both churches for the death on the Cross was distant from a conception of sacrificial reparation: it was only as a sign of "solidarity" of Christ with humanity which makes the Cross still important. And one should remember a few years ago: The Bishop of the Northern Regional Church, Maria Jepsen suggested instead of showing the Crucified as the Cross has been envisaged for 2000 small children at play should be substituted.
"

Die Fettnäpfchentrampelei seines päpstlichen Chefs scheint leider auch beim Lehmann Schule zu machen.
Wenn ich den Lehmann demnächst mal wieder beim Karstadt treffe, wie er schelmisch lächelnd Unterwäsche zur Kasse trägt, dann werde ich nicht wieder verlegen zur Seite schauen (weil ich ihn "kenne" und er mich nicht), sondern ihn gleich anhauen: "Das war wohl nix, Satz mit X, wie?"
Andererseits: vielleicht drehe ich mich einfach um und denke: "Mönchsgezänk"! (Indes: solches Gezänk ist schon früher grob unterschätzt worden bzw. hat sogar direkt zu Kriegen geführt.)


Nachträge 24.05.2009
Nähere Informationen über die Kirche San Lorenzo in Lucina, und auch über das Bild (jeweils durch Anklicken vergrößerbar; Aufnahmen sind aber unscharf) z. B. auch auf den Webseiten "Stadtführung in Rom" und vom gleichen - namenlosen aber hier abgebildeten - Autor mit dem gleichen Text in "Der Blog aus Rom".

Soweit Kermani davon spricht, dass "Martyrium ... exzessiv bis hin zum Pornografischen zelebriert wird" mögen die Kirchenfürsten doch mal ihre Bibel lesen. Pornographie gibt es dort (wenn auch wohl vorwiegend im Alten Testament) genug. Nun halte ich es zwar durchaus für wahrscheinlich, dass die Pornographie (zusammen mit ihrer weitgehenden Unterdrückung bzw. den Bemühungen um Unterdrückung - einer Art von "simul justus et peccator" oder einer "coincidentia oppositorum" -, denn nur in der Dialektik der verbotenen Frucht kann sie ihre Triebkraft voll entfalten) eine auch positive Antriebskraft, etwa der Kreativität, in unserer Kultur ist. Insofern könnte man es sogar als Leistung der Bibel und der christlichen Kirchen, der christlichen Literatur - Heiligenviten - und der christlichen Ikonographie ansehen, diesen Aspekt des gesellschaftlichen Diskurses in unserer Kultur inkorporiert zu haben (während er in anderen Kulturen, z. B. auch der moslemischen, möglicherweise allzu rigide unterdrückt wird).
Schon Bibel ist jedenfalls voll von einschlägigen Schilderungen; eine Reihe von Webseiten thematisieren "Bibel und Sex":
"Nudity, as mentioned in the Bible" heißt es auf der Webseite "ReligiousTolerance",
"Holy Shit Index Page. Bad Bits of the Bible" compiled by Vexen Crabtree;
"The Sceptics Annoted Bible" hat eine Seite mit dubioser "Language of the Bible" [und eine andere über fragwürdige Koranstellen]
Die österreichischen (identischen) Webseiten "Nackte Tatsachen" bzw. "BlazingGrace" sorgen sich um Pornosucht der Christen;
Ein Schweizer Aufsatz auf "JesusCH" beschäftigt sich mit "Pornographie: 'Ich dachte, ich komme da nie raus' "
Und gerade vor kurzem las man im Spiegel Online vom 07.05.09 unter "SEXUELLE VERGEHEN. Wo es in der Bibel drunter und drüber geht" über einen (von Marcus Becker in Spiegel Online wegen relativer inhaltlicher Dürftigkeit kritisierten) Aufsatz des indischen Wissenschaftlers Anil Aggrawal "References to the paraphilias and sexual crimes in the Bible".
Auf Glaube.de lesen wir unter "Umgang mit Pornographie - ein Tabu?":
"Anlässlich einer in den USA durchgeführten Umfrage (bei einem großen christlichen Männertreffen) gaben 71% der Männer an, Probleme mit der Sexualität zu haben. Die meisten von ihnen, indem sie regelmäßig im Internet und Fernsehen Sex konsumieren. Auf uns konservative Deutsche treffen solche Zahlen natürlich nicht zu, oder? Einer anderen Umfrage zufolge meinten 51% der charismatischen Pastoren, dass Internet-Pornografie eine Versuchung sei und 37% sagten, dass sie gegenwärtig ein Problem damit haben."
Der katholische Bischof Robert William Finn von der Diözese Kansas City - St. Joseph, Missouri, USA, hat einen langen Hirtenbrief zum Thema Pornografie verasst:
"Selig, die reinen Herzens sind. Hirtenbrief 'Blessed Are The Pure In Heart' über die Würde des Menschen und die Gefahren der Pornografie vom 21. Februar 2007."

Einschlägige Bibelstellen auf Deutsch hat Markus Gansel auf der Webseite Unmoralische.de u. d. T. "Das zynische Bibellexikon" herausgesucht.


Andere sehen die Erwähnung von Sexualität in der Bibel positiver:

HERMANN TRAUB verneint die rhetorische Frage "Ist die Bibel sexfeindlich?" (auf der Webseite Porno-frei.ch).

Ebenso Rainer Jetzschmann mit der Seite "Liebe, Lust, Sexualität ... und die Bibel" auf der Webseite GottesBotschaft.de.


Wer mag kann sich aber auch auf die Aussage beschränken: Die Bibel spiegelt das pralle Leben wider.


Nachtrag 26.05.09
Audiatur et eine gewisse Gudrun Eussner. Die zieht auf ihrer Webseite gegen Kermani vom Leder, dass es eine (Lese-)Lust ist. Köstliche Polemik ist bereits der Titel
"Navid Kermani aus Versehen in einer Kirche"
Und dann geht's zur Sache:
"Wenn Dr. phil. habil. Navid Kermani einmal nicht das Werk anderer ausschlachtet, um es gelinde auszudrücken, wie im Falle des Klassikers von Hellmut Ritter Das Meer der Seele geschehen, sondern ein eigenes Sujet findet, dann ist die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) so begeistert, daß sie es freudig abdruckt. Das soll nicht heißen, daß der Text nicht in die NZZ paßte, im Gegenteil, dieses ästhetisierende Geschwätz des Muslims ist durchaus auf Linie, die anderen Beiträge sind von ähnlicher Qualität. ..... "

Und der Versehens-Kirchgänger ist nur einer aus eine ganzen Salve von Breitseiten, welche sie auf ihrer Webseite gegen Kermani und für die christlichen Kleriker abfeuert:
"Navid Kermani und das Elend der katholischen Theologie"
"Ich war gestern in der nahen Kreisstadt, dies und das besorgen, dann zurück, im Dorf-Supermarkt einkaufen. In diesen zerstückelten 90 Minuten war im Autorradio dauernd von Navid Kermani die Rede. Es ist, als ob er ein Medikament gegen Krebs entdeckt, und nicht das Kreuz beleidigt hätte, schreibt mir Calamitas, man faßt es irgendwie nicht mehr. ....."

"Navid Kermani in den deutschen Medien: Armes Deutschland!"
"Deutsche Journalisten zeichnen sich aus dadurch, daß sie ihr Publikum erziehen oder indoktrinieren, daß sie meinten, eine Pflicht zur Information zu haben, ist aus ihren Beiträgen nicht ersichtlich. Ich kenne mindestens drei Orientalisten, die unbeeindruckt von heute moderner Schwärmerei für den Islam und seine angeblich moderaten Vertreter den NZZ-Artikel des Navid Kermani hätten in der Luft zerreißen können, wissenschaftlich, nicht als gläubige Christen oder Juden. ....... "
Und noch eine Reihe weiterer Artikel für die Freunde des fetzigen Sophismus.

Freilich sollten wir auch und ganz besonders unser Selbstbewusstsein gegenüber dem Islam bewahren, und ich gehöre gewiss nicht zu denjenigen, die dieser Religion naiv gegenüber stehen. Aber der Kermani-Artikel ist doch ein sehr persönliches Bekenntnis und in meinen Augen ganz gewiss nicht in beleidigender Absicht geschrieben. Hier waren der Karl und sein Schlepptau-Peter einfach zu mimosenhaft. Und Roland Koch ist in dieser Staatsposse als Kümmerling in Erscheinung getreten.
Am besten wäre es ohnehin, von Preisen für den interreligiösen Dialog ganz abzusehen.
Dialog der Religionen hört sich gut an, aber keine Religion und Kirche der Welt, die etwas auf sich hält, kann im Grunde ihres Herzens die Lehren der anderen, die ja zwangsläufig Falschgläubige sein müssen, anerkennen.

Und wer interessiert sich letztlich für das 'Mönchsgezänk' der Frommen? Einige wenige tief Gläubige mag ein solcher Streit (bzw. mögen Kermanis Worte) tatsächlich (negativ) berühren; Kirchenfunktionäre mögen damit Symbolpolitik machen: für den riesigen Rest des Volkes wirkt ein solcher Streit lediglich skurril und wird im übrigen lediglich medial hochgekocht.
[Letztlich dann wohl auch hier - von mir?]


Nachtrag 02.06.09
Ich sollte vielleicht, und sei es nur als pro memoriam für mich selbst, meine eigene Position hier ein wenig präzisieren. Bzw. (auch wenn ich von beidem nichts oder wenig verstehe) meine eigenen Positionen:
- zu Navid Kermani und
- zur Theologie von Kreuz und Leiden.
Dass ich dem Terz der Kirchenfürsten um den vom Preiskuratorium erst ausgewählten und dann wieder abgewählten Mit-Preisträger ziemlich verständnislos gegenüberstehe bedeutet keineswegs, dass ich mit Navid Kermani - und schon gar nicht mit dem Islam - sympathisiere. Allerdings würde mich sein Text, wäre ich denn gläubig, wohl eher positiv berühren. Immerhin bezieht hier jemand Position, und das tut er wohl auch deshalb, weil er sich irgendwie verpflichtet fühlt, eine Position zur christlichen Religion zu beziehen. Da können die Christen eigentlich froh sein; schlimmer wäre es doch, wenn es sonst nur noch Agnostiker gäbe (wie mich), denen die Bibel und alles Drum und dran ziemlich gleichgültig sind und die vor allen Dingen nicht einmal Gott leugnen: weil sie die Alternative für oder gegen in diesem Zusammenhang einfach nicht akzeptieren, sondern a priori als sinnlos verwerfen.
Außer einer gewissermaßen philosophischen Position (d. h. einer Position des Nicht-Einlassens auf religiöse Fragestellungen) habe ich zur Religion allerdings auch eine historische Position.
Insofern stehe ich der christlichen Religion so ähnlich gegenüber, wie manche gebildeten Protestanten (Ferdinand Gregorovius z. B.) im 19. Jahrhundert der katholischen Kirche. Ebenso wie die es mit ihrem protestantischen Gläubigkeit problemlos vereinbaren konnten, die katholische Kirche als einen prägenden Faktor unserer kulturellen Entwicklung zu würdigen, kann auch ich das Christentum der abendländischen Zivilisation anerkennen. Und, wie ich schon früher (und seitdem wiederholt) schrieb, bin ich bin nun einmal (auch) ein Kulturkreispatriot. Die Leidensmythologie gehörte zumindest in der Vergangenheit wohl zum notwendigen Repertoire in der Entfaltung unserer Zivilisation. Bogumilen, Katharer, Waldenser, John Wyclif, Jan Hus, Martin Luther - wären diese historischen Figuren (von denen zwar nur Huss als Ketzer hingerichtet wurde, die sich aber alle einem solchen Risiko ausgesetzt haben) vorstellbar in einer Religion, die nicht das Leiden verklärt, wie die christliche?
Wie auch immer die spirituellen und sozialen "Transmissionsriemen" zwischen dem Kreuz und dem Fortschritt funktioniert haben mögen: ich gehe davon aus, dass es solche gibt, und dass sich die westliche Kultur als fortschrittlichste Kultur der Welt ohne solche Elemente nicht entwickelt hätte. Und da ich den Fortschritt (in meinem Begriffsverständnis, d. h. als ein Fortschreiten zu höherer Komplexität, nicht unbedingt zu größerem Glück) positiv bewerte, kann ich die christliche Theologie rund um einen Gekreuzigten philosophisch als eine ziemlich krause Mythologie geißeln, sie aber gleichwohl für eine historisch notwendige und weiter führende Erscheinung halten. Damit werte ich das Christentum wohl analog zu Karl Marx' Beurteilung der historischen Funktion des Kapitalismus: er hält den Kapitalismus und ich halte das Christentum zwar nicht für gut, aber für einen historisch notwendigen Zwischenschritt zum Besseren.


Nachtrag 13.09.2009
Nun haben sich die beiden Christenmenschen mit ihrem moslemischen Mitpreisträger ausgesöhnt und der hessische Kulturpreis wird ihm demnächst wohl doch noch (anteilig) zuerkannt. Vgl. dazu z. B. den Kommentar "Die spannendste Preisverleihung" von Matthias Alexander in der FAZ vom 31.08.2009 oder, gehaltvoller, in der Süddeutschen Zeitung (auf deren Webseite nur gegen Bares zu haben, aber auf der Webseite von Navid Kermani gratis als pdf-Datei einzusehen) ebenfalls vom 31.08.09 der Kommentar "Entscheidung unter dem Kreuz".





Textstand vom 13.09.2009. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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