Handelsblatt-Meldung von 08.05.2009:
"Rohstoffe. Ölpreis klettert auf höchstem Stand seit sechs Monaten"
Habt ihr uns nicht immer erzählt, dass die Konsumenten Inflationserwartungen brauchen, um sich dumm und dämlich zu schoppen? Na also, dann freut euch doch: bald kommt sie wieder, die Inflation! Wie (nicht nur) ich schon prognostiziert hatte: wenn wir die Wirtschaft wieder ankurbeln, fahren wir gegen die Wand der Rohstoffverknappung! (Hätten wir sie nicht angekurbelt, wären wir in den Abgrund gestürzt: die Todesarten sind leicht unterschiedlich; das Ergebnis bleibt aber das gleiche).
Und wenn es doch nicht das Rohöl sein sollte, das uns als Erstes ausgeht: dann ist es halt das Titanerz! (Vergleiche Handelsblatt-Bericht "Rohstoffe. Harter Kampf um Titan" vom 08.05.2009 von Markus Fasse und Regine Palm:
"Seltene Erze und Metalle werden knapp. Hersteller von Solaranlagen, Elektroautos oder Halbleiterproduzenten brauchen immer mehr der wertvollen Rohstoffe. Längst ist ein harter Verteilungskampf entbrannt. Die deutsche Industrie reagiert noch zu langsam").
Die Beseitigung von Preisblasen (etwa der amerikanischen Wohnimmobilien in bestimmten Regionen der USA) durch Veränderung des Maßstabes (d. h. durch Inflation) ist eine etwas seltsame Methode der Krisenbekämpfung, die aber schon 1933 von dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Irving Fisher in seinem Aufsatz "The Debt Deflation Theory of Great Depressions" in der Zeitschrift Econometrica empfohlen worden war (damals allerdings angesichts der Realität und mit der Vorstellung eines einheitlichen Preisverfalls, während heute stellenweise eine Schere zwischen den Preisen für Sachwerte und den Konsumgüterpreisen klafft).
Schon Fisher sorgte sich um einen "Fall in Commodity Prices", aber damals brauchten die USA noch kein Erdöl zu importieren (und vielleicht hatte er bei dieser Formulierung ohnehin eher die Preise der Agrargüter im Blick).
Eine knappheitsgenerierte Inflation wird zwar, indem sie das allgemeine Preisniveau anhebt, vielleicht auch die Immobilienpreise in die Höhe treiben. Nur wird sie auch die Tilgungsfähigkeit der Hypothekenschuldner beeinträchtigen. Was die für das Benzin mehr ausgeben müssen, fehlt ihnen zur Schuldentilgung. Oder z. B. zum Kauf eines neuen Automobils alle paar Jahre.
Ganz so einfach, wie sich Ben Bernanke, Paul Krugman und andere Finanzklempner das vorstellen, kommen wir wohl nicht aus der Krise. (Nach meiner Einschätzung kommen wir gar nicht mehr aus der Misere, weil die Weltwirtschaftskrise relativ nahtlos in eine Ressourcenkrise übergehen wird.
Nachtrag 21.06.09
Titel geändert (alt: "Hurra, der Ölpreis steigt! Endlich dürfen wir auf die Wiederkehr der Inflation hoffen, deren wir nach Meinung mancher doch so sehr bedürfen!")
Nachtrag 12.06.2009:
Weitere Einträge zur aktuellen Debatte bzw. Lage in meinem aktuellen Blott "Die Welt aus Düsseldorfer und Hamburger Sicht. Vergleich Handelsblatt mit Financial Times Deutschland (FTD), u. a. zum Thema Ölpreisentwicklung" sowie als Nachtrag in meinem älteren Blott "Konjunkturpolitik in 2. Weltwirtschaftskrise (WWK II): Ohne Konjunkturprogramme steuern wir in den Abgrund. Mit Ankurbeln steuern wir gegen die Wand".
Nachtrag 13.06.09:
"Konjunkturerholung. US-Ölpreis springt über 72 US-Dollar" meldet heute das Handelsblatt.
Nachtrag 19.06.09:
Nanu? Doch kein Jauchzen? "Rally bei Rohstoffen. Der Börse droht ein Ölpreisschock" melden Jörg Hackhausen und Christian Panster im Handelsblatt vom 19.06.2009:
"Der Ölpreis klettert rasant, und auch die Kurse an den Börsen haben seit den Tiefständen deutlich zugelegt. Dass der Rohstoff wie auch die Aktien so schnell und im Gleichschritt klettern, ist ein seltenes Phänomen. Es zeigt, in welchem Ausnahmezustand sich die Märkte immer noch befinden. Doch bald könnte es zurück auf den Boden der Tatsachen gehen."
Zwar heißt es zunächst:
"Dass für Öl wieder mehr gezahlt werden muss, finden manche Experten sogar gut. Sie werten das als Zeichen für eine Erholung der Weltwirtschaft."
Aber dann kommt es knüppeldick:
"Steigt der Ölpreis weiter, könnte dies den zaghaften Aufschwung, die viel beschworenen "Green Shoots", schnell plattmachen. "Wir bemerken schon jetzt einen negativen Einfluss des Ölpreises", sagt Norbert Braems, Chefvolkswirt bei Sal. Oppenheim. ... Die entscheidende Marke, ab der es kritisch wird, sehen führende Ökonomen bei 100 Dollar je Barrel. Dies könne inmitten der derzeitigen Wirtschaftslage "einen Schock" auslösen, sagt etwa der Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini. Er erinnert daran, dass es nicht nur Subprime-Kredite, Hauspreise und die Pleite von Lehman Brothers waren, die die weltweite Krise ausgelöst haben. Eine Ursache sei auch der Ölpreis, der im Sommer 2008 bei 145 Dollar pro Barrel lag."
[Da schau her: mittlerweile haben alle gewusst, was der Blogmeister schon vor einiger Zeit sagte: dass auch der Ölpreis zur Konjunkturkrise beigetragen hat!]
Und dass die Konjunktur anzieht, erfahren wir ebenfalls heute in einer weiteren HB-Meldung: "Konjunktur. IWF: Weltwirtschaft erholt sich schneller":
"Gute Nachricht für die krisengeschüttelte Weltwirtschaft: Die globale Konjunktur wird sich nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) schneller von der schweren Rezession erholen als bislang gedacht."
Nachträge 01.01.2010
Die Rohstoffe sind wieder in aller Munde (und in den Taschen der Spekulanten). Trotz Flaute sind einige Preise (insbesondere Kupfer) um 100 Prozent und mehr gestiegen, haben sich also im Preis verdoppelt. Mag sein, dass die Notierungen durch die Finanzkrise tiefer in den Keller gerutscht waren, als das die Fundamentaldaten, also das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, gerechtfertigt hätte. Aber die Chancen, dass die Rohstoffpreise (erneut?) die Weltkonjunktur ausbremsen (helfen?), scheinen mir gut zu stehen. Und dass jenseits der aktuell durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken erleichterte Spekulation ein Missverhältnis von (vermutlich schrumpfendem) Angebot einerseits und der steigenden Nachfrage andererseits besteht, dass also letztlich die Spekulation nur eine fundamentale Entwicklung abbildet, halte ich für sicher.
Aktuelle Meldungen zum Thema:
"Rohstoff-Rally. Warum Konzerne sogar im All Metalle schürfen würden" titelte Sebastian Ertinger in der Financial Times Deutschland (FTD) vom 31.12.2009:
"Öl, Kupfer, Zink: 2009 sind die Preise für Rohstoffe rasant gestiegen. So stark, dass sogar der Weltraum irgendwann als Quelle herhalten könnte. Doch wie geht es mit den Preisen weiter? Werden auch Agrarrohstoffe wie Mais und Soja teurer?"
Diesem längeren Artikel stehen 3 kürzere im Handelsblatt gegenüber:
"Ausblick 2010: Droht eine Rohstoff-Blase?" vom 29.12.09:
"Das Jahr 2009 war ein gutes für die Rohstoffpreise; kräftig sind sie geklettert. Aber was kommt 2010 und später? Geht es weiter nach oben? Die Experten streiten sich. Während die einen sagen, noch sei das Ende der Rally nicht erreicht, warnen andere vor dem nächsten Absturz."
"Preisanstieg bei Rohstoffen: Und ewig lockt die Geschichte vom Superzyklus" heißt es am 30.12.2009:
"Die Welt ist wieder einmal im Goldrausch. Viele Menschen misstrauen den Notenbanken und ihrer großzügigen Geldpolitik. Das viele Geld, das die Währungshüter in die Märkte pumpen, um die Finanzkrise zu bändigen, werde schon bald zu einem dicken Inflationsproblem führen, so die Überlegung."
Mit "Superzyklus" ist die wachsende Nachfrage, insbesondere aus den Schwellenländern, die jetzt zu unserem Wohlstandsniveau aufzuholen versuchen, gemeint. Die Vorstellung von einem "Zyklus", bei dem zunächst die Nachfrage wächst, dann die Produktion steigt und schließlich die gestiegene Produktion die Nachfrage übertrifft (in aller Munde ist insoweit neben dem Rohstoffzyklus hauptsächlich der Begriff "Schweinezyklus" aus dem Agrarbereich), so dass die "Commodity"-Preise wieder fallen, ist allerdings im Bereich der nicht erneuerbaren Rohstoffe zumindest auf mittlere bis längere Sicht verfehlt. Da kann die Produktion nicht (mehr oder weniger) beliebig gesteigert werden, wie in der Schweineaufzucht. Vielmehr müssen wir mit zunehmenden Knappheiten rechnen.
Und am 31.12.09 heißt es im HB: "Rohstoffe: Experten erwarten steigende Metallpreise":
"Vor allem die wiedererstarkten Märkte in den Schwellenländern China und Indien haben die Preise für Industriemetalle in den vergangenen Monaten in die Höhe getrieben. Sollte sich die Weltwirtschaft wie erwartet erholen, warnen Experten sogar vor Angebotsengpässen."
Textstand vom 01.01.2010. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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